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3 Vorkommen von Bäumen an und auf HWS-Anlagen und deren Wirkung

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Hochwasserschutzanlagen wurden vor einigen Jahrzehnten gezielt mit Alleen oder Baumreihen bepflanzt, um vor allem die Einbindung in die Landschaft zu gewährleisten. Zudem wurde in der Vergangenheit oft angenommen, dass Bäume und deren Wurzeln auch bei Deichen und Dämmen der Standsicherheit zuträglich sind, wie dies bei Ufergehölzen der Fall ist. In PATT & GONSOWSKI (2010) heißt es z. B.: „Ufergehölze erhöhen die Stabilität, beeinflussen jedoch auch die Abflussleistung. Auf Dämmen und Deichen ist zudem Vorsicht bei der Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern geboten, da Wurzelwerk ggf. die Sickerwassermengen erhöht, was u. U. zu Stabilitätsproblemen führen kann.“

Durch natürliche Sukzession können sich über Jahrzehnte waldartige oder waldähnliche Baumbestände entwickeln, ohne dass diese als Wald ausgewiesen sind. Diese können in der Praxis zugleich häufig Schutzgebiete/Biotope für Flora und gleichzeitig Habitate für bedrohte Tierarten, wie z. B. spezielle Fledermausarten, darstellen. Höhlenbäume sind durch das BNatSchG besonders geschützt und bei möglichen Eingriffen muss geprüft werden, ob im Falle einer erforderlichen Freistellung die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt werden, was i. d. R. in der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) erfolgt. Die Fällung hat i. d. R. außerhalb der Vegetations- und Brutperioden im Winter zu erfolgen (01. Oktober bis 28./29. Februar).

Falls waldartige oder waldähnliche Bestände an und auf HWS-Anlagen vorhanden sind, ist dies i. d. R. auf eine nicht erfolgte oder nicht sachgerecht durchgeführte Unterhaltung zurückzuführen (Abbildung 2). In DIN 19712 ist hier folgender Grundsatz zu finden: „Hochwasserschutzanlagen sind so zu unterhalten und zu betreiben, dass ihre Sicherheit ständig gegeben ist. Die konkrete Durchführung von Unterhaltung und Betrieb wird durch die Art der Hochwasserschutzanlage (Deich, Wand, mobiles System) bestimmt.“ Hierbei sind aufgrund der erhöhten Vulnerabilität erdbauliche Deiche und Dämme intensiver zu unterhalten als dies für massive Hochwasserschutzmauern der Fall ist. Bei mobilen Systemen muss sichergestellt werden, dass sich der Aufbau und der Einsatz der Systeme jederzeit durchführen lassen, was ebenfalls zu einer strikten Regelung bzgl. Bäume führt (BWK 2005).

Grundsätzlich zu unterscheiden ist bei Vorkommen von Gehölzen, ob sich die HWS-Anlage und der Baum im städtischen bzw. bebauten Bereich oder im ländlichen Raum befinden. Es kann von erheblicher Bedeutung sein, ob man sich nach Baugesetzbuch § 34 im Innenbereich oder Außenbereich befindet. Im Außenbereich sind technische Maßnahmen im Einzelfall i. d. R. einfacher umzusetzen, da im Außenbereich weniger Restriktionen vorhanden sind.

Abbildung 2: Waldartiger Bewuchs an einem Deich an der Isar im Münchner Stadtbereich

Abbildung 3: Windwurf eines Baumes an einem Deich in Düsseldorf infolge des Sturmtiefs Ela 2014 (Quelle: SEB Düsseldorf) und an der Schwarzen Elster infolge des Sturmtiefs Kyrill 2007 (Quelle: LUA Brandenburg)

Bei der Betrachtung der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Hochwasserschutzbauwerken als Ingenieurbauwerk werden i. d. R. der Lastfall bzw. die Bemessungssituation „Windwurf – Versagen eines Baumes mit Ausbruch des Wurzeltellers“ berücksichtigt (Abbildung 3). Dies stellt hinsichtlich der Auswirkungen auf die HWS-Anlagen eine der kritischsten Einwirkungen dar. Eine Festlegung der Auswirkungen des Versagens von Einzelbäumen auf die HWS-Anlage, deren Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit und die Festlegung von erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen sind im Einzelfall zu bestimmen.

Jedoch wird es stets der Fall sein, dass normal dimensionierte Erddeiche beim Auftreten von Gehölzen auf und am Deich als nicht standsicher eingestuft werden, wie dies auch in den einschlägigen technischen Regelwerken, wie z. B. der DIN 19712, gehandhabt wird. Die Zuordnung des „Windwurfs“ zu den unterschiedlichen Bemessungssituationen „permanent (BS-P)“, „außergewöhnlich (BS-A)“ oder „extrem (BS-E)“ ist auch im Einzelfall festzulegen. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Versagen des Baumes zusammen mit dem zu betrachtenden Bemessungshochwasser (BHW) eintritt, dann könnte im Einzelfall auch die ständige Bemessungssituation (BS-P) herangezogen werden, wohingegen der Windwurf auch in den Regelwerken eher zu BS-A oder BS-E gezählt wird.

Einzelbäume im Abflussbereich und nahe am Deich oder auf dem Deich sind als besonders kritisch zu beurteilen, sind jedoch in der Praxis nicht so selten anzutreffen (Abbildung 4). Die Bäume verbleiben oft als Kompromiss nach Freistellungs- und Ertüchtigungsarbeiten, um umwelt- und naturschutzfachlichen Aspekten entgegenzukommen. Jedoch ist der Bereich um Einzelbäume sehr erosionsanfällig, da hier Kolke, auch Erosionslöcher oder -krater genannt, infolge von Wirbelströmungen auftreten können. Gleichzeitig erfahren die Bäume die volle Wind- und Strömungsbelastung, was die Standsicherheit des Baumes und/ oder des Deiches gefährden kann. Bäume tragen zur Beschattung von erosionssensiblen Bereichen des Deiches oder Dammes bei, sodass in den Bereichen auch die vor Erosion schützende Vegetationsdecke fehlen kann.

