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7.Annäherung durch Unterbrechung
ОглавлениеFehlt der Theologie die Einsicht in das Wesen und die Bedeutung des Zufalls? Hat sie sich eingerichtet in der Allmachtsbequemlichkeit, die die Aporie des Kreuzes, der Ohnmacht und Schwachheit, der Menschenbindung Gottes meidet? Mit Bonhoeffer denkt Jüngel „Gott als den sich aus der Welt herausdrängen Lassenden und gerade so sich auf die Welt Beziehenden“27, als einen der „die Welt am Kreuz als die ihn nicht ertragende erträgt“, weshalb „das Sein Gottes in der Tat als ein die Alternative von Anwesenheit und Abwesenheit sprengendes Sein zu denken [ist]“.28 Fehlt der Theologie der Glaube? Fehlt ihr der Glaube als die „ursprünglichste Weise des Mitgenommenwerdens durch Gott […] in das Ereignis des redenden Gottes [… und die] ins Sein gerufene Relation des sich auf den anredenden Gott einlassenden Menschen […], als Verhalten, in dem der Mensch gleichursprünglich sowohl Gott als auch sich selbst entspricht“29? Fehlt der Theologie die Freiheit als „Akt, in dem ein Ich sich auf ein anderes Ich so einläßt, daß es dieses andere Ich genau das sein lässt, was es ist“30?
„Wenn Gott sich als selber redend zu erkennen gibt und als solcher zu denken ist, dann hängt die Beantwortung dieser Fragen vom Verständnis dessen ab, was Wort ist. Wäre Wort nur ein informierendes Zeichen, das der Sprechende hinter sich zurücklassen kann, ohne selbst darauf bezogen zu bleiben, dann wäre Nachdenken in der Tat ein museales Unternehmen. Aber gerade dieses Verständnis von Wort scheitert am Wesen des Wortes Gottes. Denn wenn der Glaube die durch dieses Wort ermöglichte Einstellung des Menschen zu Gott ist, in der der Mensch sowohl sich selbst als eben auch, und zwar gleichursprünglich, Gott entspricht, dann hat eine solche Entsprechung den Charakter der Begegnung von Gott und Mensch. Gottes Wort ist dann nicht ein Relikt, dem gegenüber Gott weit entfernt und beziehungslos seine Wege ginge, sondern dieses Wort ist voll von Beziehung“. Demgegenüber „ist die Funktion des Wortes, in dem Gott sich als der von sich aus Redende erweist, als die einer ansprechenden Unterbrechung zu verstehen, durch die der Ansprechende dem Angesprochenen in unvergleichlicher Weise nahe kommt. Das Wesen des ansprechenden Wortes ist Annäherung durch Unterbrechung.“31
Das Wort Gottes ist also nicht einfach Information, sondern Ereignis, in dem Nähe und Distanz, Anwesenheit und Abwesenheit, Widerstand und Anziehung, Gott und Mensch zugleich und gleichrangig präsent sind. Im Wort unterbricht Gott als Redender Ordnungen und Routinen, den Lauf des Seins, nicht durch ein Machtwort, sondern durch Beziehung. „Denken kann Seiendes nur denken, wenn es den Gegensatz von Denken und Sein nicht überspringt. Es muß ihn vollziehen.“ Im Versuch, „Gott zu denken, wird das Denken mitgenommen, indem es den Glauben und sein Geglaubtes denkt. Glauben aber ist die unmittelbare Weise des Mitgenommenwerdens durch Gott. Der Glaube ist ein Aus-sich-Herausgehen des Ich ohne Ende. Er kennt kein Zurück. Denn der Glaube ist immer schon bei dem Geglaubten.“ Nachdenken „ist dann allerdings – so, wie Glaube ein ursprünglicher Akt der Selbstbestimmung ist – das genaue Gegenteil eines ‚Denkens‘, das sich der Anstrengung eigenen Denkens enthoben weiß. […] Denken ist nie Imitation. Dasjenige Nachdenken, das Gott nachzudenken sich verpflichtet weiß, ist immer das Gehen eines eigenen Weges.“32