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ОглавлениеDer Chef der Sicherheitspolizei und des SD | Berlin, 26. Juli 1941 |
IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. | [Stempel: Geheime Reichssache!] |
[Stempel: Lagezimmer] |
41 Ausfertigungen, 29. Ausfertigung
Ereignismeldung UdSSR Nr. 34
I) Politische Übersicht:
a) Im Reich: Es liegen keine Meldungen vor.
b) Besetzte Gebiete:
Frankreich:
Der Beauftragte des Chefs der Sipo u. d. SD, Dienststelle Paris, meldet: In der Zeit v. 14.–22. Juli 1941 haben sich im Bereich der franz. Nordbahn, größtenteils in der Nähe von Paris, verschiedene Sabotagefälle bezw. Anschläge auf wichtige Eisenbahnverbindungen ereignet, deren Urheberschaft zweifellos auf kommunistische Aktionen zurückzuführen ist. Der erste Fall dieser Art ereignete sich am 14.7.41 in der Nähe des Bahnhofs Stains (Paris Nord), bei welchem auf einer Verbindungsstrecke am Ferngeleise Eisenbahnschienen durch Herausziehen der Befestigungsnägel und Lösen von Verbindungslaschen gelockert worden sind. Dieser Anschlag hatte keine weiteren Folgen, da er rechtzeitig entdeckt werden konnte. In der Nacht vom 16. zum 17.7.41 entgleiste zwischen den Bahnstationen Epinay und Epinay-Villetaueuse ein Güterzug mit 70 Waggon Stroh, der nach Frankfurt/M., bestimmt war. 2 Maschinen und 10 Waggons wurden zum Teil erheblich beschädigt und der Eisenbahnverkehr auf 1 1/2 Tage unterbrochen. Der Lokomotivführer und der Heizer der einen Maschine wurden verletzt. Weitere Schäden sind nicht entstanden. Ein weiterer Anschlag wurde auf der Fernstrecke der Nordbahn in der Gegend von Beauvais (Dep. Oise) verübt, wobei ebenfalls Schienennägel herausgezogen und Laschen losgeschraubt worden sind. Hierbei entstand nur geringfügiger Schaden. In der Nacht v. 21. zum 22.7.41 wurde vor dem Maschinendepot Landy in St. Denis (Paris Nord) eine dort in Bereitschaft stehende Lokomotive in Fahrt gesetzt, die auf die in der Nähe liegende Drehscheibe fuhr und entgleiste. Die Drehscheibe wurde beschädigt, jedoch konnte der Schaden nach 18-stündiger Arbeit behoben werden. Während dieser Zeit waren 12 andere Maschinen an der Ausfahrt verhindert und eine erhebliche Betriebsstörung entstanden. Wenn der Anschlag vollständig gelungen wäre, so wäre das ganze Depot mit über 100 Maschinen für längere Zeit stillgelegt worden. In allen diesen Fällen wurden umfassende Ermittlungen nach den Tätern aufgenommen. Bis jetzt haben die Ermittlungen noch zu keinem Ergebnis geführt. Daß es sich um kommunistische Anschläge handelt, geht u. a. daraus hervor, daß bei dem Anschlag im Maschinendepot Landy (St. Denis) Hunderte von kommunistischen Flugblättern mit der Aufforderung zur Sabotage und zu passiver Resistenz unter den Arbeitern und Angestellten des Depots verbreitet worden sind. Die Belegschaft dieses Depots ist zu 90 % kommunistisch verseucht. Dem Militärbefehlshaber in Frankreich wurde vorgeschlagen, als Sicherungsmaßnahme zunächst 100 bekannte Kommunisten des in Frage kommenden Eisenbahnpersonals vorläufig zu internieren und im Wiederholungsfalle solcher Anschläge die Wortführer derselben standrechtlich zu erschießen. Am 24.7.41 wurden bereits 20 als Hetzer bekannte Eisenbahner von der Belegschaft des Maschinendepots Landy, St. Denis, festgesetzt. Weitere Festnahmen werden im Laufe der nächsten Tage durchgeführt.
II) Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:
Einsatzgruppe A: Standort Nowoselje. Es liegen keine Meldungen vor. EK 1b: Standort Pleskau. Nachdem in Rositten und der weiteren Umgebung bisher der Selbstschutz eine rege, von Riga zentral geleitete Tätigkeit entfaltet hat, ist jetzt das gleiche für die zunächst örtlich entstandenen lettischen Verwaltungsstellen festzustellen. Den Anstoß hat offenbar der zur Organisation des Selbstschutzes tätige lettische Oberstleutnant Ankewitsch gegeben. Von den führenden Männern der errichteten Kreisverwaltung in Rositten ist bereits der größere Teil in Riga gewesen und hat sich von dort Weisungen geholt. Der lettische Landrat Wepers hat dem Ortskommandanten von Rositten eine Anzahl von konkreten Fragen bezüglich des Aufbaues der Verwaltung und der dringlich zu lösenden Probleme mit der Bitte um Weisungen vorgelegt. Aus diesen Fragen geht ohne weiteres hervor, daß auf weite Sicht gearbeitet und versucht wird, Maßnahmen deutscher Stellen zuvorzukommen. Die einzelnen Fragen lauten: 1) Was soll mit den zu russischer Zeit angelegten Neusiedlerhöfen werden? 2) Wie sollen die ehemaligen deutschen Umsiedlergüter, deren Besitzer nicht zurückgekehrt sind und die schon anderweitig in Besitz genommen wurden, behandelt werden? 3) Auf verschiedenen Höfen arbeiten inoffiziell russische Kriegsgefangene. Wie soll sich die lettische Verwaltung dazu verhalten? 4) Wie soll über zu russischer Zeit von Höfen abgetrennte Ländereien verfügt werden? 5) Was soll mit den Ländereien geschehen, die Kommunisten gehört haben? 6) Wie soll die Frage bezüglich des Inventars, Viehes usw. gelöst werden, das von den Russen anderen Bauern zugeteilt wurde? 7) Welche Wirtschaftsfragen in den Gemeinden sind den Ortskommandanten zur Entscheidung vorzulegen? 8) Wer bestätigt die Gemeinde-und Stadträte? 9) Es herrscht Mangel an Arbeitskräften, da die Söhne der Bauern z. T. durch die Russen verschleppt und z. T. beim Selbstschutz Dienst machen; besteht die Möglichkeit, einzelnen Bauern einzelne Kriegsgefangene zu geben? 10) Es wird gebeten, russische Kriegsgefangene zum Torfstechen anzusetzen. 11) Die lettische Verwaltung ist ohne Geld; es wird gebeten, einen Steuervorschuß erheben zu dürfen. 12) Es wird gebeten, bei Ankauf von Vieh den Bauern das Zuchtvieh zu belassen. 13) Es wird gebeten, den Bedarf der Wehrmacht durch Vermittlung der lettischen Verwaltungsstellen zu decken. 14) In welcher Form soll über die staatlichen Wiesen verfügt werden? 15) In welcher Form ist die Frage des Fischereirechts in den staatlichen Seen, das bisher durch die Kollektive ausgenutzt wurde, zu regeln? 16) Wie ist mit den Ländereien zu verfahren, die Bauern weggenommen und Landschulen zugeteilt wurden? 17) Wie ist mit den für Landschulen enteigneten Bauernhöfen zu verfahren? 18) Es fehlen für den Abtransport der Lebensmittel zu den Bahnhöfen und zu den Städten die Transportmittel. 19) Wem ist das Schulwesen zu unterstellen?
