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Quid est homo? Der Mensch in Zeiten seiner körperlichen Transformation
ОглавлениеKlaus Wiegerling, Karlsruhe
Die Theologie erfährt durch neue Möglichkeiten der Transformation des menschlichen Körpers bzw. der Steigerung körperlicher Vermögen eine Herausforderung, die bisher kaum beachtet wurde.
Das katholische Menschenbild, durch ein auf der Gottesebenbildlichkeit beruhendes Naturrecht gegründet, wird mit in erheblichem Maße technisch bedingten Veränderungen menschlicher Ressourcen und damit möglicherweise des Menschseins selbst konfrontiert. Die ‚conditio humana‘ hat längst eine bio- bzw. informationstechnologische Dimension.
Wir müssen die Frage stellen, ob der Mensch der Zukunft, der zumindest in den hochtechnisierten Teilen der Welt wohl nicht nur in einer natürlichen Deszendenz, sondern zunehmend auch in einer technischen Entwicklungsreihe stehen wird, noch problemlos angeschlossen werden kann an das, was wir heute unter einem Menschen verstehen. Was bleibt vom ‚Wesen‘ des Menschen, wenn dieses Wesen eine völlig andere Disposition erfährt. Es stellt sich in der Nachfolge von Heideggers Destruktion der Metaphysik die Frage, ob die bisherige Endgestalt der Metaphysik, die er in der zu seiner Zeit modernen Technik sah, nicht dann eine Überbietung erfährt, wenn das technische Denken, als ‚stellendes‘ Denken, den Menschen selbst erfasst, und zwar als ein technisches Artefakt, in dem bio- und informationstechnische Verfahren konvergieren. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass der Mensch erstens in biotechnischen Verfahren von Geburt an eine von Menschen hergestellte besondere genetisch-physiologische Disposition erfährt und sozusagen als ein Biofakt zur Welt kommt; zweitens erfährt der Mensch im Laufe seines Lebens eine informationstechnologische Aufrüstung durch intelligente Implantate und Prothesen, die verknüpft mit einer intelligenten Umwelt Möglichkeiten einer quasi instantanen Anpassung an Umweltbedingungen bzw. Rollenanforderungen sowie eine Möglichkeit der permanenten Überwachung und Regulierung von vitalen Prozessen bietet; drittens ist noch denkbar, dass informationstechnologische Funktionen von entsprechend gestaltetem organischem Material übernommen werden, dass es also in gewisser Hinsicht zu einer Aufhebung des Gegensatzes von Informations- und Biotechnologie kommt. Es stellt sich damit in einer neuen Art und Weise die Frage nach dem Adressaten der Heilsbotschaft. Wer also ist der künftige Mensch, wer der künftige Adressat der Heilsbotschaft? Im Folgenden soll in fünf Thesen die Dringlichkeit der Frage nach dem künftigen Adressaten der Heilsbotschaft exponiert werden.
These 1: Wir leben in einer Zeit, in der die Frage nach dem Adressaten der christlichen Heilsbotschaft eine neue Qualität erlangt, insofern der Mensch in seiner organischen Disposition eine Transformation erfährt, die sogar Einfluss auf seine Denkfähigkeit zu nehmen vermag
Man hat traditionell die physiologische Disposition des Menschen von dem unterschieden, was unter dem Begriff ‚conditio humana‘ gefasst wurde. Längst ist die physiologische Disposition des Menschen allerdings Teil einer technischen Verfügungsmacht geworden. Bio- und informationstechnologische Möglichkeiten werden bereits zur ‚Herstellung‘, zur Erhaltung, aber auch zur Aufrüstung menschlichen Lebens genutzt. Das heißt, die ‚conditio humana‘, die sich wesentlich in sozialen bzw. kulturellen Bedingungen äußert – wie sie von Anthropologen wie Plessner oder Gehlen etwa formuliert wurden –, erfährt eine Art Unterwanderung durch technische Verfügungsmittel, die Teil unserer physiologischen Disposition geworden sind. In gewisser Hinsicht dringt Technik, die freilich schon immer ein Ausdruck der kulturellen bzw. historischen Disposition des Menschen war, in die organischen Grundlagen des Menschen. Sie ist damit nicht nur das, was man zur äußeren Bewältigung des Lebens nutzt, sondern sozusagen ‚innerer‘ Bestand unserer ‚Natur‘. Der menschliche Körper stand immer in einer besonderen Beziehung zu den Bedingungen seiner Lebenswelt.
