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1. Gedenken an die Massakrierung und Vertreibung der Armenier

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Am 2. Juni – über 100 Jahre nach den Massakern und Massenvertreibungen, die im Zuge der Staatsgründung der modernen Türkei durch das damals noch osmanische Militär an den Armeniern verübt wurden – „verneigt sich“ der Deutsche Bundestag „vor den Opfern der Massaker“ (Resolution), was in diesem Fall heißt, diesen Exzess staatsgründerischer Gewalt „endlich als das zu benennen, was es war: ein Völkermord“ (Gysi). Mit der Inkriminierung der Gewaltaktionen als Verbrechen – die höchste Kategorie von Schuldspruch, die das Völkerrecht kennt – wird der Blick von den Opfern zurück auf die Täter gelenkt, was für alle ganz selbstverständlich damit einhergeht, dass der Blick von den wirklichen Tätern – dem osmanischen Militär – weiterwandert auf die heutige Türkei, die moralisch in die Verantwortung für das Verbrechen gestellt wird.

Die Spezialität der deutschen Tour, der Türkei den Völkermord an den Armeniern zur Last zu legen, besteht darin, dies wie einen guten Rat unter befreundeten Tätervölkern zu präsentieren:

„Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass es die Türkei nicht schwächt, sondern stärker macht, wenn sie sich zu diesem dunklen Kapitel der osmanischen Geschichte bekennt. Das eröffnet viele Chancen.“ (Özdemir)

So redet einer, der es wissen muss. Tatsächlich hat ja Deutschland eine einzigartige Meisterschaft darin erreicht, sich mit dem offensiven Bekenntnis zu seinen „dunklen Kapiteln“ (Resolution) in die Rolle des Richters über die eigenen Schandtaten zu begeben. Fremde Richtsprüche braucht sich Deutschland damit schon einmal nicht bieten zu lassen; und zugleich beansprucht es mit der Richterrolle in eigener Sache die unbezweifelbare Kompetenz zur moralischen Begutachtung aller anderen Mitglieder der ziemlich gewaltbereiten und gewalttätigen Staatenfamilie. So legt Özdemir mit seiner Beteuerung, dass es nicht darum gehe, dass „wir uns in fremde Angelegenheiten einmischen wollen, sondern ... eben auch um ein Stück deutscher Geschichte“, Wert darauf, dass den Deutschen niemand die Rolle als zumindest Mit-Täter streitig macht, der Reue zeigt und darum zur Begutachtung der Haupttäter berechtigt und verpflichtet ist:

„Dass wir in der Vergangenheit Komplizen dieses furchtbaren Verbrechens geworden sind, darf nicht heißen, dass wir heute zu Komplizen der Leugner werden.“

„Leugner“ – das ist das entscheidende Stichwort. Auf diesen Vorwurf zielt das ganze Gedenken; und der steht nicht für vergangene Schandtaten, sondern für – welche auch immer – politmoralische Defizite der heute in der Türkei Regierenden. Womit auch feststeht, dass die Pose des gutwilligen Ratgebers eine einzige Heuchelei ist. Wenn die deutschen Experten für historisch-moralische Selbstgerechtigkeit die Türkei dazu auffordern, sich zu ihren schlimmen Taten zu bekennen, dann nur deshalb, weil sie wissen, dass die Türkei genau dies nicht tun wird. Und diese verweigerte Bußfertigkeit lässt sich immer dann gegen die Türkei wenden, wenn es warum auch immer tagespolitisch in den Kram passt.

GegenStandpunkt 3-16

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