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Heumsimilibumflum

Lyxa Knäulspitz

N

un denn …«, sagte die Therapeutin mit dem Namen Helprecht und wandte sich als nächstes dem neuen Paar in der Runde zu, das die ganze Sitzung über schon neugierige Blicke auf sich gezogen hatte.

»Wie Sie wohl alle schon bemerkt haben, dürfen wir heute Abend auch zwei Neuankömmlinge in unserem Kreis begrüßen. Hanna kenne ich schon aus einigen Einzelsitzungen bei mir und ich habe ihr vorgeschlagen, heute doch mit ihrer Partnerin hier an unserer kleinen Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Es ist wirklich schön, dass Ihr beide hier seid«, fuhr sie fort und das neue Paar wurde mit freundlichen Grüßen von den anderen vier anwesenden Pärchen empfangen.

»Aber am besten stellt Ihr euch selbst vor, oder?«

Das machte Hanna dann auch: Hanna Talgrund, Lehrerin, auch sehr froh hier zu sein. Ihre Partnerin, welche schon die ganze Sitzung über allen ihr Missfallen durch eine demotivierte Sitzhaltung und diverse verdrießliche Blicke mitgeteilt hatte, stellte sich dann lediglich knapp als Lyzzi vor. Die abwartenden Augenpaare auf sich spürend, besonders die hoffnungsvoll leuchtenden von Hanna, fügte Lyzzi dann widerwillig hinzu: »Lyzzi … uh, Lichtbringer, schätze ich … keine Ahnung, was auch immer.« Dann auf die weitere Frage, was sie denn beruflich täte: »Weiß nicht. Schätze, am ehesten trifft es, wenn ich sage, dass ich ein Sexdämon bin.«

Lyzzi bekam daraufhin sehr viel Zuspruch aus der Gruppe. Man sagte, dass es sehr mutig sei, ihr Suchtproblem so früh und so offen zu benennen und dass es ja nicht wirklich ein »Problem« sei und sie ja nun alle füreinander da seien.

»Nein, nein. Ich bin wortwörtlich ein Sexdämon, ein Succubus, Wesen der Hölle, spezialisiert auf … Sex. Abteilung Sex, Beischlaf und Lust und Begehren und … so weiter«, versuchte Lyzzi zu erklären und verstummte, als sie aus dem Getuschel der Gruppe heraus die Wörter »Metapher« und »Verdrängung« vernahm. Von vornherein wissend, dass die ganze Sache mit der Gruppentherapie ein Fehler gewesen war, wollte Lyzzi schon gehen, doch Hanna hielt sie zurück. Sie erinnerte Lyzzi daran, dass sie versprochen hatte, es doch zumindest zu versuchen. Widerwillig ließ sich die Sexdämonin wieder auf ihren Sitzplatz nieder. Versprechen waren eine ernste Angelegenheit, da wo sie herkam.

»Nun, bevor wir darauf näher eingehen, warum erzählen Sie beide uns nicht etwas mehr über Ihre Beziehung«, schlug Helprecht vor, um das Eis zu brechen.

»Sprecht Ihr zwei darüber nicht eh schon seit Wochen?«, fragte Lyzzi kritisch und blickte zwischen Helprecht und Hanna hin und her, wenig erfreut darüber, dass ihre Beziehung jetzt sogar Teil eines öffentlichen Diskurses mit noch mehr Fremden war.

Hanna räusperte sich. »Nun ja, offensichtlich … ich meine, wir sind jetzt ein gutes Jahr zusammen, sehr glücklich und wir lieben uns – ich liebe dich Engelchen, aus ganzem Herzen.«

»Jaja, ich auch. Bin ja hier deshalb.«

»… wir lieben uns, aber offenkundig gibt es … Probleme.«

Lyzzi seufzte. »Ist das wieder diese Altersunterschied-Sache?«

»Der Altersunterschied?«, fragte nicht nur Helprecht. Hanna und Lyzzi sahen beide relativ gleichalt aus.

»Ja, anscheinend, keine Ahnung. Hanna ist, was war es? Dreißig, uh, Minuten alt?«

»34 Jahre. Das sind sehr, sehr viele Minuten, Liebes …«

»Okay, sicher … und ich bin … Alles alt.« Man fragte Lyzzi verwundert, was dies bedeutete.