Immer schon gab es kulturelle Rhythmisierungen und Prägungen unseres Körpers bis hin zum Schmerzempfinden – man denke an das Schmerzempfinden Angehöriger von Jagdvölkern oder der Fakirkultur. Dies geschieht durch passive und aktive Anpassungsvorgänge, durch Sozialisierung, durch Trainingseffekte, Gewöhnung und Erziehung.
Die neuen Techniken zur Steigerung der Fähigkeiten des menschlichen Körpers sollen aber Möglichkeiten bieten, den menschlichen Körper quasi im Instantverfahren auf veränderte Lebensbedingungen und deren Erfordernisse einzustellen. Dies kann bedeuten, dass es situative Anpassungen geben wird, etwa wenn der Biorhythmus eines Piloten bei Transatlantikflügen so verändert wird, dass eine möglichst optimale Aufmerksamkeit gewährleistet ist. Die organische Regulierung des Körpers kann nun in automatisierter Weise durch intra- aber auch extrakorporal vorgenommene informatische Steuervorgänge erfolgen.
Ohne Frage wird man menschliche Gebrechen künftig nicht nur mit dem Skalpell oder mit Medikamenten behandeln, sondern auch vom Rechner aus, indem man intelligente Implantate neu justiert. Die ‚conditio humana‘ des modernen Menschen in den technisch hochgerüsteten Teilen der Welt sieht also so aus, dass die Natur – die nach aristotelischem Verständnis etwas sich von selbst Bewegendes, Wachsendes bzw. Zurückentwickelndes und den technischen Fähigkeiten des Menschen Gegenüberstehendes ist – substantiell auf einen hyletischen Restbestand reduziert wird. Ja man kann sogar sagen, dass Natur in einen Reflexionsbegriff transformiert wird, der die Bedingung eines Verhältnisses fokussiert, aber kein eindeutiges Referenzobjekt mehr hat.
Die moderne synthetische Biologie geht von einem radikal reduzierten Naturverständnis aus, wenn sie Leben aus unbelebten physikochemischen Grundbeständen zu schaffen beansprucht. Dass die transhumanistischen Vorstellungen eines technisch aufgerüsteten menschlichen Körpers oft naiv sind, steht dabei außer Frage. Man kann nicht ohne weiteres das menschliche Gehör auf das Niveau des Gehörs eines gesunden Hundes bringen, ohne dass dies Auswirkungen auf den Gesamtorganismus und vor allem die Psyche des Menschen hätte.
Natürlich muss jede Steigerung körperlicher Fähigkeiten mit dem gesamten Organismus vermittelt werden. Es sind aber durchaus enorme Möglichkeiten der Leistungssteigerung – etwa im Feld der Orthopädie – denkbar. Dabei ist allerdings auch nach langfristigen Folgen für den Gesamtorganismus zu fragen. Kurzfristige Leistungssteigerungen werden – wie beim Doping im Sport – nicht selten mit den Organismus schädigenden Spätfolgen erkauft. Dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Eingriffe in den menschlichen Organismus möglich sind, die sogar einen Einfluss auf die Stimmung und die Denkleistung jenseits pharmazeutischer Möglichkeiten ausüben.
These 2: Die körperliche Transformation des Menschen hat Auswirkungen auf sein leibliches Selbstverständnis und seine Weltwahrnehmung
Unsere Leiberfahrung unterscheidet sich von der in der Dritten-Person-Perspektive gemachten Körpererfahrung nicht nur dadurch, dass es sich bei ihr um eine Wahrnehmung in der Ersten-Person-Perspektive, sondern vor allem auch dadurch, dass es sich um die Wahrnehmung einer historisch-kulturellen Entität handelt. Der Leib als naturalisiertes Kulturstück bzw. als kultiviertes Naturstück kann nicht nur naturwissenschaftlich erklärt werden, sondern muss wie jedes historische Phänomen immer wieder aufs Neue ausgelegt werden. Er ist für uns das zentrale Medium der Welt- und Selbstvermittlung. Wir erfahren uns als ein besonderes, von der Welt und anderen lebendigen Entitäten geschiedenes Naturstück, das uns über die Sinnesvermögen einen Zugang zur Welt verschafft und uns ein Selbstgefühl gibt. Wir erfahren durch den Leib Widerständigkeiten, die uns die physikalisch fassbare Außenwelt, aber auch den fremden Willen anderer Leiber erfahren lässt.
