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3.Ambiguitätstoleranz

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Wissenschaft lebt vom Diskurs, der intellektuellen Auseinandersetzung. Daran knüpfen sich relativ streng ritualisierte Organisationsformen und Karrierevorgaben. Wer sich so theologisch wissenschaftlich betätigt, gerät häufig zwischen die Fronten von Ignoranz und Abwertung. Andere methodische Zugänge oder bislang wenig erprobte Perspektiven laufen dem Mainstream der Community zuwider. Diese nicht von vornherein als unzureichend, schlecht und negativ zu bewerten, sie aber auch nicht gleichgültig als unbedeutend zur Seite zu schieben, ist keine Leistung des Intellekts.

In der Pastoralpsychologie spricht man von der Notwendigkeit zur Ambiguitätstoleranz, wenn Menschen gefordert sind, Uneindeutigkeit, mehrdeutige Informationen oder Widersprüchliches auszuhalten. Die Fähigkeit zu dieser Form der Toleranz hat in erster Linie mit aufmerksamer Wahrnehmung zu tun, die darauf verzichtet, auf das Fremde sofort mit Abwertung zu reagieren. Der Versuch einer solchen Phänomenologie inkludiert umgekehrt, auch von einseitig positiven Bewertungen Abstand zu nehmen. Ambiguitätstoleranz ist eine Grundvoraussetzung für gemeinschaftliches Zusammenleben, Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsbildung und stellt die Grundlage jeglicher interkulturellen Kompetenz dar. In diesem Sinn geraten die wissenschaftstreibenden Subjekte hier an eine Grenze, weil das Praktizieren von Ambiguitätstoleranz in der Regel nicht mit intellektuellem Bildungsniveau, sondern mit Persönlichkeitsreife einhergeht.

Das Fatale ist, dass das Bemühen um die „Sache“ und das in der Wissenschaft gängige Einmahnen einer sachlichen Ebene hier zu kurz greifen. Dem vermeintlich um der Wissenschaft willen engagierten Austragen von Diversitäten auf der Sachebene liegen häufig subtile Formen von Aggression, Geltungsbedürfnis oder Anerkennungsdefiziten zu Grunde. Den daraus entstehenden Konflikten ist auf der Ebene intellektueller Auseinandersetzung nicht beizukommen. Die WissenschaftlerInnen sind an der Stelle auf sich selber verwiesen und mit der Frage nach den eigenen Ambitionen, Wünschen und Sehnsüchten konfrontiert.

Was hier fehlt ist das Anerkennen der Tatsache, dass fehlende Ambiguitätstoleranz nicht nur Auswirkungen auf die kollegiale Zusammenarbeit hat, sondern auch die intellektuelle Betätigung in Forschung und Lehre beeinflusst. Wie gelangen eine angstfreie Atmosphäre, ein wertschätzender Umgang mit sich selbst und anderen sowie eine aufmerksam interessierte Haltung Menschen und Inhalten gegenüber in den Wissenschaftsbetrieb? Ist die Leere an dieser Stelle womöglich die Antwort auf das mangelnde Bewusstsein solcher Notwendigkeiten?

Was fehlt?

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