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Armut

1. Elisabeth Jünemann

Der sozialethische Blick auf die Armut zeigt ein differenziertes Bild: Der Blick auf die Ressourcen sieht den finanziellen Mangel. Arm ist, wer zu wenig Geld hat, seine Bedürfnisse in einem gesellschaftlich als notwendig anerkannten Maße zu befriedigen. Der Blick auf die Lebenslagen sieht die Chancen der Lebensführung, die nicht allein von den verfügbaren finanziellen Ressourcen abhängig ist. Allerdings ist es schwierig, Verwirklichungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume jenseits der finanziellen Ressourcen methodisch angemessen zu bewerten.

Schon deshalb kommt dem Ressourcenansatz weltweit größere Bedeutung zu: Absolut arm ist, wer weniger als 1,90 $ am Tag zur Verfügung hat. Diesen zurzeit noch ca. 700 Millionen Menschen fehlt das finanzielle Minimum zum Überleben. Neben der Unterschreitung des Existenzminimums ist die Unterschreitung des normalen Lebensstandards relevant. Als „arm“ gilt der, dessen Einkommen weniger als 50% des Durchschnittseinkommens beträgt. Arme gibt es dann auch in Wohlstandsgesellschaften.

2. Regina Polak

Die Armut gehört mit dem Gehorsam und der Keuschheit zu den drei „evangelischen Räten“. Sie ist eine Empfehlung Jesu, wie man ihm nachfolgen und „vollkommen“ sein kann (Mt 19,21). Dieser Rat idealisiert keinesfalls Mangel, Not und Elend, sondern empfiehlt Besitzlosigkeit und fordert dazu auf, das eigene Leben den Armen zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist dieser Rat auch nur für jene verpflichtend, die sich freiwillig für ein in besonderer Weise Gott geweihtes Leben entscheiden, z.B. Ordensmitglieder. Alle anderen Christ*innen können, müssen aber nicht so radikal leben.

Ein Leben in Armut zu führen bedeutet, einen einfachen, bescheidenen Lebensstil zu pflegen. So werden Menschen nicht von irdischen Wirklichkeiten abhängig, z.B. von Sicherheit, Besitz, Wohlstand und Macht. Freiheit und Unabhängigkeit werden dadurch geschützt. Armut kann aber auch mit Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit, Bedürftigkeit und Ohnmacht konfrontieren, kann daher auch Angst auslösen. Anders als ein reicher ist sich ein armer Mensch daher eher bewusst, dass er, sie andere Menschen und Gott braucht.

Armut meint also auch eine Tugend, eine Lebenseinstellung, die um die Angewiesenheit auf Gott weiß. Deshalb – so das biblische Zeugnis – sind die Armen Gott in besonderer Weise nahe. Auch Jesus von Nazareth preist die Armen als glücklich, denn „ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3).

3. Rainald Tippow

Armut ist eine Situation, die durch einen Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe sowie von sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet ist. Zugleich sind die Möglichkeiten, dieser Situation aus eigener Kraft zu entkommen, nur eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Neben den bekannten Ausprägungen materieller Natur gibt es sie auch in ideeller Form, z.B. infolge von Einsamkeit oder dem Tod naher Bezugspersonen.

Da insbesondere in reichen Ländern arme Menschen Reichtum und Wohlstand nicht selten als Ergebnis von Leistung sehen, wird materielle Armut als beschämend und stigmatisierend empfunden, etwa als Folge von Faulheit oder Schwäche. Die EU definiert Armut als „erhebliche materielle Deprivation“ und erfasst sie statistisch. Demnach spricht man von Armut, wenn das Haushaltseinkommen unter 50% des Einkommensmedians des jeweiligen Landes liegt. Was als Armut „gilt“, steht somit in Relation zur materiellen Lage des konkreten Lebensumfelds und stellt sich global daher anders dar als in Europa. Sie ist „immer auch ein gesellschaftlich definierter Status“. Je nachdem, ob sie sich an wissenschaftlichen Konzepten, der öffentlichen Wahrnehmung oder am subjektiven Notgefühl der Betroffenen orientiert, wird Armut verschieden definiert.

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