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3.1 Auslegung von Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78 (EG) und Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften 3.1.1 Die Vorgaben des EuGH

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Ausgangspunkt für die Auslegung muss zunächst einmal der Wortlaut der Ausnahmeregelung sein. Wie nicht selten im Unionsrecht ist dieser umständlich und bei Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78 (EG) zudem auch sehr lang. Die Vorschrift lautet:

„(2) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund.

Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten“.

Entscheidend für den EuGH ist die im Zitat hervorgehobene Stelle. Der EuGH legt diese Vorgabe in Egenberger eng anhand des Wortlauts aus und verlangt, dass sich die im Ethos der Organisation begründete Anforderung entweder aus der „Art“ der Tätigkeit oder aus den „Umständen“ ihrer Ausübung ergeben muss.48 Diese Auslegung führt dazu, dass – anders als es die Erwägungsgründe nahelegen und auch die Formulierung von Art. 4 Abs. 2 RL mit dem Verweis auf die „bestehenden einzelstaatlichen Gepflogenheiten“ andeutet – das bestehende einschlägige Religionsrecht der Mitgliedstaaten nicht vollumfänglich von den Wirkungen der Richtlinie ausgenommen wird, sondern die Qualifikation über die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als zusätzliches Erfordernis beachtet werden muss. Diese enge Auslegung anhand des Wortlauts ist sicherlich auch dann ohne Weiteres vertretbar, wenn der Europäische Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie eine umfassendere Ausnahme vor Augen gehabt haben sollte.49 In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, dass die Notwendigkeit der Kirchenmitgliedschaft nicht mehr mit übergreifenden Konzepten wie dem der Dienstgemeinschaft begründet werden kann, sondern die Gerichte insoweit eine Überprüfung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vornehmen müssen.50

In Bezug auf die in UAbs. 2 von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie angesprochenen Loyalitätsobliegenheiten wird der in Egenberger entwickelte Ansatz übernommen. Maßgeblich hierfür sind eine systematische Interpretation beider Absätze und der Umstand, dass UAbs. 2 verlangt, dass die „Bestimmungen der Richtlinie im übrigen eingehalten sind“. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch die Loyalitätsanforderungen nur dann verlangt und durchgesetzt werden können, wenn dies nach der Art der konkreten Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausführung „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.“51

Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung

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