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1.3 Missionarische Jugendarbeit nimmt den christlichen Bildungsauftrag wahr

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Neben dieser Sozialisationsfunktion wird der Jugendarbeit aber auch eine weitere für die Gesellschaft relevante Bildungsfunktion zugesprochen (vgl. Voigts 2015: 23). Bereits in den ersten theoretischen und konzeptionellen Überlegungen Ende der 1920er-Jahre wurde Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsort verstanden (vgl. Thole 2013: 232). Dies gilt auch für die konfessionelle Jugendarbeit, die von ihrem Selbstverständnis, ihrer Tradition und der Praxis her ihr Handeln als Bildungsprogramm versteht, bei dem Bedingungen geschaffen werden, in denen selbstbestimmte Bildungsprozesse – auf freiwilliger Basis – angestoßen werden.

In der aktuellen theoretischen Diskussion hat sich weitgehend die Unterscheidung zwischen formalen, non-formalen und informellen Feldern des Lernens und des Erwerbs von Bildung durchgesetzt (vgl. BMFSFJ 2005: 94 ff.). Die Kinder- und Jugendarbeit setzt mit ihren Angeboten überwiegend im Feld der non-formalen und informellen Bildung an (Schulz/Cloos 2010). Dabei liegen ihre Schwerpunkte auf der religiösen, sozialen, emotionalen, politischen, physischen und kognitiven Bildung. Im Unterschied zu Lern- und Bildungsorten wie der Schule stehen bei den Lernangeboten der Kinder- und Jugendarbeit überwiegend das erfahrungs- und handlungsbezogene Lernen in der Praxis im Vordergrund. Mit den vielfältigen Schulungs-, Seminar- und Fortbildungsangeboten stehen Ehrenamtlichen überdies wichtige Bildungsveranstaltungen zu Verfügung, die spezifisches Wissen und Fertigkeiten vermitteln (vgl. Corsa 2013: 15). Diese Bildungsofferten realisieren sich in der Kinder- und Jugendarbeit als kulturelle, soziale, identitätsbezogene und religiöse Bildung und ermöglichen die Aneignung von sozialem, kulturellem und religiösem, auch aber symbolischem Kapital, wie sie „andernorts in dieser Spezifität nicht ausgebildet werden können“ (Thole 2013: 233; vgl. Bourdieu 1992; Höss 2007: 176). Diese Bildungsprozesse, die in den Alltag der Kinder- und Jugendarbeit genuin eingewoben sind, stehen auch im Interesse der missionarischen Jugendarbeit (s. u.).

Im Kontext der evangelischen Kirche wird Bildung umfassend „als Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein, Haltungen (Einstellungen) und Handlungsfähigkeit im Horizont sinnstiftender Deutungen des Lebens“ zu verstehen gesucht (EKD 2005: 66; Herv. i. O.). Corsa hat acht Dimensionen des Bildungshandelns in der evangelischen Jugend herausgearbeitet, die ebenfalls für die missionarische Jugendarbeit fruchtbar gemacht werden können. Er markiert: „Den nachfolgenden acht Dimensionen liegt ein christliches Bildungsverständnis zugrunde, das den Menschen in seiner biblischen Ganzheitlichkeit wahrnimmt“ (Corsa 2004: Abs. 2).

1 1) Entfaltung und Entwicklung eigener Fähigkeiten („Leben als Gabe“)

2 2) Experimentieren („Leben als Werden“)

3 3) Erproben und Herausbilden sozial konstruktiven Verhaltens („Unvollkommenes und gebrochenes Leben“)

4 4) Aneignung von Welt („Freiheit zur Individualität“)

5 5) Erwerb ethischer Kompetenzen („Leben braucht Orientierung“)

6 6) Erwerb von Alltags- und politischen Kompetenzen („lebenspraktische Kompetenzen in der Zivilgesellschaft“)

7 7) Erwerb sozialer Kompetenzen („Leben in Beziehungen“)

8 8) Religiöse Bildung („Leben in Beziehung zu Gott“)

Ein solches mehrdimensionales Bildungsverständnis ist stets „orientiert an biblischen Grundlagen und einer demokratischen Gesellschaft“ und stellt eine Herausforderung in fachlicher und persönlicher Hinsicht für die Mitarbeitenden missionarischer Jugendarbeit dar (Corsa 2004: Abs. 2). Bildung ist deshalb, auch theologisch betrachtet, keine Nebensache, sondern ist untrennbar mit dem Anliegen missionarischer Jugendarbeit und der ihr inneliegenden Spannung zwischen missionarischem und sozialpädagogischem Handeln begründet (vgl. Schweitzer 2006: 31). Bildung trägt entscheidend dazu bei, dass junge Menschen verantwortete Entscheidungen treffen können. Nicht zuletzt deshalb, weil missionarische Jugendarbeit auch zu verantworteten Entscheidungen einladen will, muss Bildung ihr ein hohes Anliegen sein.

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