»Also seit Anbeginn der Zeit bin ich da. Alles, keine Ahnung. Obwohl nicht ganz. Da war die ganze Sache, wie mein Vater und meine Mutter ihre Jobs verloren haben, umgezogen sind und mich und meine Geschwister dann erst erschaffen haben, aber … uff, weiß nicht. Zeit läuft da unten etwas anders. Im Grunde schau ich hier seit der Antike regelmäßig vorbei. Also, pffft, zwei-, dreitausend Jahre aufwärts, oder so? Mindestens.«

»Das scheint mir natürlich ein sehr großer Altersunterschied«, pflichtete Therapeutin Helprecht bei.

»Und dann ist da natürlich ihr Job«, sagte Hanna und Lyzzi verdrehte wieder die Augen. Helprecht animierte sie dann dazu, doch selber mehr darüber zu erzählen.

»Wie gesagt ich bin ein Sexdämon. Die Hölle gibt es, meinen Vater den Teufel gibt es und wenn man hier oben scheiße ist, landet man da halt und hat ewige Verdammnis. Und dämonische Arbeitsbienen wie mich gibt es halt auch. Ich weiß, niemand hier glaubt das. Ihr Menschen findet die absurdesten Wege, das zu rationalisieren, aber ich bin ein echter Dämon aus der echten Hölle.«

»Mach bitte nicht wieder das Ding mit den Flammen. Das war neulich nicht okay«, appellierte Hanna.

»Weiß ich denn, dass so ein bisschen beschworenes Höllenfeuer so viel Chaos stiftet? Es war deprimierend genug, dass mich deine Freunde für eine professionelle Illusionistin gehalten haben!«

»Ich habe dir von Sprinkleranlagen erzählt. Die sind nicht sehr kompliziert: Feuer gleich Wasser gleich niemand ist glücklich …«, wandte Hanna ein und wurde von Helprecht ermahnt, Lyzzi doch bitte aussprechen zu lassen. Hanna entschuldigte sich.

»Auf jeden Fall, mein Job ist es, quasi, dass Sterbliche mich soweit begehren, dass sie ihre Seele meinem Vater – Satan, Fürst der Hölle – überschreiben und das involviert halt auch, dass ich gelegentlich mit ihnen Sex habe«, erklärte Lyzzi, während Hanna die Arme verschränkte.

»Und ich meine, sie wusste das von Anfang an«, deutete Lyzzi mit dem Daumen auf Hanna. »Ich hab‘ da überhaupt nie ein Geheimnis draus gemacht.«

Jemand aus der Gruppe warf ein, dass Lyzzis Sexsucht aber anscheinend ihre Partnerin belastete und das doch nicht gut sei. Lyzzi verdrehte wieder genervt die Augen.

»Es ist keine Sucht. Es ist nicht mal eine Wahl. Es ist mein Wesen, meine Bestimmung, mein Raison d’Être. Meine Eltern haben mich wortwörtlich darauf ausgerichtet geschaffen.«

Man warf daraufhin erneut ein, dass dies etwas traurig klang. Weiterhin: Dass Eltern ja immer irgendwie versuchten, einen zu kontrollieren. Oder: Dass sie sich nicht darüber definieren müsse und so viel mehr sein könne, wenn sie nur den Mut dazu hätte. Lyzzi versuchte freundlich zu lächeln und genauso freundlich die ganze fluffige Positivität zu ignorieren und niemanden in Brand zu setzen. Auch wenn sie der Überzeugung war, dass dies für alle Involvierten einen sehr therapeutischen Effekt haben würde.

»Und ich merke ja«, fuhr sie nach tiefem Durchatmen fort, »dass Han an einer ‚monogamen‘ Beziehung gelegen ist. Ist nicht so, dass ich noch eine Quote an Seelen zu erfüllen hätte wie früher. Seit soziale Medien erfunden worden sind, vollzieht ihr Menschen Todsünden ja eh quasi im Monatstakt – Monate waren die kleinste Einheit, oder Han? … … … Sekunden? Sekunden waren die kleinste? – Okay, dann im Sekundentakt. Eitelkeit, Zorn, Neid, ich mein, Holla die Waldfee, Seelenseelenseelen. Und, uhm, Außendienstdämonen wie ich haben seitdem kaum mehr wirklich was zu tun. Papa musste einen ganz neuen Zirkel der Hölle dafür aufmachen – und baut immer noch an. Totaler Heimwerker in letzter Zeit. Spricht von nichts anderem mehr, stresst sich total und ich sag dann immer: Papa, entspann dich. Hast doch Ewigkeit und Unendlichkeit. Alles gut.«

Helprecht machte sich indes Notizen. »Lyzzi, Sie erwähnen sehr oft Ihren Vater …«

»Ja, das macht sie sehr oft«, pflichtete Hanna mit einem etwas erschöpften Ton bei.