Der individuelle Leib impliziert aber auch Intersubjektives. Damit ist nicht nur das gemeint, was Merleau-Ponty ‚Zwischenleiblichkeit‘ nennt, also quasi eine präkognitive Disposition des menschlichen Handlungsraumes durch die Nähe anderer Leiber wie im Verhältnis von Mutter und Kind, sondern ein Leiberlebnis und Leibverständnis, das ich mit Angehörigen meiner Kultur und Epoche teile. Indische Yogis erleben ihren Körper anders als wir. Der Leib ist immer etwas transzendierendes, seine organische Disposition Übersteigendes. Unser Selbst- und Weltverständnis kann also nicht von unserer Körperlichkeit her verstanden werden, sondern ausschließlich von unserer Leiblichkeit her.
Verändert sich aber durch technisches Handeln die körperliche Disposition des Menschen, hat dies auch Auswirkungen auf das Leibverständnis. Ärzte berichten davon, dass die Patientenerwartung zunehmend der eines Kleinkindes gleicht, das nach dem Sturz weinend zur Mutter rennt und ‚Heile machen‘ ruft. Der Arzt soll das körperliche Gebrechen sozusagen instantan beheben. Der eigene Leib wird zunehmend als eine Maschine empfunden, die gewartet und repariert oder auf neue Anforderungen auf- oder umgerüstet werden kann. Diese Erwartungen werden zum Teil von den Gesundheitsinstitutionen evoziert bzw. initiiert, etwa wenn eine fortschreitende Präventionsmedizin sich als Wartungsdienst begreift und die Grenzen zwischen ‚Gesundheit‘ und ‚Krankheit‘ zunehmend verwischt. Ein Sofortismus hat alle Sphären des gesellschaftlichen und individuellen Lebens erfasst und prägt zunehmend auch Erwartungshaltungen gegenüber der Medizin.
These 3: Traditionelle Vorstellungen der Natur als etwas, das sich selbst hervorbringt, ebenso wie traditionelle naturrechtliche Prämissen genügen nicht mehr, um den gegenwärtigen Transformationsprozess des Menschen und dessen künftiges Selbstverständnis zu fassen
Es stellt sich die Frage, ob naturrechtliche Voraussetzungen, die theologisch auf der Gottesebenbildlichkeit des Menschen beruhen, noch genügen, um die sich im gegenwärtigen Zeitalter der Transformation des Menschen verändernde ‚conditio humana‘ fassen zu können.
Ohne Frage liegt hier eine neue Herausforderung für die Theologie, die den zentralen kirchlichen Auftrag der Vermittlung der Heilsbotschaft betrifft. Es geht um die Frage, wer das Wesen ist, dem die Heilsbotschaft vermittelt werden soll.
Das christliche Naturverständnis geht von der kreatürlichen Eigenständigkeit des Menschen aus. Dabei wird die Natur des Menschen durchaus als offen, also als veränderlich angesehen. Es wird also keineswegs ein starrer Naturbegriff angenommen, sondern durchaus einer, der Veränderlichkeit etwa im Sinne der Deszendenztheorie einschließt.
Nun ist, wie erwähnt, die ‚conditio humana‘ ein Begriff, der das Feld körperlich-organischer Dispositionen transzendiert. Zu ihr zählen Weisen der Gemeinschafts- und Gesellschaftsorganisation, gehören auch kulturelle Dispositionen, die unabdingbar sind für das nackte Überleben, aber auch Bedingung eines gelingenden Lebens des Menschen sind.
