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3.1 Mehrsprachigkeit und (Sprach)bewusstsein1

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Innerhalb der Mehrsprachigkeitsdebatte stellt der Begriff „(Sprach)bewusstsein“ (bspw. Wolff 2006, 51sqq.) eine nicht mehr wegzudenkende prominente Bezugsgröße dar, die als stabiler Faktor für die Entwicklung eines sensiblen und (sprach)bewussten Umgangs mit der eigenen sowie mit fremden Sprachen und Kulturen betrachtet wird. In einer gesellschaftlichen Konstellation mit demographischen Verschiebungen aufgrund von Zuwanderung, wie sie in vielen Ländern Europas, darunter auch Deutschland, Realität ist, gilt es, Sprachideologien abzubauen und im Gegenzug kontinuierlich Brücken zu fremden Sprachen und ihren unverwechselbaren kulturellen Nuancen aufzubauen. Unlängst hat die Europäische Union im Jahr 2000 in ihrer Charta (Artikel 21 und 22) zur Selbstverpflichtung auf Achtung der Kulturen, Religionen und Sprachen aufgerufen. Einige Jahre zuvor wurde im Weißbuch der Europäischen Union (1995) die Vielfalt der Sprachen hervorgehoben und zum Erlernen von Sprachen ermutigt. Der Blick auf den Begriff „Sprachbewusstsein“ aus soziolinguistischer und ideologiekritischer Perspektive sollte an dieser Stelle kurz angeschnitten werden. Aus soziolinguistischer Perspektive betrachtet, definiert Cornelia Stroh den Begriff wie folgt: „Darunter wird allgemein das Wissen gefaßt, eine bestimmte Sprache zu sprechen, das Wissen um ihre korrekte grammatikalische und soziale Verwendung und das Verfügen über Einstellungen und Bewertungen bezüglich Sprache“ (1993, 15).

Die Linguistin hebt die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten eines Individuums deutlich hervor, die aus den unterschiedlichsten Wissensbeständen resultieren, und ergänzt, dass eine direkte sowie indirekte Einflussnahme durch Aussagen und Meinungen von Sprechern und Sprecherinnen einer Gesellschaft bezüglich der Beurteilung von Sprache(n) das Sprachbewusstsein mitprägen (Stroh 1993, 16). Es handelt sich somit um ein soziales Phänomen, „das in Abhängigkeit von gesellschaftlichen und historischen Faktoren unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen aufweisen kann“ (Stroh 1993, 17). Ihre Ausführungen untermauert sie mit dem mehrmehrdimensional ausgrichteten Modell zu Language Awareness, das auf James und Garrett (1992) zurückgeht. Das sind die Dimensionen:

1 „Die kognitive Domäne, in der es um die Entwicklung von Bewusstheit für Muster, Kontraste, Kategorien, Regeln und Systeme geht.

2 Die Domäne der Performanz, in der es um die Herausbildung einer Bewusstheit für die Verarbeitung von Sprache, aber auch um die Herausbildung einer Bewusstheit für das Lernen im Allgemeinen und das Sprachlernen im Besonderen geht. Für Letztere wird auch der Begriff Sprachlernbewusstheit gebraucht.

3 Die affektive Domäne, die sich auf die Herausbildung von Haltungen, Aufmerksamkeit, Neugier, Interesse und ästhetisches Einfühlungsvermögen bezieht.

4 Die soziale Domäne, in der es um die Entwicklung von Verständnis für andere Sprachen, um Toleranz für Minoritäten und ihre Sprachen geht.

5 Die Domäne der Macht, die sich auf das Vermögen, Sprache im Hinblick auf die ihr unterliegenden Möglichkeiten der Beeinflussung und Manipulation anderer zu durchschauen, bezieht.“ (James / Garrett 1992, 12sqq. zitiert nach Wolf 2002, 184sq.)

Von diesen verweist die vierte, die soziale Domäne auf die Notwendigkeit fremden Sprachen empathisch zu begegnen, was mit Rückgriff auf Stroh (s.o.) – um es einmal gedanklich durchzuspielen – aufgrund von gesellschaftlichen und/oder individuellen Einstellungen verweigert werden kann. In der Zusammenfassung verweisen die Domänen mit Blick auf die gesellschaftliche Ebene auf machtpolitische Interessen (bspw. mangelnde Toleranz gegenüber anderen Sprachen, folglich auch anderen Sprechern gegenüber). Auf individueller Ebene ist die intrinsische Motivation eine treibende Kraft, was mit gesellschaftlicher Akzeptanz einhergeht, und auf der kognitiven Ebene geht es um das Wissen über Sprache(n). Schließlich: „Größere Sprachaufmerksamkeit führt zu mehr Sprachwissen und zu höherer Sprachbewusstheit, die wiederum aufmerksamer macht und das Wissen fördert“ (Oomen-Welke 2003a, 453). Nicht zuletzt gilt sprachbewusstes Handeln als Schlüsselqualifikation für (angehende) Lehrerinnen und Lehrer und nimmt einen besonderen Stellenwert im Zusammenhang mit dem Lehren und Lernen von (Fremd)sprachen und von Deutsch als Zweitsprache ein (Rieder 2002, 449sqq.). Sprachbewusstsein ist somit als eine Größe identifiziert worden, auf der sich die Mehrsprachigkeitsdidaktik entfalten kann. Darauf nimmt der nächste Abschnitt Bezug.

Sprachkontrast und Mehrsprachigkeit

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