»Gar nicht«, protestiert Lyzzi, definitiv nicht bereit über dieses Thema mit einer Therapeutin zu sprechen – oder mit niemanden jemals. »Auf jeden Fall hab ich in Sachen Seelen gar keinen Druck mehr und die paar Mal, die ich beschworen wurde, seit wir zusammen sind«, sie überlegte kurz und zuckte die Schultern. »Eigentlich nur ein bisschen Handkram, bisschen oral und … keine Ahnung, sehr viel verrücktes Fetischzeug hauptsächlich. Also nicht mal so wirklich richtig Sex. Ehrlich, ich geb mein Bestes, nicht …«, sie machte Anführungszeichen in der Luft: »Fremdzugehen.« Sie sprach jede Silbe des Wortes aus, als wäre es ein frei erfundenes Fantasiewort, das unmöglich eine echte und ernsthafte Bedeutung haben könnte. Sie hätte genauso gut Heumsimilibumflum sagen können.

»Und Sie haben das Gefühl, dass Ihre Bemühungen von Hanna nicht ausreichend gewürdigt werden?«, fragte Helprecht und Lyzzi stimmte ihr enthusiastisch zu – jetzt plötzlich, da man auch ihre Perspektive einnahm, bedeutend weniger kritisch gegenüber der ganzen Therapiesache. Ja, bemerkte sie, es tat sogar seltsam gut, darüber mal mit anderen zu reden, auch wenn es dumme Nicht-Hanna-Menschen waren.

»Aber das ist gar nicht das Problem, oder Hanna?«, sprach Helprecht in einem pädagogischen Talkshowmaster-Ton. Lyzzi sah ihre Partnerin fragend an. »Nicht?«

Hanna seufzte. »Nein, also toll finde ich‘s natürlich nicht, aber … ich weiß ja, worauf ich mich eingelassen habe und ich weiß, dass du bestimmte Verpflichtungen und auch Bedürfnisse hast. Es ist nur manchmal … zu viel. Zu viel Sex, zwischen uns. Ich hab das Gefühl, du bringst deine Arbeit mit nach Hause. Dass du damit vielleicht auch etwas kompensierst, weil du beruflich nicht mehr so aktiv bist.«

»Zu viel? Zu viel?! Hah! Wie kann das Beste, was es gibt, zu viel sein?«, fragte Lyzzi. Man warf aus der Gruppe ein, dass die Sonne das Beste war, was es gibt, da sie Wärme, Licht und Leben für die ganze Welt spendete. Lyzzi ignorierte das.

»Ich mein, es ist toll«, sagte Hanna. »Befriedigend, auf jeden Fall und immer … mehrmals, aber ich komm in meiner Freizeit fast zu nichts anderem mehr. Ich schlafe zu wenig, die Arbeit leidet, Kollegen und Kolleginnen stellen mir öfter Fragen, warum ich so müde sei und wir beiden reden auch über nichts anderes mehr.«

»Schatz, es sind nicht nur Bedürfnisse. Ich ernähre mich auch von menschlicher Lust und wenn wir eine feste Beziehung haben wollen, dann bist du mein kompletter Ernährungsplan.«

»Ich weiß ja, ich weiß. Und das ist auch irgendwie süß von dir, aber …«

»Ich mein, ich würde ja masturbieren«, sagte Lyzzi grinsend an die Runde gewandt. »Aber im Grunde ist das so, als würde ich mich selbst aufessen. Gnah, mnom, mnom, mnom«, sprach Lyzzi fröhlich und tat so, als würde sie ihren eigenen Arm aufessen. Sie starrte dann lachend und erwartungsvoll in die seltsamerweise nichtlachende, sondern betreten auf den Boden blickende Runde.

