Читать книгу Jahrbuch der Baumpflege 2019 - Группа авторов - Страница 23

4 John Muir und die Anfänge des Natur- und Baumschutzes

Оглавление

Während in Europa und den angrenzenden Ländern im Mittelmeerraum bereits seit Jahrhunderten, teilweise seit Jahrtausenden Wälder gerodet wurden, begann in Nordamerika diese Art der Landnutzung erst durch die Siedler ab dem 17. Jahrhundert. Die Ureinwohner lebten anders und hatten keine Bäume für Häuser, Schiffe oder für den Bergbau gefällt. Die Landschaft war quasi noch unberührt und die Neuankömmlinge fanden alte Baumbestände vor.

Mit der Besiedelung setzte sofort die Rodung dieser ursprünglichen Wälder ein, zunächst an der Ostküste und später auch an der Westküste, wo die Holzfäller riesige, mehrere tausend Jahre alte Bäume vorfanden. Es drohten der Verlust einer beeindruckenden Landschaft und zugleich langfristige Probleme mit der Holzversorgung, wie es sie in Europa seit Jahrhunderten gab. So kam es im 19. Jahrhundert zu der Idee, faszinierende Landschaften unter Schutz zu stellen. 1864 entstand auf Betreiben des Naturschützers JOHN MUIR (Abbildung 7) das erste Schutzgebiet im heutigen Yosemite-Nationalpark (Kalifornien), das 1906 in das entstehende Nationalparksystem eingegliedert wurde.

Abbildung 7: JOHN MUIR (aus J. MUIR, 2013: Die Berge Kaliforniens)

Wer war JOHN MUIR? Er wurde 1838 als drittes von acht Kindern in Dunbar, Schottland, geboren. Als er elf Jahre alt war, reiste sein Vater mit ihm und zwei Geschwistern in die USA, um die Auswanderung der Familie vorzubereiten. MUIR wurde streng erzogen und musste bereits als Kind schwere Arbeit auf der Farm leisten. Er besuchte keine Schule, sondern bildete sich autodidaktisch. Er begann, Gerätschaften und Maschinen zu erfinden, verdiente dadurch Geld und konnte so an der Universität in Madison/Wisconsin studieren. Seine Hauptinteressen lagen in der Geologie, Chemie und vor allem in der Botanik. 1863 verließ er die Hochschule ohne Abschluss.

MUIR unternahm viele Reisen innerhalb Nordamerikas, hier u. a. einen 1.000-Meilen-Fußmarsch von Kentucky zum Golf von Mexiko, sowie nach Europa, Asien, Australien und Neuseeland. Er betätigte sich als Naturforscher, Schriftsteller und Erfinder. 1898 erschien sein erstes Buch „The mountains of California“ und es folgten noch viele weitere Veröffentlichungen. Er starb 1914 in Los Angeles/Kalifornien.

MUIR, der Schriftsteller und Naturwissenschaftler, schrieb mit wunderbaren Worten über die Natur, über die „herrlichen Wälder an der feuchten und milden Pazifikküste“, wo die Bäume „dicht beisammen wuchsen wie Gras auf einer Wiese“, wo sie „ihre kühnen Kuppeln und Türme 300 Fuß über den Farnen und Lilien, die den Boden überzogen, in die Höhe streckten und jahrhundertelang heiter aufragten und Gottes himmelsfrische Forstarbeit predigten.“ Und er beschreibt die drohenden Gefahren für die Wälder: „Die Indianer fügten ihnen mit den Steinäxten nicht mehr Schaden zu als nagende Biber oder der Verbiss der Elche. Selbst die Feuer der Indianer und die heftigen Blitzeinschläge schienen gemeinsam nur Gutes zu bewirken, indem sie hier und dort eine Stelle für ebene Präriegärten und eine Lichtung für die lichtsuchenden Sonnenblumen rodeten. Als jedoch die Stahlaxt des weißen Mannes in die erschrockene Luft hinausschallte, war ihr Schicksal besiegelt. Jeder Baum hörte den unheilvollen Klang und Rauchsäulen schickten Zeichen gen Himmel.“

Durch seine Reisen, häufig zu Fuß, per Boot oder auf dem Pferd, lernte er im Westen Nordamerikas viele unberührte Landschaften kennen, Orte, die noch nicht durch menschlichen Einfluss verändert worden waren. Anders als die Menschen in Europa hatten die Indianer keine Wälder gerodet oder Burgen und Schlösser errichtet. Er erlebte das Ursprüngliche dieser Landschaft und zugleich die Bedrohung durch die Siedler. So wurde er im Laufe seines Lebens mehr und mehr zum Naturschützer. In seinen Veröffentlichungen beschreibt er sehr eindringlich die Zerstörung der Natur, speziell der Wälder im Westen der USA: „Bäume vernichten kann jeder Narr. Sie können nicht weglaufen; und selbst, wenn sie es könnten, würden sie vernichtet werden – gejagt und zu Tode gehetzt so lange man Spaß oder einen Dollar aus ihrem Borkenfell, ihren verzweigten Hörnern, ihrem herrlichen Stamm-Rückgrat rausschlagen kann. Nur wenige, die Bäume fällen, pflanzen sie; doch selbst das Anpflanzen würde wenig nützen, um diese noblen Urwälder wiederzuerlangen. Während eines Menschenlebens wachsen nur die Sämlinge anstelle der alten – jahrhundertealten – Bäume heran, die zerstört worden sind.“