Der Ortskommandant hat dem lettischen Landrat erklärt, daß alle bisher und in nächster Zukunft von den Letten durchgeführten und durchzuführenden Maßnahmen nur provisorischen Charakter hätten, ohne daß aus ihnen für später irgendwelche Folgerungen gezogen werden könnten. Die Hauptaufgabe wäre, zunächst dafür zu sorgen, daß die notwendigsten Wirtschaftsfunktionen wieder in Gang gesetzt würden und daß im besonderen alles getan würde, daß die Ernte vollständig eingebracht wird und bei der kommenden Landbestellung kein Land unbestellt bleiben darf. In diesem Sinne hat er auch die gestellten Fragen beantwortet unter Betonung, daß dadurch in keiner Form evtl. kommenden Entscheidungen deutscher Stellen vorgegriffen werden dürfe. Die Absicht der Letten wird noch klarer dadurch, daß sie an den Ortskommandanten mit dem Antrag herangetreten sind, eine lettische Polizei einzurichten. Dies dürfte auch daraus ersichtlich sein, daß die mit der Führung der Geschäfte des Landrates und der Bürgermeistereien beauftragten Letten darauf bestanden haben, daß Stadt-und Gemeinderäte eingesetzt würden; sie wollen dadurch offenbar den entstehenden lettischen Apparat auf breiterer Basis in der lettischen Bevölkerung verankern, um so evtl. deutsche Maßnahmen gegen die beauftragten Amtsträger zu erschweren und einer Resonanz in der lettischen Bevölkerung sicher zu sein. Der Oberstleutnant Ankewitsch hat die Absicht geäussert, in einigen Tagen wieder nach Riga zu fahren, offenbar um Bericht zu erstatten. Gegenüber diesem zielbewußten Arbeitseinsatz der Letten sind die deutschen Stellen verhältnismäßig unsicher, weil für sie bisher keinerlei Weisung über die Gestaltung der Verwaltung vorliegt. Sie sind daher oft geneigt, lettischen Forderungen nachzugeben, zumal sie annehmen, daß diese Forderungen in Einvernehmen mit den deutschen Stellen in Riga gestellt werden.
Die Wirtschaftslage in Rositten kommt langsam in normale Bahnen. Die Bauern kommen bereits in die Stadt, um die für die Ernte nötigen Einkäufe zu tätigen. Die Preise für die benötigten Gegenstände, wie Sensen usw. entsprechen den zur Sowjetzeit üblichen. Mit dem Verkauf ihres Viehes halten die Bauern zurück, da sie kein Zutrauen zum Rubel haben. Die Fleischversorgung der Stadt ist noch mangelhaft, die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung können nicht voll befriedigt werden. Die Versorgung geht durch das früher staatliche Unternehmen Bekona-Exports. Die Milch-und Butterversorgung ist noch vollkommen ungenügend; in Rositten ist eine Molkerei vorhanden mit einer Verarbeitungsmöglichkeit von 4–5000 Liter täglich. Z. Zt. werden aber wegen Mangels an Kraftfahrzeugen zur Anlieferung täglich nur 4–500 Liter erfaßt. Brot ist in genügender Menge vorhanden. Der Verkauf von Lebensmitteln an Juden ist verboten, sie bekommen lediglich über einen besonderen Bäckerladen Brot. Die Preise für Lebensmittel haben bisher keine Steigerung erfahren.