Zur ‚conditio humana‘ gehört nicht zuletzt auch die technische Disposition des Menschen, wie sie von Helmuth Plessner im ersten anthropologischen Grundgesetz von der natürlichen Künstlichkeit des Menschen formuliert wurde. Die neue Qualität sieht nun aber so aus, dass die Kultur sich in anderer Weise in unseren Leib einschreibt, als es die klassische Lebensweltphilosophie und die Phänomenologie im Verhältnis von Leib und Lebenswelt annimmt. Es geht nicht mehr um Prägungen und Anpassungen, auch nicht darum, dass die organische Disposition des Menschen in seiner Vorgegebenheit angenommen und gewürdigt wird, sondern um die technische Gestaltung und Hervorbringung dieser körperlichen Dispositionen. Es steht damit schlicht und ergreifend die Natalität des Menschen infrage. Der Mensch ist dann nicht mehr Ausdruck eines Neuanfangs, sondern etwas, das von fremden Mächten geformt bzw. disponiert ist, ein Wesen, das sozusagen nicht mehr Herr im eigenen Haus ist, gerade, weil es sich zum Herrn der Schöpfung gemacht hat. Das Fatale an den neuen Möglichkeiten informations- und biotechnologischer Aufrüstung des menschlichen Körpers liegt darin, dass die Implantate und die extrakorporalen Überwachungssysteme zunehmend autonom agieren. Der Mensch hätte dann in seiner körperlichen Disposition eine Technologie freigesetzt, die sich in einem nicht unerheblichen Maß einer unmittelbaren Steuerung und Kontrolle entzieht. Der entglittene Besen des Zauberlehrlings treibt sozusagen in uns selbst sein (Un-)Wesen.
These 4: Die moderne Technik, die Martin Heidegger als eine Endgestalt des stellenden, alles einem Kalkül unterwerfenden metaphysischen Denkens sah, erweist sich als ein ‚vorletzter‘ Ausdruck des metaphysischen Denkens, insofern die Endgestalt erst dann erreicht wäre, wenn das Denken des Menschen selbst technisch unterwandert, also Ausdruck einer quasi autonomen Technologie ist
Es stellt sich in der Folge von Heideggers Destruktion der Metaphysik die Frage, ob die bisherige Endgestalt der Metaphysik, die Heidegger in der zu seiner Zeit modernen Technik sah – und die für ihn der Inbegriff des stellenden, alles unter seine Verfügung bringenden Denkens ist –, nicht dann noch eine Überbietung erfährt, wenn das technische Denken den Menschen selbst von innen her, also seinen organischen Dispositionen her kolonialisiert, wenn dieses Denken zu einer gestaltenden, die organische Disposition transformierenden und substituierenden, technischen Praxis wird.
Der Mensch wird zunehmend als ein technisches Artefakt, als im Labor hergestelltes Biofakt oder eine Art Cyborg gesehen, in dem bio- und informationstechnische Verfahren konvergieren. Dieses letzte metaphysische Denken würde sich dann auch in – innerhalb eines gewissen Rahmens – ‚autonom‘ agierenden intelligenten Implantaten und Prothesen artikulieren und somit in die biologische Substanz des Menschen dringen. Der Mensch erfährt sich so nicht nur als ein in einer natürlichen Deszendenzlinie, sondern zugleich als ein in einer technischen Entwicklungslinie stehendes Wesen.
Intelligente Implantate und Prothesen können nun nicht nur körperliche Vermögen steigern bzw. neuartige körperliche Vermögen verschaffen, sie können auch intellektuelle Vermögen beeinflussen. So wird bereits in der klinischen Psychiatrie mit Hirnimplantaten experimentiert, die bei an schweren Depressionen Leidenden Gehirnpartien lahmlegen und so für eine Stimmungsaufhellung ohne Medikamente mit schweren Nebenwirkungen sorgen sollen.
All diese intelligenten Implantate und Prothesen können natürlich auch von außen eine Überwachung und Steuerung erfahren. Dies heißt freilich noch nicht, dass das Denken des Menschen von außen in einem expliziten Sinne gesteuert werden kann, dies würde ja bedeuten, dass ein ‚Es‘ denkt, womit auch die Rede von einem autonomen und überhaupt individuellen Wesen, das verantwortlich handeln kann, obsolet wäre. Es ist aber durchaus, ähnlich wie unter medikamentösem Einfluss, vorstellbar, dass ein Stimmungswandel auch informationstechnologisch herstellbar ist. Die Haut als Außengrenze des Körpers ist dann überwunden, wenn intrakorporale Vorgänge wie bei der Blutwäsche von außen gesteuert werden können. Diese Steuerung betrifft aber alle physiologischen Dispositionen, auch diejenigen, die Auswirkungen auf unsere Denkleistungen haben.
Die Situation, in der wir uns derzeit befinden, sieht so aus, dass der Mensch sich zunehmend zu einer Art Cyborg transformiert, Technologie also in seine leibliche Disposition eindringt und ihn zu einem Wesen transformiert, das sich quasi technischen Kalkülen unterwirft; dementsprechend werden auch andere Erwartungen an Gesundheit bzw. Funktionalität der eigenen körperlichen Vermögen gestellt. Auch der Umgang mit dem Altern wird wohl einen Wandel erfahren und es werden damit auch neue Einstellungen zum Alter und zum Altern entstehen.
