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Die Rache der Verschmähten

Adrian Schwarzenberger

H

err Chong Yin wohnte in einem kleinen Haus auf dem Hügel, und in dem Haus wohnte auch seine Frau Qingmie. Die war so zart und lieblich, dass sich selbst der Mandelbaum vor ihrer Hütte vor ihr verneigte, wenn sie über die Schwelle des Hauses trat. Wenn Qingmie am Fenster saß, gesellten sich die Vögel zu ihr und sangen ihre Lieder zu ihrem Flötenspiel. Ging sie spazieren, schmiegten sich die Weidenzweige um sie und schmeichelten ihrem schlanken Leib. Und wenn die Schöne sich am Ufer des kleinen Sees ins Gras setzte, vergaßen die Fische das Schwimmen, die Frösche das Quaken und die Gänse das Schnattern, so verzaubert waren alle von ihrem Anblick.

Wen Qingmie aber nicht mit ihrer Lieblichkeit reizen konnte, das war ihr Gatte, der Herr Chong Yin. Er kannte nur einen Freund, und das war der Wein. Schönheit und Liebe fand er in den Häusern der Freude, die er jeden Tag besuchte und aus denen er erst im Morgengrauen unter lautem und falschem Singen heimkehrte. Man mag sich fragen, welch wildes Tier im Körper dieses Menschen steckte, welcher Teufel, welcher Dämon. Doch wird man es je erfahren?

So sorgte sich auch seine Frau Qingmie, und je mehr sie sich sorgte, desto mehr verlor sie von ihrem Liebreiz. Ihr Strahlen erlosch, wie wenn die Sonne untergeht, und ihre Liebe erkaltete wie ein Feuer, das sein Holz verzehrt hatte. Mehr und mehr vernachlässigte Chong Yin seine Gattin und suchte sein Glück in Wein und leichten Weibern, und mehr und mehr grämte sie sich darüber, dass sie ganz krank wurde. Doch stets hielt sie zu ihm, vernachlässigte ihre Pflichten nicht und klagte nie, so treu war sie.

Eines Tages kam ein Fuchsgeist daher, denn wo Kummer und Leid hausen, da gesellen sich gern die bösen Geister dazu. Der Fuchsgeist schaute durchs Fenster und erblickte Qingmie, wie sie sich in sorgenvollen Seufzern erging. Rasch sann er auf eine List, wie er sie in seiner Tücke verderben konnte. Mit seinem Zauber verwandelte er sich in den Bruder des Gatten, einen stattlichen und schönen jungen Mann, und klopfte an die Tür des Hauses. Qingmie öffnete ihm, und als sie ihren Schwager erkannte, geleitete sie ihn herein. Er bat um ein Bett für die Nacht und fragte auch nach seinem Bruder. In ihrer Schicklichkeit wagte Qingmie aber nicht, ihm zu sagen, in welchen verrufenen Gegenden sich ihr Gatte des Nachts herumtrieb und welche Freuden er genoss, statt sie mit seiner Frau zu teilen.

Ihr Schwager, wie sie meinte, der in Wahrheit der Fuchsgeist in Gestalt eines Menschen war, spürte, was sie bedrückte, und er konnte nur zu gut den Hauch des Kummers riechen, der sie umwehte. In seiner Hinterlist stellte er sich jedoch arglos, bat um ein Abendmahl und legte sich schließlich schlafen. Des Nachts aber erwachte er und schlich auf leisen Sohlen ins Zimmer der Herrin Qingmie und sagte: »Kann dich dein Mann nicht glücklich machen, so nimm doch mit mir vorlieb.«

»Mein Mann ist Euer Bruder!« rief Qingmie ganz erschrocken, als sie ihren Schwager so plötzlich vor sich stehen sah, in dunkler Nacht und verheißungsvoll wie ein junger Gott. Doch ihre Ergebenheit war stärker, und sie erwiderte: »Wie könnte ich je wieder in den Spiegel schauen! Wie könnte ich diese Schande überleben! Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich meinen Gatten unter seinem eigenen Dach betrüge!« So treu war Qingmie, dass sie selbst das Ansinnen ihres Schwagers ablehnte.