Die Sicherheit im Landkreis Rositten kann im großen als gegeben angesehen werden. In den Wäldern halten sich allerdings immer noch einzelne Gruppen russischer Soldaten, Kommunisten und Juden auf, die örtlich die Landbevölkerung erpressen; auch kommen vereinzelt noch Brandstiftungen vor. So brannte z.B. am 15.7. nachts direkt an der Rollbahn zwischen Rositten und Ludsen ein Hof durch Brandstiftung nieder. In den Grenzbezirken gegen Rußland sind verschiedentlich aus den weiter südlich bezw. westlich gelegenen Gebieten geflüchtete Juden angetroffen worden, die die Russen nicht über die Grenze gelassen haben. Bei Beurteilung der Haltung der übrigen Bevölkerung ist nach den bisher vorliegenden Berichten offenbar scharf zu unterscheiden zwischen der Stadtund Landbevölkerung. In der Stadtbevölkerung von Porchow dürfte nur ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Personen vorhanden sein, der durch entsprechende Propaganda zu aktiven Maßnahmen gegen das Sowjetregime bewegt werden könnte. In Ostrow liegen insofern besondere Verhältnisse vor, als die Bevölkerung während des Sowjetregimes drei-bis viermal fast völlig durch Zwangsumsiedlung, Verschickung in Konzentrationslager usw. gewechselt hat. Eine endgültige Beurteilung der Haltung der Bevölkerung ist insofern nicht möglich, als nur ein kleiner Teil vorhanden ist und die Russen die Gefängnisse, die zahlreiche örtliche und aus Lettland verschleppte politische Gefangene enthielten, öffneten. In Ostrow soll eine große Unzufriedenheit über das Sowjetregime bestanden haben. Dagegen soll die Bevölkerung von Porchow im großen und ganzen mit dem Sowjetregime nicht unzufrieden gewesen sein. Als Grund wird angegeben, daß die Verpflegung in dieser Gegend sichergestellt war. Entgegen der bisher nicht klaren und örtlich offenbar sehr unterschiedlichen Haltung der Stadtbevölkerung wird bei der Landbevölkerung, zumal der älteren, insofern eine positive Einstellung zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht festgestellt, als für sie wieder die Möglichkeit gegeben ist, offen ihren religiösen Empfindungen Ausdruck zu geben und die religiösen Bräuche zu pflegen. Bei der Landbevölkerung dürfte auch in Zukunft für ihre Haltung das religiöse Moment ausschlaggebend sein. Eine geschickte Propaganda könnte hier den Ansatzpunkt zum offenen Abfall vom Sowjetregime finden. Die Wirtschaftslage in dem erwähnten Gebiet ist dadurch gekennzeichnet, daß die Russen bei ihrem Abzug sämtliche vorhandenen Lebensmittelvorräte vernichtet haben. Die Russen haben alle männlichen Personen vom 18. bis 35. Lebensjahr einberufen.
Der Befehlshaber der Sipo u. d. SD aus dem Generalgouvernement meldet: Lagebericht aus dem ehemalig. Russisch-Polen:
Ukrainer: Stimmung im allgemeinen gut. Vereinzelt Ernüchterung und Gerüchtebildung infolge Unklarheit über künftige Gestaltung der Westukraine. Man erwartet Aufklärung von deutscher Seite. In politischen Lagern, Bandera-und Melnikgruppe gewisse Verwirrung. Auf beiden Seiten Kräfte an der Arbeit, die Einigung erstreben, andererseits wird Verständigung radikal abgelehnt.
Polen: Zufriedenheit über die Befreiung von den Sowjets. Teilweise in Kreisen der Intelligenz Angst vor selbständiger Ukraine. Hoffnung auf Festigung der Position und Besserstellung bei Anschluß der ehemaligen polnischen Gebiete an das Generalgouvernement. Wille zur Mitarbeit vereinzelt vorhanden. Andererseits von Widerstandsbewegung ausgehende Hetze und Gerüchtebildung gegen das Reich. Angeblich bevorstehender Zusammenbruch der Ostfront. Nach unüberprüften Meldungen ist die Tätigkeit der Widerstandsbewegung besonders auf dem Lande sehr rührig.
Juden: Auftreten weiterhin herausfordernd. Heftige Mundpropaganda, daß der Krieg für Deutschland verlorengeht, da Erschöpfung der militärischen Kräfte in Rußland. Kriegseintritt der USA angeblich in Kürze zu erwarten.
