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3.2 Bäume auf Deichen – Ja oder Nein?

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Hölzerne Vegetation auf Deichen oder Dämmen ist nach wie vor ein umstrittenes Thema. Im Allgemeinen haben sich dichte Grasnarben zum Schutz der Oberfläche von Deichen und Dämmen bei milden bis mittleren Belastungen bewährt (EAK 2002). Durch natürliche Entwicklung oder menschliche Einflüsse können jedoch gelegentlich auch hölzerne Vegetationen in Form von waldähnlichen Beständen, Baumreihen oder einzelnen Bäumen auf Deichen und Dämmen auftreten (HASELSTEINER 2010b). Während hölzerne Vegetation ökologische Funktionen, z. B. Bereitstellung von Lebensräumen und Wasser-, Luft- und Temperaturverbesserungen sowie kulturelle, der Erholung dienende und ästhetische Funktionen bietet (KISSE & ELLEBRACHT 2015; ZANETTI et al. 2016), werden die Effekte auf die Deichsicherheit kontrovers diskutiert.

Gräser bewirken eine vergleichsweise flache Verwurzelung des Bodens, während Bäume und Sträucher ein tiefer reichendes Wurzelwerk aufweisen (GRAY 1995). Somit unterscheidet sich auch die Wirkung auf das Schutzbauwerk Deich. Durch die tieferen und stärkeren Wurzeln von Bäumen wird eine erhöhte (globale) Standfestigkeit erzeugt, während Gräser und Kräuter durch eine dichte Bodendeckung den Widerstand gegen Oberflächenerosion erhöhen (GRAY 1995; PFLUG & STÄHR 1999; LAMMERANNER & HASELSTEINER 2010). Weiterhin werden Bäumen positive Effekte auf die Bodenfeuchte infolge von Interzeption, Wasseraufnahme und Transpiration (GRAY 1995; SEETHALER 1999; ZANETTI et al. 2016) und die Wirkung als Wellenbrecher oder Strömungsberuhiger und Schutz gegen Eisgang (SEETHALER 1999; HASELSTEINER 2010b; LAMMERANNER & HASELSTEINER 2010) zugesprochen. Vereinzelt wird ein reduzierter Unterhaltungsaufwand in Verbindung mit Bäumen auf Deichen oder Dämmen genannt (PFLUG & STÄHR 1999; LAMMERANNER & HASELSTEINER 2010).

Positiven Effekten des Wurzelwerks auf die Standfestigkeit des Bauwerks stehen ein erhöhtes Risiko von baumbedingten Deich- oder Dammschäden, z. B. bei einem Baumversagen, oder Schäden der Abdichtung entgegen. Zudem gelten Bäume als Angriffspunkt für Oberflächenerosion durch Strömungskonzentrationen und Turbulenzen. Innere Erosion kann infolge der Hohlraumbildung bei Wurzelsterben begünstigt werden (SEETHALER 1999; DWA-M 507–1; CIRIA 2013; ZANETTI et al. 2016). Weiterhin können zusätzliche Kräfte (z. B. Windkräfte) in die Böschung übertragen, die Entwicklung einer dichten, erosionsresistenten Grasdecke durch Beschattung erschwert und das Risiko, Wühltiere anzulocken, erhöht werden (DWA-M 507—1; CIRIA 2013). Bei Monitoring- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie insbesondere bei Deichverteidigungsmaßnahmen im Hochwasserfall können Bäume als Störelemente zu Komplikationen führen (GRAY 1995; DWA-M 507–1; CIRIA 2013).

