Читать книгу Sprachkontrast und Mehrsprachigkeit - Группа авторов - Страница 10
2.2.1 Kontrastive Linguistik: von der Kontrastivhypothese zur Interlanguage-Hypothese
ОглавлениеSeit ihren Anfängen, die um die Mitte des 20.Jahrhunderts anzusetzen sind und mit Erkenntnissen des amerikanischen Strukturalismus einhergingen, war und ist die Kontrastive Linguistik (synchron-vergleichende Linguistik) untrennbar mit Entwicklungsprozessen innerhalb der modernen Fremdsprachenforschung und -didaktik verknüpft, die sich um eine möglichst ‚lernernahe‘ Fremdsprachenvermittlung bemühte. Mit Charles C. Fries (1887–1967)1 und nachfolgend mit Robert Lado (1915–1995)2 wurde der Weg für die Kontrastive Linguistik frei und für eine erste Hypothese – der Kontrastivhypothese –, die den Erwerb einer neuen Sprache zu erklären versuchte. Noch im Fahrtwind des Behaviorismus (Skinner 1957) verhaftet, wurde angenommen, dass Lerner ihre in der L1 bereits automatisierten sprachlichen Gewohnheiten (habit formation) ebenso in der L2 ausbilden könnten. Lado zufolge erfolgt bei Strukturgleichheit zwischen der L1 und der L2 eine schnellere Automatisierung sprachlicher Gewohnheiten. Negativer Transfer oder Interferenzen (bad habits) stellten hingegen die Unterschiede zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache heraus. Er konnte beobachten: „[…] the student who comes in contact with a foreign language will find some features of it quite easy and others extremely difficult. Those elements that are similar to his native language will be simple for him, and those elements that are different will be difficult“ (Lado 1957, 2). Da für Lado das Sprachenlernen die Ausbildung von Stimulus-Response-Verbindungen (habit formation) bedeutete, maß er dem Lernen von interlingual abweichenden Sprachelementen hohe Bedeutung zu und versprach sich durch ständiges Wiederholen (pattern drill) großen Lernerfolg. Der lerntheoretische Hintergrund basierte auf den Ideen behavioristischer Annahmen, die dem Lernprozess keine kognitive Beteiligung des Lernenden zubilligte. Die Kontrastivhypothese konnte im Ergebnis die sehr hohen Erwartungen hinsichtlich einer effektiven Fremdsprachenmethodik und -didaktik jedoch nicht erfüllen (cf. König 1990, 117), und verlor bald an breiter Akzeptanz. Die Hauptkritik an der auf Synchronizität setzenden Untersuchung lag an dem nicht sichtbaren didaktischen Mehrwert und der fälschlicherweise starken Verquickung zwischen der Kontrastivhypothese und der Kontrastiven Linguistik als Teildisziplin. König und Nekula erläutern rückblickend nüchtern:
Die Kontrastive Linguistik und darauf aufbauende Aussagen über Kontraste und über Lernschwierigkeiten und Strategien der Lehre wurden als zentrale Bestandteile einer Theorie des Zweitspracherwerbs gesehen und somit mit völlig unrealistischen Erwartungen verknüpft, die früher oder später enttäuscht werden mussten. (2013, 16)
Noam Chomskys nativistisch orientierte Denkrichtung bildete einen weiteren Meilenstein in der Sprachforschung. Die Abkehr vom Behaviorismus machte den Weg frei für neue Erklärungsansätze bezüglich des Spracherwerbs, die in der Identitätshypothese und in der Interlanguage-Hypothese formuliert wurden. Der nativistische Ansatz (bspw. Chomsky 1986, 1988) knüpfte an die Vorstellung an, der Mensch verfüge über universelle, angeborene sprachspezifische Erwerbsmechanismen, dem LAD (language acquisition device), was ihn dazu befähige, jegliche Sprache der Welt bei adäquatem Input zu aktivieren. Während gemäß der Identitätshypothese (Dulay / Burt 1974) der Erwerb einer weiteren Sprache den Gesetzmäßigkeiten des Erstspracherwerbs folgt, fokussierte die Interlanguage-Hypothese (Corder 1967, 1981; Selinker 1972) sowohl die Erstsprache (L1) als auch die Zweitsprache (L2) und ihr Verhältnis (Interlanguage) zueinander im Zweitspracherwerbsprozess. Die bereits aus der Analyse der Kontrastivhypothese gewonnenen zentralen Beobachtungsparameter – Fehler und Transfer – erfuhren neue Interpretationsansätze. Der Analyse von Fehlern wurde größere Aufmerksamkeit geschenkt, denn es galt, „das Verhältnis von Kontrastiver Linguistik, Fehleranalyse und Lernersprachforschung zu eruieren (Brdar-Szabó 2010, 523). Der Erforschung von Interlanguages hatte sich gegen Ende des 20.Jahrhunderts die Tertiär- und die Mehrsprachigkeitsforschung angenommen, die, gespeist von verschiedenen wissenschaftstheoretischen Richtungen, eine Reihe von Modellen (Hufeisen 2003, 98sqq.) hervorbrachte. Vorangegangen war die Erkenntnis, dass der Zweitspracherwerb und das Erlernen von Fremdsprachen als „spezifische Unterformen und Ausprägungen des multiplen Sprachenlernens“ (Hufeisen 2003, 97) angesehen werden müssen. Die Mehrsprachigkeitsforschung erweiterte den bisherigen Forschungsradius zum multiplen Sprachenlernen erheblich und wird in Abschnitt 3 skizziert.