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Ablehnung der Verantwortung

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Die Leier über die Kolonisierung und die Verweigerung der »Zerknirschung« stammen direkt aus den Gedankenspielen von ­Pascal Bruckner,37 Alain Finkielkraut,38 Daniel Lefeuvre39 und wie sie alle heißen. Aber wem kann man einreden, dass es keine moralische Verantwortung gibt für die Taten, die in der Geschichte eines Staates begangen wurden? Wer soll glauben, dass, wer eine humane Welt erschaffen will, Moral und Ethik über Bord werfen muss, da nun einmal Recht und Gerechtigkeit in dieser Welt nicht ­existieren?

Jene, die ein ungerechtes System weißwaschen wollen, geben heute gerne der Versuchung nach, die Geschichte Frankreichs und seines Kolonialreichs neu zu schreiben, indem sie daraus eine Geschichte der »Befriedung« machen, eine Geschichte der »Erschließung von unbebauten Gebieten, die niemandem gehören«, der »Verbreitung von Schulbildung«, des »Aufbaus einer modernen Medizin« sowie der Schaffung eines modernen Straßen- und Eisenbahnnetzes. Dieses Argument gründet sich auf die alte Lüge, der zufolge die Kolonisation ein menschenfreundliches Unternehmen war und zur Modernisierung der alten, in Auflösung befindlichen Primitivgesellschaften beitrug. Hätte man sie sich selbst überlassen, nicht wahr, dann hätten sie sich am Ende wahrscheinlich selbst zerstört.

Wer die Kolonisation so darstellt, wie in der Rede von Dakar geschehen, umgibt sich mit dem Nimbus tiefer Aufrichtigkeit und echter Gefühle, um die Suche nach Alibis für eine überaus grausame, widerliche und gemeine Sache zu erleichtern – auch wenn nur er selbst an diese Alibis glaubt. Behauptet wird, dass die Eroberungskriege, die Massaker, die Deportationen, die Raubzüge, die Zwangsarbeit, die Rassendiskriminierung als ­Institution, dass all das nur die »Verfallsgeschichte einer großen Idee« war oder, wie Alexis de Tocqueville erklärt, »bedauerliche Zwänge«.40

Wenn man von Frankreich verlangt, es möge bekennen, dass die Kolonialherrschaft »hart, gewalttätig, willkürlich und primitiv« gewesen ist, so wie es der genannte Tocqueville getan hat, oder wenn man erreichen möchte, dass Frankreich aufhört, in Afrika korrupte Diktaturen zu unterstützen, so bedeutet das nicht, dass man Frankreich verleumdet oder hasst. Es bedeutet nur, dass man fordert, es möge seine Verantwortung wahrnehmen und dem gerecht werden, was es als seine universelle Berufung definiert. Diese Forderung ist angesichts der heutigen Verhältnisse unbedingt notwendig. Insbesondere wenn es um Frankreichs koloniale Vergangenheit geht, muss eine Politik der unbegrenzten Unverantwortlichkeit einer strengen, durchdachten und andauernden Kritik unterzogen werden.

Andererseits gilt es, konsequent zu sein und aufzuhören, über die Kolonisation im Sinne einer »variablen Geometrie« zu sprechen41 – bald für den internen Gebrauch, bald für den Export. Wen will man denn vom guten Willen überzeugen, wenn man die eigene Aufrichtigkeit hervorkehrt, wie in Dakar geschehen, und ganz nebenbei versucht, das Kolonialsystem salonfähig zu machen, indem man trachtet, so üble Gestalten wie Raoul Salan42 posthum zum Marschall zu ernennen oder für Killer wie Bastien-Thiry, Roger Degueldre, Albert Dovecar, Claude Piegts und andere ihres Schlags ein Denkmal zu errichten.43

Der undankbare Kontinent?

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