Auch wenn JOHN MUIR offenbar auch etwas von einem Einzelgänger oder Asketen hatte (siehe Abbildung 7), war er doch zugleich (wie man heute sagen würde) ein Netzwerker. 1903 lud er den Präsidenten der USA, THEODORE ROOSEVELT, ein, mit ihm die landschaftliche Schönheit und Schutzwürdigkeit bedrohter Regionen zu erläutern. ROOSEVELT hatte bereits Bücher von MUIR gelesen, was offenbar seine Bereitschaft für eine solche Reise erhöht hatte. Zusammen gingen sie auf eine mehrtägige Campingtour und besuchten Yosemite in Kalifornien. Dabei erklärte MUIR die Bedeutung des Natur- und Landschaftsschutzes und dass Yosemite als damaliger „State Park“ nur ungenügend geschützt sei. MUIR war dabei offenbar so überzeugend, dass ROOSEVELT das Tal wieder auf die Bundesregierung übertrug; 1906 wurde es als „Yosemite-Nationalpark“ stark erweitert und unter Schutz gestellt.

Abbildung 8: Durch MUIR wurden viele außergewöhnliche Landschaften geschützt. Die Besucher der Nationalparks (hier in Kalifornien) können noch heute die einmalige Landschaft unverändert erleben.

Diesem Beispiel folgte bald die Ausweisung weiterer Nationalparks in den USA und in anderen Ländern. Inzwischen existieren weltweit mehr als 2.200 Nationalparks. In Deutschland gibt es 16 dieser Schutzgebiete, das älteste ist der „Nationalpark Bayrischer Wald“ aus dem Jahr 1970. Die landschaftliche Vielfalt der Gebiete ist enorm und umfasst fast alle Landschaftstypen. Die Koordination für alle Nationalparks erfolgt durch die IUCN (International Union for Conservation of Nature, www.iucn.org). Die IUCN organisiert alle zehn Jahre einen internationalen Kongress, auf dem Strategien zum Naturschutz in Nationalparks festgelegt werden. Das Engagement eines Einzelnen, dem die Natur am Herzen lag, hat letztendlich zu weltweiten Kooperationen geführt.

Die Definition eines Nationalparks ist nicht in allen Staaten gleich. Doch gibt es eine gemeinsame Idee, die auf den Intentionen MUIRS beruht: die Erhaltung großer, nicht durch menschliche Eingriffe veränderter Naturgebiete für die Nachwelt. Als Nationalpark wird allgemein ein ausgedehntes Schutzgebiet verstanden, das meistens nur der natürlichen Entwicklung unterliegt und durch spezielle Maßnahmen vor nicht gewollten menschlichen Eingriffen und vor Umweltverschmutzung geschützt wird. In der Regel sind dies Gebiete, die ökologisch besonders wertvoll oder von herausragendem landschaftlichem Reiz sind und im Auftrag einer Regierung verwaltet werden. Sie werden oft als Erholungsgebiete und für den sanften Tourismus genutzt (Abbildung 8).

Der besondere Verdienst MUIRS besteht darin, dass durch sein Engagement erstmals die Idee des Naturschutzes in die Politik hineingetragen wurde. Es war eine Initialzündung. Die Einrichtung eines Nationalparks ist eine sehr weitreichende Unterschutzstellung. Der Gedanke wurde anschließend weiter ausgestaltet bzw. modifiziert. Derzeit gibt es viele Arten des Schutzes vom Nationalpark bis hin zur Ausweisung eines einzelnen Baumes als Naturdenkmal, einem der Tätigkeitsfelder von Baumpflegern. Diese Art des Natur- bzw. Baumschutzes sowie seiner Pflege wurde erst in den folgenden Jahrzehnten entwickelt.

Heutzutage fließen Aspekte des Naturschutzes bei vielen Entscheidungen mit ein, von der Land- und Forstwirtschaft bis hin zur Städteplanung und Industrieproduktion. Er ist damit ein selbstverständlicher Teil unseres täglichen Lebens. Grundlage sind europaweite Programme und Regelungen (z. B. Natura 2000 oder die Europäische Wasserrahmenrichtlinie) und in Deutschland das Grundgesetz Art. 20a sowie das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Danach ist es das Ziel des Naturschutzes, Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlage des Menschen zu erhalten. Der Naturschutz ist damit eine öffentliche Aufgabe. Hierzu gehört auch der Baumschutz.

Weiterhin gründete JOHN MUIR mit seinen Mitstreitern 1892 die erste Naturschutzorganisation im modernen Sinne: den Sierra Club. Dieser Club ist noch heute eine der größten und einflussreichsten Umweltorganisationen Nordamerikas (www.sierra-club.com). MUIR war dessen erster Präsident und behielt das Amt bis zu seinem Tod. Inzwischen gibt es viele Umweltverbände, wie BUND, Greenpeace, NABU und WWF. Alle diese national und international arbeitenden Verbände wurden erst Jahrzehnte später gegründet. Auch auf diesem Gebiet war MUIR ein Pionier.

Jahrbuch der Baumpflege 2019

Подняться наверх