»… es ist witziger, wenn man es mal bei den Völlerei-Sündern selbst gesehen hat«, erklärte sie kaum hörbar. Sie fand es extrem witzig, aber sie merkte wieder, dass infernaler Humor auf Erden nicht immer so gut ankam.

»Ich wünschte halt, wir würden auch mal was anderes machen«, fuhr Hanna fort. »Nicht immer nur Sex, Sex, Sex so … andauernd.«

»Aber, uh, wir haben da doch neulich das … das Ding gemacht, oder? Was du wolltest?«, wandte Lyzzi rechtfertigend ein. »Filmabend oder wie das hieß. Netflix und … Schiller, Tschilling, Chili oder so?«

Man warf ein, dass sie wohl »Netflix and Chill« meinte und das ja eigentlich auch nur eine Umschreibung für Sex war.

»Ja, das. Auf der Couch aufrecht nebeneinandersitzen und dabei das flache Tafel-Fernseh-Ding ansehen.«

Hanna stöhnte müde und wandte sich an die Runde. »Ja, wir wollten gemeinsam Filme gucken. Ghost – Nachricht von Sam, weil ich dachte, dass er ihr auch gefällt mit den Schattendämon-Geister-Dingern und so, aber eine halbe Stunde in den Film hinein, hat sie dann gesagt, dass es da eine bessere Version gäbe und …«

»Die fand ich halt interessanter. Wir wollten was gucken, was wir beide interessant fanden.«

»Es war eine Pornoversion des Films …«

»Eine Parodie. Du hast gesagt, dass du Parodien magst!«

»Witzige! Keine mit nacktem Schlammringen!«

»Ich fand die sehr witzig!«

Helprecht schritt an dieser eskalierenden Stelle beschwichtigend ein und fragte Lyzzi, ob sie denn »ernährungstechnisch« wirklich so viel Sex bräuchte. Lyzzi gab zu, dass – nein – dies nicht der Fall wäre.

»Ich will halt einfach auch mal etwas anderes machen, weißt du, wie andere Paare auch«, flehte Hanna.

»Lyzzi«, setzte Therapeutin Helprecht nach. »Niemand will, dass Sie Sex komplett aufgeben. Man merkt, wie wichtig Ihnen dieser Part des Zusammenseins ist. Hanna weiß auch, wie wichtig Ihnen das ist«, sagte Helprecht. Allgemeines und verständnisvolles Nicken. »Aber eine Partnerschaft ist ein – Geben und Nehmen«, sagte sie und die letzten drei Wörter wurden im mantraartigen Einklang von der ganzen Gruppe wiederholt.

Lyzzi zuckte zusammen und sah sich irritiert um. Sie fragte sich, ob sie nicht doch schon wieder an irgendwelche Wochenend-Satanisten geraten war, konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf das Wesentliche. Weniger Sex? Sie war nicht erfreut, blickte aber auf Hanna und seufzte dann resignierend. »Okay. Fein. Ich schätze … Ich schätze, wir könnten, vielleicht, auch mal, gelegentlich, mehr Nicht-Sex-Sachen machen, ab und zu mal.«

»Gibt es vielleicht etwas, das Sie zuletzt gemacht haben, an dem Sie beide Spaß hatten und das kein Verkehr war?«, fragte Helprecht.

Beide überlegten mehrere Sekunden lang. Tatsächlich war es Lyzzi, der zuerst etwas einfiel.

»Uff … uh, also …. ich mochte es, wie wir neulich, uh, Hummer essen waren.«

»Ja? Ja, stimmt. Das war nett. Ein schöner Restaurantbesuch am Hafen war das«, pflichtete Hanna bei.

»Ja. Lebewesen mit Seele, die bei lebendigem Leibe gekocht werden. Das war … das war schön. Dazu bin ich als Kind auch immer eingeschlafen.«

»Nun, ja. Ich schätze, ja. Das können wir doch vielleicht weiterverfolgen, oder? Öfter mal wiederholen?«, fragte Hanna optimistisch die Therapeutin. Helprecht, die zwar mit etwas mehr Zeit wirklich gerne mit Lyzzi weiter über ihre Kindheit gesprochen hätte, stimmte zu und gab befriedigt mit den erzielten Fortschritten weiter zum nächsten Paar.


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