Die Wurzeln von Bäumen führen besonders bei Deichen und Dämmen zu Wasserwegigkeiten, welche bei gerichteter Durchströmung im Hochwasserfall zu Erosionsprozessen, d. h. zum Austrag von Bodenpartikeln und zu einer Erhöhung der Sickerlinie führen können. Werden Dichtungen durchwurzelt, reichen schon relativ kleine Wurzeln aus, um z. B. eine Oberflächendichtung aus Ton oder Lehm praktisch funktionsuntüchtig zu machen. Die Durchwurzelungsresistenz von Dichtungen wird z. B. in HASELSTEINER & STROBL (2006) und den Merkblättern für Dichtungselemente im Wasserbau der DWA bewertet (vgl. BAW MSD 2011).

Bäume tragen erhöhte Einwirkungen bzw. Kräfte, z. B. durch das Übertragen von Windkräften über den Stamm und die Wurzeln, in das Tragwerk ein. Die eingetragenen Kräfte werden durch das statische System „Baum“ stark gedämpft. Gleichzeitig können Bäume die Widerstandswirkung des Tragwerks, z. B. durch windinduzierte Auflockerung von Böden, durch eine verstärkte Durchlässigkeit oder durch die Beeinträchtigung der Filterwirksamkeit nach erfolgter Durchwurzelung von Dichtungen oder Filterelementen beeinträchtigen.

Greifbare, mit technischen Kennwerten belegbare Untersuchungen für einige der genannten Auswirkungen sind rar gesät. Jedoch haben Zugversuche an Bäumen, deren Wurzelwerk in Kontakt mit angrenzenden Hochwasserschutzmauern stehen, gezeigt, dass auch bei Orkanbelastung keine Verschiebung an der Wand nachgewiesen werden konnte. Die ingenieurtechnische Bestimmung von z. B. Auflockerungsprozessen oder „Pumpeffekten“ durch Windbelastungen stellt sich auch hinsichtlich der Versuchstechnik als schwierig dar. Zudem weisen Deiche i. d. R. keine Messinstrumentierung auf, sodass im Einstaufall auch i. d. R. keine Informationen zum Verhalten der HWS-Anlage in Form der Porenwasserdruckverteilung oder der Verformung während Hochwasser gesammelt werden. Jedoch gibt es national und international einige publizierte Untersuchungen, die sich mit der Veränderung der Durchlässigkeit von Böden durch Wurzeleindringen beschäftigen (z. B. HASELSTEINER 2007a).

Bäume und deren Wurzeln können Wühltieren, wie z. B. Bisam, Hasen oder Füchsen eine Behausung bieten. Die Beschattung nahe an Stämmen von Bäumen bewirkt zudem, dass sich dort keine geschlossene Vegetationsdecke einstellen kann, wie bereits erwähnt wurde. Treten Bäume und/oder Sträucher in Bereichen auf, wo Sickerwasser austreten könnte, kann im Hochwasserfall die Überwachung erschwert oder verhindert werden.

Abbildung 4: Einzelbäume an und auf Deichen an der Loisach in Bayern (links), an der Gera bei Erfurt (mittig) und an der Isar im Stadtbereich München (rechts)

Abbildung 5: Wurzeln in Deichen an der Ammer (links) und an der Donau (rechts) nach Deichbrüchen 1999 und 1988 (Quelle: Wasserwirtschaftsverwaltung Bayern)

Abbildung 6: Ausgegrabene Wurzeln einer Pappel an einer HWS-Mauer im städtischen Bereich von Düsseldorf

Im Rahmen von Unterhalt, Inspektion und Überwachung während Hochwasser ist die Zugänglichkeit aller Bereiche von HWS-Anlagen besonders für die „Deichläufer“ von grundlegender Bedeutung. Auch hier können Bäume „im Wege stehen“. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Verkehrssicherungspflicht entlang der Wege an und auf HWS-Anlagen hingewiesen.

Je kleiner eine HWS-Anlage ist, desto schwerwiegender sind die möglichen nachteiligen Auswirkungen und Einwirkungen von Bäumen zu bewerten. Kleine Deiche können vollständig durchwurzelt werden, wie dies in Abbildung 5 dargestellt wird. Bei größeren Deichen wird i. d. R. nicht der ganze Querschnitt mit Wurzeln durchörtert. Die Ausbildung der Wurzeln hängt natürlich von zahlreichen Randbedingungen und der Baumart ab. Ausgrabungen von Wurzeln sind z. B. in LFU BY (1990), WINSKI (2004) und CIRIA (2013) dokumentiert.

Im Rahmen eines Projektes im Stadtbereich Düsseldorf wurden an bestehenden HWS-Mauern Wurzelausgrabungen durchgeführt, welche erneut darlegten, dass sich je nach Baumart und Bodenbeschaffenheit die Wurzelausbreitung sehr unterschiedlich darstellen kann. In Abbildung 6 ist das starke Wurzelwachstum einer Pappel dargestellt, welche ein Geflecht aus Starkwurzeln mit Kontakt zur Bestandsmauer ausgebildet hat. Anzumerken ist, dass die Mauer hiervon keinen nachweislichen Schaden erlitten hat.

Jahrbuch der Baumpflege 2019

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