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Gerechtigkeit

1. Norbert Mette

Entsprechend dem Axiom von der Einheit der Gottes- und Menschenliebe besteht die Praxis des christlichen Glaubens in zwei Grundvollzügen: dem „Beten und Tun des Gerechten unter den Menschen“ (D. Bonhoeffer).

Den biblischen Zeugnissen in beiden Testamenten zufolge hat sich Gott als der offenbart, der Gerechtigkeit ist und Gerechtigkeit will. Durch sein Handeln bewirkt er Gerechtigkeit und eröffnet er den Menschen die Möglichkeit, in Freiheit ihrerseits Gerechtes untereinander zu tun. Gottes „Tun des Gerechten“ besteht darin, die, die ihrer Rechte beraubt worden sind, wahr-zu-nehmen, sich von ihrer Not anrühren zu lassen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen, in Freiheit miteinander leben zu können.

Diesen Gott, der für die Bedrängten und Unterdrückten, für die der „Fülle des Lebens“ (Joh 10,10) Beraubten Partei ergreift, zu erkennen und zu ehren, ist seitens der Menschen an eine entsprechende Praxis gebunden. „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit …“ (Mt 6,33).

2. Regina Polak

„Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben!“ (Mt 6,33). Das Streben nach der Gerechtigkeit des Reiches Gottes steht im Zentrum des Evangeliums Jesu Christi und beschreibt eine ebenso spirituelle wie soziale und politische Praxis.

Laut biblischem Zeugnis ist Gerechtigkeit zuerst eine Eigenschaft Gottes: Er sieht das Elend seines Volkes, hört seine Klage, kennt sein Leid und kommt ihm zu Hilfe (Ex 3,7). Die Gerechtigkeit Gottes ist also – im Unterschied zum griechischen Mythos – nicht blind und abstrakt, sondern sieht das Leid der Armen und hat Erbarmen. Deshalb ist diese Art der Gerechtigkeit auch parteiisch: Sie gibt den Armen Vorrang und nimmt die Reichen in die Pflicht. Sie zielt auf die Gleichheit der Menschen, auf eine gerechte Verteilung der Güter und Teilhabemöglichkeiten für alle Menschen einer Gesellschaft. Die Armen dürfen daher nicht nur mit Almosen abgespeist werden, sondern haben Rechte. – Weil Gott gerecht ist, können und müssen auch die Menschen als sein Abbild gerecht sein.

Spirituell bedeutet dies, Erbarmen (Mitgefühl) zu lernen und Gerechtigkeit als Tugend zu üben. Politisch verpflichtet dies dazu, an einer Gesellschaftsordnung mitzuwirken, die ihre ethische Qualität an einem guten Leben der Armen bemisst. Die Gerechtigkeit ist daher die Form der Liebe zu den Armen.

3. Alois Riedlsperger

„Gerecht“ ist ein Grundwort. Es meint richtig, entsprechend – im Sinne eines Maßstabs: Gleiches gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln oder jedem das Seine, das ihm Entsprechende zu geben. Dabei sind nach Situation und Kontext die Kriterien für diesen Maßstab zu diskutieren und zu bestimmen.

Das Wort „gerecht“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt: für menschliche Handlungen und ihre Beurteilung (z.B. bei Entlohnung, im Sport, vor Gericht), für soziale Regeln (z.B. Gesetze, Verfahrensweisen), für Beziehungen zwischen Personen und Gruppen in der Gesellschaft (z.B. Besserstellung, Benachteiligung). Im politischen Prozess bezieht sich „gerecht“ auf „Soziale Gerechtigkeit“.

Mit der Verarmung der Arbeiterschaft in der Industriellen Revolution wird damit ein Gesellschaftssystem als gerecht bezeichnet, das auf das Gemeinwohl im Sinne des Wohls aller und eines jeden abzielt. Mit der Globalisierung geht es um eine „Gerechte Weltordnung“ im Sinne eines weltweiten Gemeinwohls, mit dem Klimawandel um „ökologische“ und „Generationengerechtigkeit“ als politische Aufgabe.

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