Doch der Fuchsgeist, der die Gestalt eines Menschen angenommen hatte, ließ sich nicht so leicht abweisen. Immer mehr und immer heftiger bedrängte er Qingmie, aber diese blieb standhaft. Da geschah es, dass genau in diesem Augenblick ihr Gatte Chong Yin heimkehrte und sie mit seinem eigenen Bruder in seinem Haus und in seinem Bett erwischte. Mit einem Schlag war der Weinrausch verflogen, und er meinte zu begreifen, was da vor sich ging. Mit Tritten und Fäusten prügelte er seinen vermeintlichen Bruder aus dem Haus und sparte auch mit Vorwürfen und Beschimpfungen gegen seine Frau nicht. Immer und immer wieder beteuerte sie ihm, dass sie ihm treu geblieben war, dass keine seiner Anschuldigungen die Wahrheit trafen, sie aber um so mehr verletzten, als er selber keinen Deut besser war, als er ihr nun ungerechtfertigt vorhielt. Das ging so weit, dass Qingmie nur noch kranker wurde und nach wenigen Tagen aus dem Leben schied.

Aber ihre Seele fand keine Ruhe und irrte rastlos in der Welt der Schatten umher, so sehr war sie in der Welt der Lebenden verhaftet, aus der sie doch die boshaften und schmerzlichen Worte ihres eigenen Gatten vertrieben hatten. Der Fuchsgeist indes erwartete sie schon im Reich der Toten, und Qingmie erkannte ihn nicht, denn er hatte wieder seine ursprüngliche Gestalt angenommen. Listig schlich er um sie herum und flüsterte ihr böse Worte ein: »Sieh nur, wie dein Mann dich all die Jahre behandelt hat. Keine Nacht hat er dir seine Liebe geschenkt, hat sich in den Häusern der Freude herumgetrieben, wo ihm hundert schöne Mädchen aufwarteten, und hat sich besoffen, dass er nicht mehr wusste, wo vorne und hinten war. Du aber warst ihm immer treu, hast deine Pflichten erfüllt und zu ihm gehalten. Und wie dankt er dir das? Indem er dich mit Schimpf und Schande in den Tod treibt. - Höre, lass uns auf eine List sinnen, wie wir ihm das vergelten können. Ich bin ein Fuchsgeist und will dir gerne meine Macht leihen, dich an deinem verderbten Gatten zu rächen.«

Qingmie wehrte ihn ab, so stark war ihre Liebe zu ihrem Mann immer noch. Sie wollte nichts hören von den bösen Einflüsterungen, wollte in ihrem Kummer allein sein und wollte sich in ihrem Gram verzehren. Vor allem fürchtete sie den Fuchsgeist, denn jeder wusste, dass Füchse über Menschen, die sie verzaubern, Unheil und den Tod bringen. Zu groß aber waren die Schmerzen, die ihr Mann ihr zugefügt hatte, zu tief die Wunden, die sein Treiben hinterlassen hatte, und zu drängend die hinterlistigen Worte des Fuchsgeistes, der nur seinen boshaften Schabernack mit den armen Menschen trieb. Je länger er sie umgarnte, je länger sie seinen Worten lauschte, desto mehr erkaltete ihre Liebe, und der Fuchsgeist vereinnahmte sie immer mehr und schwor sie auf eine List ein, wie sie ihren verdorbenen Gatten ins Unglück stürzen konnten.

Der nämlich hatte sich kein bisschen geändert. Im Gegenteil, niemand ahnte etwas von seinem Treiben. Nachbarn und Freunde sahen nur, dass seine arme Frau gestorben war, und trauerten mit ihm. Und wenn ihn doch einmal jemand in den Armen eines leichten Mädchens erkannte oder ihn mit einem Krug Wein antraf, da hatten die Leute gar noch Verständnis und bekundeten ihm sein Mitgefühl, dass er in Wein und Weib Trost suchte, nachdem seine gute und treue Gattin von ihm gegangen war.

So dauerte es auch nicht lange - kaum dass die Trauerzeit vorüber war -, dass ihm schon eine befreundete Familie ihre Tochter anbot, er möge sie heiraten und wieder in den rechtmäßigen Stand der Ehe eintreten. Ein alleinstehender Mann, der über den Tod seiner ersten Frau vergeht, so meinten sie, das durfte doch nicht sein. Schon bald wurde also Hochzeit gehalten, und das Mädchen zog ins Haus des Chong Yin ein und nahm den Platz der Toten ein.