Verwaltung: Im ukrainischen Gebiet selbständige Bildung von Verwaltungsorganen bis Gemeindevorsteher, vereinzelt bis Kreishauptmann ohne Einverständnis der deutschen Behörden vorgenommen. Vielfach Einsetzung ungeeigneter Bürgermeister. Herausgabe undurchführbarer Erlasse. Auflösung des von der OUN gebildeten sogenannten Ordnungsdienstes (Miliz) erfolgt laufend unter gleichzeitiger Neubildung der Miliz unter Führung Ek’s. Das Fehlen einer zentralen deutschen Verwaltungsstelle macht sich überall bemerkbar, da einheitliche Richtlinien fehlen. Deutsche Verwaltungsbeamte [als Teil des Zivilverwaltungsapparats unter Rosenberg] am 20.7. eingetroffen. Tätigkeit offiziell noch nicht aufgenommen.
Wirtschaft: In Lemberg Bildung eines ukrainischen Wirtschaftsausschusses beabsichtigt. Aufgabe: Verbindung zwischen deutscher Wirtschaftsführung und den unteren Wirtschaftsorganen. Ernährungswirtschaft: Versorgungslage in Städten sehr angespannt, da Zufuhr vom Lande ungenügend und sehr schleppend. Bauern liefern nach wie vor fast ausschließlich im Tauschhandel (Textilien, Zucker, Tabak). Zur Besserstellung der Ernährungslage in den Städten Eröffnung von neuen Verkaufsstellen in Angriff genommen. Bisher fehlende zentrale Wirtschaftsführung zur Herausgabe verbindlicher Richtlinien im Hinblick auf bevorstehende Ernte dringend erforderlich. Industriewirtschaft: Erdölgebiet westlich von Drohobycz in Galizien keine Zerstörungen der Förderanlagen. Lediglich bei Borislaw 15 bis 40 % oberirdisch zerstört. Anlagen inzwischen in Betrieb genommen.
Mehrzahl der Raffinerien zerstört. Teilweise von Mineralölkommandos der Wehrmacht wieder hergestellt. Erdgasanlagen in Stryj, Doschawa und Opari nicht zerstört. Beschädigte Gasleitungen über Stryjfluß wieder in Ordnung. Gesundheitslage: Im allgemeinen gut. Bisher keine Zunahmen der Infektionskrankheiten gegenüber dem Zustand zu sowjetischer Zeit festgestellt. Sämtliche Ärzte erhielten Auflage, bekanntwerdende Infektionsfälle (Flecktyphus und venerische Krankheiten) sofort deutschen Stellen zu melden. Sofortige Bekämpfung von Wehrmacht vorbereitet. Desinfektionsanstalten in Vorbereitung. Venerische Krankheiten zu sowjetischer Zeit zugenommen. Spezialanstalt am 10.7.41 in Lemberg eröffnet. Nach Besetzung der Stadt Lemberg haben sich mehrere Fürsorgevereine gebildet, u.a. auch ein Fürsorgekomitee der Bandera-Gruppe und der Melnik-Gruppe. Um den Einfluß der Bandera-Gruppe auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge auszuschalten, ist ein ukrainisches Hilfskomitee entstanden, das unter Führung eines Melnik-Angehörigen steht. Die früheren Vereine haben sich selbst aufgelöst und dem Hilfskomitee angeschlossen. Das ukrainische Hilfskomitee hat einstweilen rein soziale Aufgaben. Erweiterung des Aufgabengebietes abhängig von der weiteren Entwicklung.
Einsatzgruppe B, Standort Orscha, meldet:
1) Ein Teil des Vorauskommandos (6 Mann) befindet sich in Smolensk, NKWD-Gebäude. Smolensk ist nach Meldung des Staf. Dr. Six ebenso zerstört wie Minsk und liegt unter starkem feindlichen Artilleriefeuer und Fliegerwirkung. Zeitweilig ist die Stadt durch Angriffe des Feindes von der Rollhahn abgeschnitten. Es war daher nicht möglich, das gesamte Vorkommando nach Smolensk nachzuziehen. Ein schnelles Vorrücken unmöglich, da die Autobahn in der Hand des Feindes ist. Der Trupp des Vorauskommandos war bereits schwerstem Artilleriebeschuß, Bombenwurf und MG-Feuer ausgesetzt. Die dabei befindliche Infanterie hatte erhebliche Verluste, das Vorkommando wurde bisher verschont. Starke feindliche Truppen durchbrechen ständig die Rollbahn, führen Fliegerangriffe auf die Kolonnen durch und überfallen durch tollkühne Einzelkommandos die auf den verstopften Straßen stehenden Kolonnen.
