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4.Risiko

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In Bezug auf risikoreiche Lehr-, Lern- und Denkformen war die Theologie schon einmal einfallsreicher, als sie es derzeit ist. Das mag mit den Zwängen Bologna-konformer Curricula zu tun haben. Dennoch kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass sich an den theologischen Lehrstätten stellenweise auch ein gehöriges Maß an Resignation, Gleichgültigkeit und Banalität eingeschlichen hat.

Vielleicht reagiert hier die Theologie, das Diskurssystem der Kirche, ähnlich wie die binnenkirchlichen Handlungsorte in postmodernen Zeiten: Das noch Bestehende und Funktionierende ist unbedingt zu erhalten. Kreativität im spielerischen Erproben neuer Handlungsweisen verursacht in diesen Kontexten vorwiegend Skepsis und Abwehr, weil sie unter Verdacht stehen, auch die letzten noch funktionierenden Strukturen in ihrem Bestand zu gefährden.

Das spielerische und zweckfreie Sich-Einlassen auf einen gemeinsamen kommunikativen Begegnungsprozess, bei dem die Personen, die jeweilige Situation und die Tradition gleichermaßen beachtet werden und in ein reziprokes Spannungsverhältnis gelangen, ist auch im Korsett wissenschaftlicher Rituale und Symbolhandlungen eine Herausforderung. Diese spielerischen Zugänge erfordern eigene Zeit-, Raumund Kommunikationsstrukturen, die in dieser Form nicht automatisch innerhalb der gegenwärtig bestehenden Strukturen gewährleistet werden können. Dennoch sind sie notwendig. Kriterien für das Gelingen solcher Versuche haben zu tun mit den zu einem Spiel gehörenden Merkmalen: Rolle, Prozess, Experiment, Vertrauen sowie der Fähigkeiten zum Risiko.

Wie eine theologische Fakultät ihre Forschung organisiert, welche Lehr- und Lernformen sie wählt, in welcher Art und Weise sie sich mit anderen Disziplinen vernetzt und gesellschaftlich und pastoral relevante „Außenkontexte“ wahrnimmt, bestimmt letztlich ihr Profil und ist maßgebend für ihre Existenz in postmodernen Zeiten. Von kirchlichen Handlungsfeldern, die Tradition und Existenz kreativ aufeinandertreffen lassen, kann die wissenschaftliche Theologie etwas lernen.

An diesen Orten ist nicht nur wahrnehmbar, was „experimentieren“ heißt, sondern auch welche Haltungen, Atmosphären und Formen der Ästhetik Experimente begünstigen. Experimente benötigen in allererster Linie Freiräume und Freiräume entstehen vor allem dort, wo Altes aufgegeben wird.

Pastoral risikofreudige kirchliche Orte haben einen klaren Bezug zur Tradition, jedoch wird durch die Konfrontation mit dem Leben im Hier und Jetzt jeder Prozess einmalig und einzigartig. Die AkteurInnen üben in jedem Prozess neu ein, sich von den alten Vorstellungen und Verhaltensmustern zu befreien und die herkömmlichen Deutungen und Interpretationsweisen loszulassen. Auch die Theologie hat es auf ihrem Weg der intellektuellen Auseinandersetzung nötig, sich der Konfrontation von Traditionsgut und aktueller Gegenwartsherausforderung zu stellen. Schließlich geht es auch an diesem Ort, so wie an jedem anderen kirchlichen Ort auch, um die Botschaft des Evangeliums, ja um ihre Horizont erweiternde, Menschen befreiende, lebensspendende Erschließungskraft.

Die Sehnsucht nach Befreiung und Gelingen ist auch an den Orten wissenschaftlicher Theologie allgegenwärtig greifbar. Die akademischtheologischen Forschungs- und Lehrstätten schaffen es aber ebenso wenig wie die pastoralen Handlungsorte, dieser Sehnsucht jenseits von Widersprüchlichkeiten und Verstrickungen nachzugehen. Auch die Theologie kann nur dann der menschlichen Realität ins Auge sehen, wenn sie sich selber verletzbar macht.

Es liegt an der Theologie selbst, ob sie ihre Leerstellen links liegen lässt und ignoriert, sie vollfüllt, weil sie darüber stolpert, oder sich ihren Anfragen aussetzt. Letzteres gelingt ihr dann, wenn sie vertrauensvoll Experimente wagt, ohne vorher zu wissen, wie sie ausgehen.

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