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1.Vorbemerkung
Оглавление„Was fehlt?“ Leerstellen der Theologie in spätmodernen Zeiten, so lautet der Titel des Symposiums, das zu Ehren von Alexius J. Bucher abgehalten wird.
Zur Frage und Aufgabe dieses wissenschaftlichen Austausches aus festlichem Anlass geben die Organisatoren in der „Einführung“ zum Programm folgende erklärende Hinweise: „Es fällt nicht leicht, in den Rücken der eigenen Arbeit zu gelangen und blinde Flecken des eigenen Tuns zu identifizieren. Aber mehr und mehr drängen sich Fragen und Problemkreise auf, die ahnen lassen, dass und wo Theologie hinter dem zurückbleibt, was sie angesichts ihrer Verpflichtung gegenüber Tradition und Gegenwart leisten könnte und sollte. So verwirrend plural Tradition und Gegenwart erscheinen mögen: Das Symposion will diese Zonen eines theologischen Defizits erkunden und sich ebenso vorsichtig wie mutig den momentanen Leerstellen der wissenschaftlichen Theologie annähern. Die Philosophie ist hierfür der Theologie seit langem eine bewährte Gesprächspartnerin. Dieses Symposion geht davon aus, dass auch in spätmodernen Zeiten Theologie mehr denn je auf eine Philosophie verwiesen bleibt, die ‚an der Zeit ist‘“1.
Dieser Text, so meine ich, bringt die Aufgabe des Symposiums deutlich und genau auf den Punkt. Zu meiner eigenen Vergewisserung darf ich sie kurz zusammenfassen: Vor dem Hintergrund neuer Fragen und Probleme handelt es sich um den Versuch der Identifizierung von blinden Flecken, um die Erkundung möglicher „Leerstellen“ der heutigen wissenschaftlichen Theologie. Diese Aufgabe soll zugleich, wie der zitierte Titel des Symposiums nahezulegen scheint, als der Versuch verstanden werden, Antworten auf eben die Frage, „was heutiger Theologie fehlt“ zu wagen oder zumindest Perspektiven für die Suche nach Auswegen vorzubereiten.
Aber der Text benennt nicht nur die Aufgabe und die Bedeutung, die ihre Erörterung für die Zukunft der Theologie hat. Eine aufmerksame Lektüre zeigt zudem, dass der Einführungstext noch einen methodischen Hinweis für die Behandlung der gestellten Aufgabe gibt, indem er auf die Philosophie als „bewährte Gesprächspartnerin“ der Theologie setzt. Mit der kulturgeschichtlichen Bemerkung über die „spätmodernen Zeiten“ gibt der Text darüber hinaus noch einen kontextuellen Hinweis zum Verständnis der geistigen und geschichtlichen Situation, in deren Rahmen die Aufgabe zu sehen ist.
Die Formulierung der Aufgabe, die Hinweise zu deren Behandlung sowie die damit verbundenen Erwartungsperspektiven lassen zudem aber ebenfalls erkennen, dass der Einführungstext philosophische und theologische Voraussetzungen impliziert, die sich meines Erachtens sowohl für eine tiefere Einsicht in den Sinn der Frage als auch für eine breitere Suche nach Potenzialen noch möglicher Orientierung als nachteilig erweisen können, und zwar deshalb, weil sie, wie es mir erscheinen will, eurozentrisch sind.
Mir ist allerdings bewusst, dass auf den ersten Blick dieser Vorwurf unvermittelt, ja völlig deplaziert erscheinen mag. Mit dieser Veranstaltung halten wir doch ein „deutschsprachiges“ Symposium ab, das sich zur Aufgabe gemacht hat, über die Situation der Theologie im gegenwärtigen Kontext einer (europäischen) „spätmodernen“ Gesellschaft nachzudenken. Und dennoch soll hier der Eurozentrismusvorwurf für keine billige Polemik stehen. Mein Motiv dafür ist vielmehr die begründete Überzeugung, dass das Fragen christlicher Theologie, zumal wenn sie sich als katholisch bekennt, kontextuell sein soll, nicht aber regional bzw. provinziell sein darf.
