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Das Jobwunder

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Auch im Bereich der Tätigkeiten, die nichts mit Computer und Internet zu tun haben, wird für Arbeitsplätze aller Art so reichlich gesorgt, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt für ein „Jobwunder“ gelobt wird. Denn dass das ganze Volk fürs Kapital in Dienst genommen wird, also das Kapital es umfassend für seinen Erfolg benutzt, ist einfach in jeder Hinsicht wunderbar.

Schließlich können auch die Lohnabhängigen der Republik von „Jobs“ gar nicht genug kriegen; das Wachstum von Arbeitsplätzen in einem inzwischen ein knappes Viertel der Arbeitsverhältnisse umfassenden Niedriglohnsektor bietet und sorgt zugleich für die Nachfrage auch nach Zweit- und Drittjobs. Ein gutes Jahrzehnt entkrusteter Arbeitsmarkt hat schon im Bereich der Produktion vielen weniger technisierten Bereichen wie dem ehrbaren Fleischerhandwerk, der Bau- und Landwirtschaft usw. dringend benötigte „Konkurrenzfähigkeit“ auf dem Wege der direkten Lohnsenkung verschafft, macht sich aber auch darüber hinaus segensreich bemerkbar. Im Bereich der Logistik lassen z.B. gleich mehrere Konkurrenten der Post ihre superbilligen Laufburschen nacheinander durch dieselben Treppenhäuser hetzen – ein grandioses Dokument dafür, dass die famose „Effektivität“ der marktwirtschaftlichen Kostenrechnung die größte Verschwendung menschlicher Arbeits- und Lebenskraft bedeutet. Die ‚pickers‘ und ‚packers‘ im Versandhandel, mit denen die Jobs im Einzelhandel rationalisiert werden, können über Unterforderung auch nicht klagen; und schließlich „entsteht“ eine ganze Menge Arbeitsplätze in Bereichen, die zuvor für kapitalistischen Einsatz von Arbeit uninteressant waren und die jetzt allein deshalb dafür interessant werden, weil für die Sache, die an ihnen zu erledigen ist, so erbärmlich wenig gezahlt werden muss.

Dabei reicht die Strahlkraft des deutschen Jobwunders weit über die Landesgrenzen hinaus. Bedeutende Volksteile der Länder, in denen das deutsche Kapital erfolgreich die Gelegenheiten für den Lebensunterhalt der Menschen kaputtkonkurriert hat, suchen und finden auch zu einem beachtlichen Teil ihre Lebensperspektive in der untersten Abteilung des deutschen Proletariats: als Bewerber um Beschäftigung in Deutschland. Die Errungenschaft der Freizügigkeit nicht nur für Güter und Dienstleistungen, sondern für „die Menschen“ in Europa bewährt sich als Mittel des deutschen Kapitals, die von ihren Reproduktionsbedingungen freigesetzten Bevölkerungen halb Süd- und Osteuropas als seine Reservearmee, deren Armut als seine Produktivkraft zu benutzen.

Indes profitieren nicht nur die Geschäftemacher davon, dass ihnen ein Niedriglohnsektor für ihren Profit zur Verfügung steht: Das Wachstum des Gewerbes von Putzfrauen, Kleinkindbetreuern, Pflegekräften und sonstigen DomestikInnen, aber auch Pizza- und Einkaufslieferdiensten verdankt sich schließlich maßgeblich dem Bedarf auch all der Alleinerzieher-, Doppelverdiener- und sonstigen Haushalte, die es sich leisten können, die „Kommerzialisierung aller Lebensbereiche“ dafür zu benutzen, die Wiederherstellung der Bedingungen ihrer umfassenden Inanspruchnahme am Arbeitsplatz hinzukriegen. Pfiffige Start-Up-Unternehmer tragen ein wenig digitale Disruption auch in diesen Bereich, wenn sie mit Internet-Plattformen Handwerkern und Dienstleistern aller Art die wunderbare Gelegenheit eröffnen, sich mit ihren Angeboten der Allgemeinheit zu präsentieren und sich gegenseitig niederzukonkurrieren, sodass die Dienstleistungen der einen Hälfte des Proletariats für die andere erschwinglich werden und sich dank der erhobenen Vermittlungsgebühren wenigstens für einen lohnen.

GegenStandpunkt 3-16

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