Während gängige Empfehlungen und Regelwerke für Planung, Bau und Unterhaltung von Dämmen und Deichen das Vorhandensein von Bäumen grundsätzlich untersagen (DIN 19712/1997; USACE 2014), können Ausnahmen möglich sein, sofern die Bauwerkssicherheit und Funktionalität nicht eingeschränkt sind oder erhöhte Risiken akzeptabel sind (HASELSTEINER 2010a). Verstärkungs- oder Ausgleichsmaßnahmen, z. B. in Form von Deichüberdimensionierungen oder Baumsicherungen, können dabei Optionen zur Gewährleistung der Deichsicherheit darstellen und den Erhalt von Bäumen auf Deichen ermöglichen. Ausführliche Beschreibungen und Darstellungen von statisch wirksamen Dichtungen zur Gewährleistung der weiteren Hochwasserschutzfunktion im Falle von Windwurf oder Deichschäden und Möglichkeiten zur Sicherung von Einzelbäumen auf Deichen sowie erforderlicher Unterhaltungsmaßnahmen können beispielsweise HASELSTEINER & STROBL (2006) entnommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Sicherung und Ertüchtigung von Deichen mit Bäumen i. d. R. mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand verbunden ist (HASELSTEINER & STROBL 2006). Für weitere Praxisbeispiele wird zudem auf DUJESIEFKEN & HAGEN (2019) und HASELSTEINER (2019) verwiesen.

Aktuell befindet sich das Regelwerk zu landschaftsökologischen Aspekten für Deiche an Fließgewässern in der Bearbeitung, in dem auch eine Thematisierung von Bäumen auf Flussdeichen zu erwarten ist (DWA-M 507–2).

Literatur

CIRIA, 2013: The International Levee Handbook. London: CIRIA (CIRIA, C731).

DIN 19712/1997, 1997: Flussdeiche.

DUJESIEFKEN, K.; HAGEN, F. C., 2019: Erhalt von Altbäumen auf Dämmen – Konflikte – Lösungen – Umsetzung am Beispiel der Stör-Wasserstraße. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2019. Haymarket Media, Braunschweig,52–66.

DVWK, 1986: Merkblätter zur Wasserwirtschaft. Flußdeiche. Nr. 210. Verlag Paul Parey.

DWA-M 507–1, 2011–12: Deiche an Fließgewässern Teil 1: Planung, Bau und Betrieb.

DWA-M 507–2, in Bearbeitung: Deiche an Fließgewässern Teil 2: Landschaftsökologische Aspekte bei Flussdeichen.

EAK, 2002: Empfehlungen für Küstenschutzwerke. Korrigierte Ausgabe 2002. In: Kuratorium für Forschung im Küsteningenieurwesen (KFKI) (Hrsg.): Die Küste, Bd. 65. Karlsruhe: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW).

GRAY, D. H., 1995: Influence of Vegetation on the Stability of Slopes. In: BARKER, D. H. (Hrsg.): Vegetation and Slopes. Stabilisation, Protection, and Ecology. Proceedings of the International Conference held at the University Museum, Oxford, 29–30 September 1994. London, New York, NY: T. Telford; American Society of Civil Engineers [distributor], 2–25.

HASELSTEINER, R., 2010a: Woody Vegetation on Small Embankments. In: Proceedings of the 8th ICOLD European Club Symposium: dam safety – sustainability in a changing environment. Innsbruck, Austria, 22.-23.09.2010.

HASELSTEINER, R., 2019: Bäume an und auf Hochwasserschutzanlagen – Praxisbeispiele und Hinweise. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2019. Haymarket Media, Braunschweig, 41–52.

HASELSTEINER, R.; STROBL, T., 2006: Deichertüchtigung unter besonderer Berücksichtigung von Gehölzen. In: HERMANN, J.; JENSEN, J. (Hrsg.): Sicherung von Dämmen, Deichen und Staunanlagen: Handbuch für Theorie und Praxis, Bd. 2. Siegen: Siegen – universi, 325–353.

HASELSTEINER, R., 2010b: Der Bewuchs an und auf Hochwasserschutzdeichen an Fließgewässern aus technischer und naturschutzfachlicher Sicht. In: Wasserbauliche Mitteilungen, Bd. 40. Dresdner Wasserbaukolloquium. Dresden, 373–382.