Fragen katholischer Theologie sollten ja den weltgeschichtlichen, offenen Horizont der Katholizität, zu der die „Ecclesia“ christlichen Glaubens berufen ist und beruft, niemals aus den Augen verlieren. Mehr noch: Katholizität, hier verstanden als qualitative kommunikative Bewegung auf Universalität hin, muss Element und Medium ihres Fragens sein. Zwar: Schon aufgrund des „Sitz im Leben“-Prinzips, das für die Lebendigkeit und Authentizität der katholischen Theologie allgemein als notwendig anerkannt wird, sollte diese bei der Auseinandersetzung mit Fragen vom kontextuellen Zusammenhang ausgehen, dabei aber die kontextuelle Auseinandersetzung gleichzeitig im Bewusstsein davon führen, dass sie aus Tradition in der Denken und Handeln normierenden Verpflichtung der Katholizität steht. Und das bedeutet eben: Katholische Theologie hat kontextuelle Theologie zu sein, wohl aber im Bewusstsein davon, dass sie immer schon Theologie einer zur Katholizität berufenen und berufenden Gemeinschaft ist.
Das Fragen katholischer Theologie wird daher immer dann verengt, wenn es mit den Fragen resignierter Welt und Geschichte aus ihrer Vereinsamung heraus lesender Theologen verwechselt wird. Das Fragen katholischer Theologie, gleich wo es sich kontextuell artikuliert, ist vielmehr Bestandteil des Geschehens der Katholizität im Werden und vor dieser muss es sich in jedem Kontext verantworten. Die auf das Unendliche hinweisende Weite, die das Fragen katholischer Theologie trägt, bedeutet deshalb für die Theologen die Pflicht zu überprüfen, ob die Art und Weise, wie sie Fragen kontextuell verstehen und formulieren, Verengungen mit sich bringen.
Also: In der Absicht dazu beizutragen, über die im Mittelpunkt des Symposiums stehende Frage von einem umfassenderen Erfahrungshintergrund aus nachzudenken, um so vielleicht auch ihre fundamentale Bedeutung als Grundfrage christlicher Existenz deutlicher in den Vordergrund zu rücken, möchte ich zunächst auf die angesprochene Problematik des Eurozentrismusverdachts bei den Voraussetzungen, die nach meinem Verständnis dem Einführungstext zu Grunde liegen, kurz eingehen.
Meinerseits, so muss ich dazu gleich hinzufügen, werde ich dabei die Sicht der interkulturellen Philosophie voraussetzen. Da ich hier allerdings auf diese Voraussetzung nicht eingehen kann, darf ich nur die zwei Gründe benennen, weshalb die interkulturelle Philosophie in eben diesem Zusammenhang vorausgesetzt wird. Zum einen, weil ein wesentliches Anliegen der interkulturellen Philosophie darin besteht, mit den Menschen und ihren Kulturtraditionen zu lernen, die Fragen der Menschheit in ihren pluralen Formen zu verstehen, dabei jedoch immer nach dem möglichen gemeinsamen Grund derselben fragend; zum anderen, weil interkulturelle Philosophie Kontextualität und Universalität nicht als konträre Erfahrungen, sondern als zwei sich gegenseitig bereichernde Momente einer einzigen geschichtlichen Bewegung versteht. Kontextualität bedeutet für sie doch kein rein räumliches Geschehen, sondern die regressive Methode, durch die philosophisches Denken sich in die Geschichte der memoria passionis et liberationis der Menschheit einschreibt.
Memoriale Tiefe, nicht räumliche Ausdehnung bringt das Denken auf dem Weg zur Universalität.
Aber ich komme zum ersten Punkt, der in meinen Überlegungen – wie ich vorausschicken möchte – eigentlich nur als Hintergrundvorbereitung für die im dann folgenden zweiten Punkt dargelegten Betrachtungen gedacht ist. Dazu darf ich auch gleich klarstellen, dass es sich ausdrücklich um Betrachtungen zum Nachdenken über den Sinn der Frage „was fehlt?“ handelt.
Also: Bei der Aufgabe, mit der uns das Symposium konfrontiert, beschränke ich mich auf den Versuch, zur denkerisch vorbereitenden „Einstimmung“ auf den Sinn der Frage „was fehlt?“ beizutragen. Das ist die Intention der folgenden zwei Punkte meiner Ausführungen. Vielleicht muss sich Theologie doch erst fragen, ob sie in ihrer heutigen Verfassung die Frage „was fehlt“? überhaupt sinnvoll stellen kann. Wenn diese Vermutung stimmt, dann wäre der hier intendierte Versuch nicht abwegig, sondern tatsächlich der Anfang der Arbeit an der gestellten Aufgabe.