All dies hat nicht nur Auswirkungen auf unser Selbstverständnis, sondern auch auf unser Sozialverhalten. Damit ist noch keineswegs gesagt, dass posthumanistische Steigerungsphantasien realisiert werden können, dazu sind in diesen Konzepten noch zu viele logische Widersprüche, tatsächlich auch zu viel Ideologie, Ökonomie und Metaphysik enthalten. Andererseits haben diese Visionen aber bereits heute Auswirkungen auf unser Selbst-, Gesellschafts-, und Weltverständnis.
Die letzte Stufe des metaphysischen Denkens wäre nun ein selbständig gewordenes technisches Kalkül, in das der Mensch in seiner körperlichen Substanz quasi eingebunden ist. Der Mensch wäre eine einem Kalkül unterliegende Apparatur, die ganz in ihrer Funktionalität aufgeht. Individuelle Abweichung wäre wohl rasch ein Regulierungsanlass. Technisches Denken als letzte Stufe der Metaphysik hätte sich damit in gewisser Weise selbst unterlaufen, hätte deren ursprüngliche Begründungsabsicht zugunsten eines radikalen Regulierungs- und Beherrschungskalküls aufgegeben. Der kritische Impetus und der Transzendierungswille des Denkens wäre damit überwunden, und damit wohl auch das, was in den bisherigen Vorstellungen den Menschen auszeichnet.
These 5: Quid est homo? Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die nicht zuletzt im ‚Ecce homo‘ des Gekreuzigten zum Ausdruck gebracht ist, muss im Zeitalter der körperlichen Transformation des Menschen neu gedacht werden
Es stellt sich heute in einer neuen Art und Weise die Frage nach dem Adressaten der Heilsbotschaft. Wer ist der künftige Mensch, wer der künftige Adressat der Heilsbotschaft, wenn die naturale Disposition des Menschen – selbst wenn diese veränderlich gedacht ist – völlig dem menschlichen Gestaltungswillen unterworfen ist?
Die ‚conditio humana‘ gerät damit insgesamt in einen technischen Blick, wobei Technik dem Menschen ja keineswegs nur äußerlich, sondern ein substantieller Ausdruck seiner Existenzweise ist. Wenn Technik immer tiefer in die organische Substanz des Menschen dringt, dann läuft der Mensch Gefahr, sozusagen seine eigene technische Zurüstung zu werden.
Wie sieht eine originär christliche Gesellschaftsvision aus, wenn mitmenschliche Probleme gänzlich unter technischen Regulierungsaspekten gesehen werden, wenn die Vorgegebenheit der Welt, der Schöpfung, infrage steht, wenn Natur auf einen hyletischen Restbestand für den menschlichen Gestaltungswillen reduziert wird?
Ich glaube nicht, dass wir auf diese Fragen vorschnelle Antworten geben können. Jede Reflexion und Bewertung künftiger Entwicklungen bleibt letztlich vage, gibt aber wertvolle Hinweise auf gegenwärtige Einstellungen und Tendenzen. Die bereits eingeleiteten technischen Entwicklungen müssen uns zu denken geben.
Die Theologie muss sich – jenseits sinnvoller pragmatischer Erwägungen – diesen Entwicklungen stellen, weil sie bereits heute, unabhängig von der Realisierung transhumanistischer Visionen, Auswirkungen auf unser Leben, unser Selbst-, Gesellschafts- und Weltverständnis haben.
Die Möglichkeit einer Gestalt des metaphysischen Denkens, das sogar das menschliche Denken technisch zu unterwandern vermag, ist in einem gewissen Rahmen gegeben.
Der Anspruch auf die totale Beherrschung der menschlichen Natur, wie sie Vertreter der synthetischen Biologie wie Craig Venter formulieren, und die damit einhergehende Beseitigung aller Ereignishaftigkeit ist eine zentrale Herausforderung für die Theologie, der sie sich nicht entziehen kann.
Der Ausschluss von Ereignishaftigkeit, der letztlich das Ziel des sozusagen ultimativen transhumanistischen Unternehmens ist, bedeutet nicht zuletzt den Ausschluss des Religiösen selbst.