2) Weiteres Vorgehen des Vorauskommandos mit den Panzern über Smolensk hinaus ist im Augenblick nicht angebracht. Nicht nur die Männer, sondern auch die Fahrzeuge können jederzeit durch die starke Feindeinwirkung verlorengehen. Zudem sympathisiert die Bevölkerung östlich Orscha mit den von den Russen eingesetzten Partisanentrupps, die in und hinter unseren Linien systematische Zerstörungen durchführen. Zwei wichtige Aufgabengebiete heben sich für die Einsatzgruppe nunmehr deutlich ab: Die Erfassung der Partisanen, Saboteure, kommunistischen Funktionäre im rückwärtigen Heeresgebiet, da diese sich erst nach dem Durchzug der Fronttruppe und der Armeen hervorwagen und aktiv tätig werden. Für die systematische Erfassung dieser Gegner müssen die Einsatzkommandos eingesetzt bleiben. Dafür sprechen die bisherigen Erfolge und die dringenden Wünsche der Sicherungsdivisionen im rückwärtigen Heeresgebiet, die die Anwesenheit der Sicherheitspolizei außerordentlich begrüßen. Die zweite Aufgabe besteht in der sicherheitspolizeilichen Tätigkeit in Moskau. Es werden also die Vorauskommandos nach den Erfahrungen bei Smolensk erst dann gemeinsam mit der kämpfenden Truppe eingesetzt, wenn Moskau fällt, denn erst hier ist der persönliche Einsatz begründet und zu verantworten, nicht aber während der Vormarschkämpfe, wobei, wie sich gezeigt hat, jedenfalls östlich Orscha, weder wichtiges Material noch Funktionäre zu fassen sind. Es wird daher der Einsatz der Kommandos erst im Augenblick der Eroberung Moskaus erfolgen.
3) Das rückwärtige Heeresgebiet, das am 20.7. bis zur Beresina vorverlegt war, ist gestern bis in die Linie Minsk wieder zurückgenommen worden.
4) Am 25.7. erfolgte mit einem besonders zusammengestellten Kommando eine Aktion gegen bewaffnete Partisanen und Funktionäre, die sich in einem Waldgelände nordöstlich Borissow aufhalten. Das Ergebnis liegt noch nicht vor.
5) Einsatzkommando 9 befindet sich in Wilejka und Molodeczno und mit einem Nachkommando in Wilna.1 Ek 8 liegt in Minsk mit Trupps in Borissow und Sluzk. Trupp Bonifer2 übernimmt nunmehr ab 24.7.41 die sicherheitspolizeilichen Aufgaben in Baranowicze.
