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Fehlende Definitionen

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In der Juristerei kommt den Definitionen eine wichtige Bedeutung zu. Im Bereich der Angehörigenpflege wird die Problematik der fehlenden Definition von Begriffen besonders deutlich. Was umgangssprachlich als «Angehörige» bezeichnet wird, existiert im Recht nicht. «Angehörige» ist kein juristischer Begriff, weder im Sozialversicherungs- noch im Familienrecht. Sind damit Verwandte gemeint? Verwandte in auf- und absteigender Linie oder in Seitenlinien? Sind damit nur Blutsverwandte gemeint oder auch angeheiratete? Gehört das stabile Konkubinat auch dazu? Auch wenn wir uns vom Angehörigen entfernen würden und stattdessen von der (informell oder unentgeltlich) «pflegenden Person» sprechen, würde das kaum helfen. Dem sogenannten Pflegesubjekt kommt im Sozialversicherungsrecht nur eine untergeordnete praktisch Bedeutung zu: In der obligatorischen Krankenpflegeversicherung werden nur die Kosten entschädigt, welche durch einen anerkannten Leistungserbringer erbracht werden (Art. 35 Abs. 1 KVG). In der Regel sind pflegende Angehörige keine anerkannten Leistungserbringer, da sie die Anforderung von Art. 35 ff. KVG nicht erfüllen, weshalb ihre Leistungen nicht von den Sozialversicherungen vergütet werden.[20]

Die Problematik der fehlenden Definitionen zieht sich weiter: Auch die Pflegehandlung ist nicht klar gesetzlich definiert. Art. 7 KLV umschreibt lediglich den Leistungsbereich der ambulanten Krankenpflege oder der Pflege im Pflegeheim. Je nachdem, ob es sich um Grund- oder Behandlungspflege handelt, wird die Vergütung unterschiedlich gehandhabt. So entschädigt die Unfallversicherung nur Leistungen der Behandlungspflege, nicht aber der Grundpflege an und für sich. Nur die akzessorische Grundpflege, also grundpflegerische Verrichtungen, die mit der Durchführung behandlungspflegerischer Massnahmen nötig sind – wie etwa die grundpflegerische Körperpflege nach behandlungspflegerischer Darmentleerung – werden von der Unfallversicherung vergütet.[21]

Ein weiteres Problem ist die gänzlich fehlende Definition von Hilfe und Betreuung bzw. deren weitgehende Absenz im Sozialversicherungsrecht. Die erfolgreiche Pflege einer pflegebedürftigen Person erschöpft sich nicht in der blossen Durchführung der sozialversicherungsrechtlich abgedeckten Pflegehandlungen. Im Zusammenhang mit der Pflege sind ganz viele weitere Handlungen, je nach Art der gesundheitlichen Einschränkung, Alter, Lebensumstände etc. der pflegebedürftigen Person notwendig, um ihren Gesundheitszustand zu erhalten, zu verbessern oder ihr eine würdevolle Begleitung bis zum Tod zu ermöglichen. Dies fängt bei haushälterischen Leistungen an, erstreckt sich über organisatorische und administrative Aufgaben bis hin zum simplen «für jemanden da zu sein». Dieser Aspekt findet im Sozialversicherungsrecht kaum Beachtung.

Im Synthesebericht wurden die Resultate einer Bevölkerungsbefragung publiziert, mit den Unterstützungsaufgaben, die betreuende Angehörige übernehmen: Dazugehört Da-Sein, Beobachten, Finanzen und Administration, Hilfe im Alltag, Koordinieren und Planen, Aufpassen, medizinische Hilfe, Betreuen und Pflegen.[22] Davon ist wenig bis gar nichts von den Sozialversicherungen abgedeckt. Es gibt gewisse Geldbeträge, wie etwa die Hilflosenentschädigung, der Assistenzbeitrag oder unter Umständen die Ergänzungsleistungen, welche für solche Hilfs- und Betreuungshandlungen verwendet werden können.

Dabei sind genau solche (im Sinne des Sozialversicherungsrecht) nicht-pflegerischen Handlungen sehr wichtig, um Pflegebedürftigkeit zu verhindern, zu mildern und Heimeintritte zu vermeiden. Der Bedarf an Betreuungsleistungen gerade bei älteren Personen ist gross. Auch ältere Personen, die keine körperlichen oder kognitiven Einschränkungen haben, können einen Betreuungsbedarf aufweisen. Eine bedarfsgerechte Betreuung kann sich positiv auf die Gesundheit der betreuten Person auswirken und Heimeintritte präventiv verhindern, was wiederum Kosten spart, denn die Kosten für einen Heimaufenthalt sind i.d.R. höher als für die Pflege und Betreuung zu Hause.[23]

Insbesondere bei an Demenz erkrankten Menschen, fallen zu Beginn der Erkrankung oft vielmehr betreuerische als pflegerische Aufgaben im sozialversicherungsrechtlichen Sinn an, weshalb diese länger zu Hause betreut und gepflegt werden könnten, was meisten günstiger wäre als die Unterbringung in einer Alters- und Pflegeeinrichtung.[24]

Zwar sind solche Angebote der Betreuung vorhanden und einkaufbar, jedoch werden sie von den Sozialversicherungen, wenn überhaupt, nur ungenügend gedeckt. Die betreuungsbedürftige Person muss diese Leistungen selbst einkaufen, was in viele Fällen schlicht und einfach finanziell nicht möglich ist. Mitunter ein Grund, weshalb Betreuungsleistungen informell durch Familienmitglieder, Verwandte und Bekannte erbracht werden.[25]

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