KISSE, A.; ELLEBRACHT, M., 2015: Bäume auf Deichen – Hochwasserschutz kontra ökologische Landschaftsplanung? In: HERRMANN, R. A.; JENSEN, J. (Hrsg.): Sicherung von Dämmen, Deichen und Stauanlagen. Siegener Symposium zur „Sicherung von Dämmen und Deichen“. Siegen, 189–201.

KOLB, A., 1962: Morphologie der Deich- und Flurbeschädigungen zwischen Moorburg und Cranz. Gemeinschaftsarbeit des Inst. Für Geographie und Wirtschaftsgeographie der Universität Hamburg. Selbstverlag. Hamburger Geographische Studien. H. 16.

LAMMERANNER, W.; HASELSTEINER, R., 2010: Ingenieurbiologische Bauweisen an Hochwasserschutzdeichen. In: Wasserbauliche Mitteilungen, Bd. 40. Dresdner Wasserbaukolloquium. Dresden.

MELF, 1962: Die Sturmflut vom 16./17.2.1962 im niedersächsischen Küstengebiet. Die Küste. H. 1, 17–54.

PFLUG, W.; STÄHR, E., 1999: Wald auf und an Flussdeichen. In: PFLUG, W.; HACKER, E. (Hrsg.): Ingenieurbiologie – Flußdeiche und Flußdämme, Bewuchs und Standsicherheit. Aachen: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Jahrbuch der Gesellschaft für Ingenieurbiologie, 4), 297–321.

SCHÖNFELD, G.; TORNOW, H., 1976: Angst hinterm Deich. Sturmfluten 1962–1976. Zeitungsverlag Krause KG. Stade/Buxtehude.

SCHÜTTRUMPF, H., 2002: Wellenüberlaufströmung bei Seedeichen – Experimentelle und theoretische Untersuchungen. Mitteilungen des Leichtweiss-Instituts für Wasserbau. H. 149.

SCHÜTTRUMPF, H.; OUMERACI, H., 2002: Deichschäden. Mitteilungen des Leichtweiss-Instituts für Wasserbau. H. 149.

SEETHALER, L., 1999: Wurzelausbreitung von Gehölzen auf Flußdeichen. In: PFLUG, W.; HACKER, E. (Hrsg.): Ingenieurbiologie – Flußdeiche und Flußdämme, Bewuchs und Standsicherheit. Aachen: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Jahrbuch der Gesellschaft für Ingenieurbiologie, 4), 215–232.

TRAEGER, G., 1962: Die Sturmflut vom 16./17.2.1962 im Lande Bremen. Die Küste. H. 1. 93–112.

USACE, 2014: Guidelines for Landscape Planting and Vegetation Management at Levees, Floodwalls, Embankment Dams, and Appurtenant Structures. Technical Letter No. ETL 1120–2-583. US Army Corps of Engineers.

ZANETTI, C.; MACIA, J.; LIENCY, N.; VENNETIER, M.; MÉRIAUX, P.; PROVANSAL, M.; LANG, M.; KLIJN, F.; SAMUELS, P., 2016: Roles of the Riparian Vegetation. The Antagonism between Flooding Risk and the Protection of Environments. In: E3S Web Conference 7 (6), S. 13015. DOI: 10.1051/e3sconf/20160713015.

Autoren

Prof. Holger Schüttrumpf leitet das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen und arbeitet seit mehr als 25 Jahren auf dem Gebiet der Deichsicherheit von Fluss- und Seedeichen.

Babette Scheres erarbeitet im Rahmen des BMBF-Eco-Dike-Projekts (BMBF 03F0757 A) Möglichkeiten zur ökologischen Aufwertung von Seedeichen unter Berücksichtigung der Deichsicherheit.


Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf

Mies-van-der-Rohe-Straße 17

52074 Aachen

Tel. (0241) 80 25262

schuettrumpf@iww.rwth-aachen.de


Babette Scheres, M.Sc. RWTH

Mies-van-der-Rohe-Straße 17

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Tel.: (0241) 80 25923

scheres@iww.rwth-aachen.de

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