»Sieh nur«, sagte der Fuchsgeist wieder, und seine Worte wurden immer drängender, »selbst jetzt - trauert er um dich, nachdem er dich in den Tod getrieben hat? Nein, er ergeht sich in Wein und Weib, und da ist auch schon die nächste an seiner Seite, die ihm die Kissen wärmt.«

So kam schließlich der Tag, da Qingmie nachgab und mit dem Fuchsgeist auf Rache sann und einen Plan fasste, wie sie ihren verdorbenen Gatten ins Unglück stürzen konnte. Kaum war die neue Frau in Chong Yins Haus eingezogen, traten Qingmie und der Fuchsgeist, der ihr die bösen Worte einflüsterte, hinzu. Ihre Seele war nicht vergangen und fand keine Ruhe, und so schlüpfte der Fuchsgeist in den Körper der Verschmähten und schlich sich in die Träume ihres Mannes. Mit ihrer ganzen Schönheit umgarnte sie ihn, mit ihrem ganzen Liebreiz lockte sie ihn, und mit ihrer ganzen Verführungskunst schmeichelte sie ihm. Verdorben wie ihr Gatte war, ging er auch willig auf sie ein und beschlief sie selbst im Traume. Ja, er erkannte sie nicht einmal, denn es war ihm gleich, mit wem er sich verlustieren konnte, und wenn er nur genug Wein getrunken hatte, dann mochten ohnehin alle Weiber gleich aussehen. Über Stunden gab er sich der Lust hin, verausgabte sich nach Kräften und ließ erst im Morgengrauen völlig erschöpft von ihr ab.

Nacht für Nacht ging das nun so. Stets zur selben Stunde suchte Qingmie ihn heim, getrieben von den bösen Einflüsterungen des Fuchsgeistes, gab sich ihrem Gatten hin und gab ihm, was er begehrte, als forderte sie noch im Tode ein, was er ihr im Leben verwehrt hatte. Und er nahm sich, was er wollte, tat, wie ihm beliebte, und vergaß sich selbst und die Welt, als wäre der Teufel auch in seinen Leib gefahren.

Seine junge Gattin war die erste, die bemerkte, wie sich etwas an ihm veränderte und es ihm zusehends schlechter ging. Sein Gesicht fiel ein, seine Augen wurden trüb, seine Beine wurden schwach, und seine Hände waren bald nur noch Haut und Knochen. In ihrer Sorge fragte sie ihn: »Was macht dich so kränklich aussehen?« Aber er schüttelte den Kopf und sagte, das sei bloß eine große Müdigkeit.

In der Nacht aber war er ganz bei Kräften, als ihn die geheimnisvolle Schöne im Traum besuchen kam, und er erkannte sie immer noch nicht. Wie er sich in seiner Lust an ihr erging, erlebte er Rausch und Verzückung, die nicht von dieser Welt waren, und alles um ihn herum mochte vergehen. Er fühlte sich wie entrückt, als würde er schon im nächsten Augenblick in den Himmel enthoben.

Als der Verfall an ihm unübersehbar wurde, schickte seine junge Gattin nach einem Arzt, und der ließ nichts unversucht, Chong Yin am Leben zu erhalten. Schnell musste er aber einsehen, dass nichts und niemand ihn mehr von der Schwelle des Todes zurückzurufen vermochten. Er war schon so abgemagert, dass nur noch die Haut seine Knochen bedeckte und er sich kaum mehr rühren konnte, so schwach war er inzwischen.

Und immer noch suchte ihn Qingmie des Nachts heim, sog seine ganze Lebenskraft in sich auf, als könnte sie dadurch selbst in die Welt des Lichts zurückkehren, und ließ nicht ein Fünkchen in ihrem verderbten Gatten zurück. Doch der bemerkte nichts davon, fiel wie ein hungriges Tier über die unbekannte Schönheit her, die ihn jede Nacht aufs neue mit ihren Reizen lockte, und versank in einem Strudel wilder Sinneslust. Ja, in ihrer Nähe war es leicht, selbst den Tod zu vergessen.

Nachdem auch der Arzt Chong Yin nicht hatte retten können, rief seine junge Gattin den Priester ins Haus. Wie der aber über die Schwelle der Türe trat, blieb er vor Entsetzen ganz erschrocken stehen. Sofort hatte er bemerkt, dass der Mann vom Hauch des Todes umweht war, und er beschwor ihn, von seinem Treiben abzulassen, bevor er ganz ins Verderben stürzen würde: »Sonst ist Euer Weg zum Tod nicht lang.«

Hätte Chong Yin noch die Kraft dazu besessen, hätte er wohl Reißaus genommen vor diesen unheilvollen Worten. So aber konnte er nur die Augen schließen und in seine Träume der ungezügelten Lust und der ungebändigten Leidenschaft flüchten, wo ihn schon die geheimnisvolle Schöne erwartete, um ihm auch noch das letzte bisschen Lebenskraft zu nehmen, das er ihr geben konnte. In seiner Entrückung wandelte ihn nicht einmal mehr die Angst an, und seine junge Gattin, der Arzt und der Priester konnten nur noch zusehen, wie sein Atem erstarb und er endgültig in die Welt der Schatten einzog.


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