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1. Einleitung

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Ende März 2019 hat das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtssache Egenberger eingelegt.1 Der Fall betrifft die Frage der konfessionellen Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen. Zusammen mit der sog. Chefarzt-Entscheidung,2 bei der über die Kündigung eines in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Chefarztes wegen dessen Wiederheirat nach einer Scheidung gestritten wird, liefert der Fall Egenberger den Stoff für grundsätzliche Auseinandersetzungen auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen. Zum einen geht es um die Ausgestaltung des kirchlichen Individualarbeitsrechts. Welche besonderen Anforderungen darf ein kirchlicher Arbeitgeber legitimerweise wegen seines religiösen Selbstverständisses an seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen? Angesichts der großen Zahl von Beschäftigten im kirchlichen Bereich ist diese Frage von ganz erheblicher praktischer Bedeutung. Sie steht deshalb zu Recht im Mittelpunkt der heutigen Tagung. Daneben gibt es aber die zweite Ebene des anwendbaren Rechts. Das kirchliche Arbeitsrecht steht an einer in vielerlei Hinsicht sensiblen Schnittstelle: Es geht um Umfang und Grenzen des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften und damit um verfassungsrechtliche Garantien des Grundgesetzes. Es geht um Grund- und Menschenrechte der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und um die korporative Religionsfreiheit der Kirchen und damit neben dem Verfassungsrecht auch um internationale Menschenrechtsgarantien, namentlich der Europäischen Menschenrechtskonvention. Und schließlich geht es um eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der religiösen Zugehörigkeit, was wiederum das Antidiskriminierungsrecht der Europäischen Union auf den Plan ruft. Die Sache wird dadurch besonders heikel, dass jede dieser Rechtsschichten über ein eigenes Gericht verfügt: Über das Grundgesetz wacht das Bundesverfassungsgericht, über die Europäische Menschenrechtskonvention der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und über das Recht der Europäischen Union der Europäische Gerichtshof.

„Diakonie braucht Rechtssicherheit“, so lautet der Titel eines Blogeintrags, den der Präsident der EWDE, Ulrich Lilie, aus Anlass der Erhebung der Verfassungsbeschwerde verfasst hat.3 Auf die Forderung nach Rechtssicherheit wird man sich recht schnell einigen können, wenn man unterstellt, dass Rechtssicherheit auch ein Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen ist. Aber Rechtssicherheit ist nicht leicht zu erlangen in einem Bereich, in dem so unterschiedliche rechtliche Vorgaben aufeinander abzustimmen und gegebenenfalls in Ausgleich zu bringen sind. Die nachfolgenden Überlegungen versuchen die Probleme zu strukturieren und abzuschichten, indem zunächst die Prägung und institutionelle Eigenlogik von EGMR, Bundesverfassungsgericht und EuGH als den zentralen gerichtlichen Akteuren analysiert wird (2.). Im nächsten Schritt wird vor diesem Hintergrund die neuere Rechtsprechung des EuGH einer kritischen Würdigung unterzogen (3.). Abschließend wird – knapp – die Frage nach den verfassungsrechtlichen Konsequenzen für die Beurteilung der bereits erhobenen Verfassungsbeschwerde in der Rechtssache Egenberger gestellt und ein Überschreiten des verfassungsrechtlichen Rahmens verneint (4.).

Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung

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