Читать книгу Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung - Группа авторов - Страница 16
3.1.1.2 Zum Umgang mit § 9 Abs. 1 AGG
Оглавление§ 9 Abs. 1 AGG enthält eine im Tatbestand weit formulierte Ausnahme, die eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften oder in ihnen zugeordneten Einrichtungen zulässt, wenn „eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“
Mit dem allgemeinen Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht geht § 9 Abs. 1 AGG über den Wortlaut der Richtlinie und dessen gerade beschriebene Auslegung durch den EuGH hinaus. Das Bundesarbeitsgericht stand deshalb vor der Frage, wie es mit diesem Unterschied in der Reichweite umgehen soll. In Betracht kamen eine richtlinienkonforme (einschränkende) Auslegung oder – falls diese nicht möglich sein sollte – die Nichtanwendung der Vorschrift.60 Das BAG geht in seiner Entscheidung dieser Frage mit Teilen der Literatur davon aus, dass § 9 Abs. 1 AGG einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich sei und hält die Vorschrift folgerichtig wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts für nicht anwendbar.61 Das BAG begründet dieses Ergebnis mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, die einer anderen Auslegung entgegenstünden.62 Angesichts des Umstands, dass in der deutschen Literatur durchaus schon vor der Entscheidung des EuGH im Fall Egenberger einer enge Auslegung von § 9 Abs. 1 AGG vertreten wurde, vermag diese strenge Orientierung an Wortlaut und Systematik allerdings nicht ganz zu überzeugen. Eine einschränkende Auslegung der Wirkungen von § 9 Abs. 1 AGG im Hinblick auf die Vorgaben der Richtlinie und des europäischen Antidiskriminierungsrechts wäre deshalb durchaus in Betracht gekommen.63