6) Sonderkommando 7a3 meldet aus Witebsk: Vor Besetzung hatte Witebsk Kommissar für Gesundheitswesen. Ihm unterstellt die Leiter der Krankenkassen. Zum großen Teil Juden. Neueingestellter Arzt Dr. Muraschki, gibt an, früher 200 Ärzte, jetzt nur 40, auch jetzt noch Juden darunter. Vier Krankenhäuser, vier Kliniken und medizinische Hochschule. Polikliniken hatten früher keine Krankenaufnahme. Wehrmacht übernahm drei Krankenhäuser. Stadtverwaltung hat jetzt eigene Krankenhäuser mit 40 Betten. Medizinische Hochschule 500 Betten und Polikliniken. Leiter der Polikliniken Dr. Kuprejew, Augenarzt. Seuchen in letzter Zeit angeblich keine. Am stärksten vertretene Krankheiten Tbc und Typhus. Für Tbc steht ein Krankenhaus mit 40 Betten zur Verfügung, belegt zur Zeit mit 12 Patienten. Kanalisation noch vorhanden und ziemlich intakt. Wasserwerk zum Teil wieder in Betrieb genommen. In der Stadt Wasserstellen eingerichtet. Wasser muß aber gekocht werden. Durch eingesetzten Judenrat wurden bisher etwa 3000 Juden registriert. Judenkennzeichnung eingeführt. Sie werden z. Zt. mit Räumarbeiten beschäftigt. Zur Abschreckung 27 Juden, die zur Arbeit nicht erschienen waren, in den Straßen der Stadt öffentlich erschossen. Bei ruthenischer Bevölkerung Zustimmung. Umfangreiche Judenexekution folgt anschließend.4
7) Bei allen Aktionen ist bisher besonderes Geheimmaterial der NKWD nicht gefunden worden. Jetzt wird vertraulich bekannt, daß in die NKWD-Organisation eine noch geheimere staatlich-politische Organisation eingebaut war: die sogenannte Osobyj Otdel.5 Ihre Mitglieder sind aus besonders zuverlässigen geschulten Personen zusammengesetzt. Ihre Aufgabe ist: a) politische und dienstliche Überwachung der NKWD-Dienststellen, denen sie zugeteilt sind, b) Verwahrung der allergeheimsten Schriftstücke des NKWD und der Osobyj Otdel. Der Aufbewahrungsort der Akten und die Geschäftsstellen der Osobyj Otdel sind streng geheim und sollen so versteckt sein, daß sie nur schwer gefunden werden können. Sie dürften selbst den Angehörigen des NKWD kaum bekannt sein. Das Material der Osobyj Otdel ist in unscheinbaren Häusern, entlegenen Hütten, in Durchgängen, oft auch bei Juden untergebracht. Die Angehörigen der Osobyj Otdel dürften öffentlich kaum bekannt sein und können nur über festgenommene NKWD-Leute zu erfahren sein. Die Einsatzkommandos sind entsprechend verständigt worden.
Von den Einsatzgruppen C und D liegen keine Meldungen vor.
III) Militärische Ereignisse:
Heeresgruppe Süd:
Feind: Der Widerstand hat sich vor der ganzen Heeresgruppe versteift. Hartnäckige feindl. Angriffe z. T. mit Panzern wurden 20 km südwestl. Tultschin und bei Andruschewka geführt. Panzergruppe wehrte hartnäckigen Durchbruchsversuch mit rechtem Flügel ab. Die nördl. anschließende Armee erreichte gegen hartnäckigen Widerstand feindl. Nachhuten die Linie Tutschin–Straße Brazlaw–Gaissin–Schormoschtsche–südl. Lipowez. Panzergruppe: Panzergruppe ist zum Gegenangriff angetreten. In der Westflanke wurde Staro-Shirotow wiedergewonnen. In der Ostflanke wurde Baranje-Pole erreicht. Linke Armee: Lage vor Kiew unverändert. Im Angriff gegen Korosten wurde weiter Raum gewonnen, Brückenkopf Malin erweitert. Teile sind in die Bunkerlinie 10 bis 20 km nordwestl. Suschki eingedrungen.
Heeresgruppe Mitte:
Feind: Im Smolensker Kessel wurde Feind weiter zusammengedrängt. Gegner führte weiter neue Kräfte heran und zwar vor allem aus dem Raum Rshew nach Südwesten und aus dem Raum Toropez nach Süden und Westen. Rechte Armee: Kapcevicy erreicht. Teile der Armee haben Verteidigungsstellung südwestl. Nov. Bychow bezogen. Kavallerie hat im Angriff gegen Rshavka Raum gewonnen. Panzerarmee: Lage im Großen unverändert. Aus Jelnja noch starke Feindangriffe. Rechte Panzergruppe sichert am Dnjepr-Abschnitt zwischen Katyn und Gusino. Linke Panzergruppe sichert südöstl. Schalatoni gegen die Feindgruppe nordwestl. Smolensk. Linke Armee: Südflügel im Angriff ostw. Sutoki. Nordostw. anschliessend greift der Feind besonders bei Wydra immer wieder mit Panzern und starker Artillerie an. Südostw. Newel wurde Straße Uswjaty–Newel erreicht.
Heeresgruppe Nord:
Vor der rechten Armee nur noch Restgruppen. Vor der linken Armee hält der Feind beiderseits Dorpat und ostw. Jogewa sowie in einer Widerstandslinie bei Kergu. Rechte Armee: Rechte Armee gewinnt auf gesamter Front Boden. Es wurden erreicht: St. Isotscha–südostw. Loginowo–Michailow Pogost–Poretsje–Meshnik. Panzergruppe erreichte im Angriff Ljubatsch–St. Utorgosch–Osmino. Erreichte Linie: Brückenkopf westl. Karepere–ostw. Jogeva–südostw. Kergu.
Finnland:
Südostfront: Ostw. Jänisjärvi wurde vor dem Stoßkeil der Armee Säuberungsaktion durchgeführt. Harte Kämpfe mit geringem Geländegewinn und Fortschreiten des Angriffs nach SO. Ostfront: Langsames Fortschreiten des Angriffs ostw. des Pischta-Flusses und gegen den Serja-Fluß. Norden: Abwehr russischer Teilangriffe.
Verteiler:
RFSS und Chef der Deutschen Polizei
Chef der Sicherheitspolizei und des SD
Chef der Ordnungspolizei
OK W-Führungsstab–Oberstleutnant Tippelskirch
Alle Amtschefs
Gruppe II D
Gruppe II A
II A 1
Gruppe II B
II B 2
Gruppe III B
Gruppe III D
Gruppe IV C
Gruppe VI C
IV A 2
IV A 4
IV B 4
IV D, IV D 1, IV D 2, IV D 3, IV D 4
IV E, IV E 5
Einsatznachrichtenführer–RR Paeffgen
Pol.Rat Pommerening
IV-GSt.
IV A l d (7 Reserve)
Aus:BAB, R 58/215
1 Kurz zuvor hatte das EK 9 in Wilna die „Liquidierung von 193 Juden“ durchgeführt; Vortragsnotiz EG B v. 26.7.1941 für HGr. Mitte, NARB, 655–1–3.
2 Adolf Bonifer, geb. 1908, Architekt, 1932 NSDAP u. SA, 1935 SS, dann Abt.leiter SD-UA Darmstadt, 1939 EG IV in Polen, dann beim KdS Warschau, 1941 Stubaf., im Juni Fhr. eines Teiltrupps des EK z.b.V. des KdSWarschau, seit1945 vermißt;BAB, BDC,SSOAdolfBonifer;BAL,ZK: Adolf Bonifer.
3 Uneingeschränktes Lob erhielt das SK 7a von der dem AOK 9 unterstellten GFP-Gruppe 580 in ihrem Tätigkeitsbericht für Juli 1941: „Mit dem Einsatzkommando des SD wurde laufend Verbindung aufrecht erhalten. Bei den Besprechungen mit dem Führer des SD, Obersturmbannführer Dr. Blume, wurde hinsichtlich der bisher gemachten Erfahrungen völlige übereinstimmung erzielt. Die Zusammenarbeit mit dem Einsatzkommando des SD ist vorbildlich“, BA-MA, RH 20–9/256.
4 Urteil LG Essen v. 22.12.1966, BAL, B 162/14248; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 546.
5 Diese Sonderabt. des NKWD operierten auch in der entstehenden Partisanenbewegung, eliminierten auf deren Territorium „antisowjetische Elemente“ u. ahndeten Fahnenflucht u. Panikmache; vgl. Musial: SowjetischePartisanen,S. 236ff., 249ff.