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DIRK BOLL

1 London 1766

Um 1700 entstand in London ein hochspezialisierter und leistungsfähiger Kunstmarkt. Voraussetzung hierfür war die Aufhebung von Oliver Cromwells puritanischen Gesetzen, die jeden Kunstimport aus dem Ausland untersagt hatten.3 In der Folge begaben sich britische Adlige wieder verstärkt auf Bildungsreisen auf den Kontinent, deren Eindrücke oft nicht zuletzt die Grundlage für eine eigene Sammlertätigkeit waren. Schon bald war es für das gesellschaftliche Prestige unabdingbar, eine Kunstsammlung sein Eigen zu nennen. Durch die beginnende Vormachtstellung des britischen Staates im europäischen Handel flossen große Finanzmittel in das Land; während der italienische Adel verarmte und verkaufen musste, etablierte sich der englische Adel auf der Käuferseite.4

Nicht zuletzt, weil neben dem Bedarf der Höfe in London und in Paris vor allem die extrem gestiegene Nachfrage des vermögenden Bürgertums befriedigt werden musste, liefen diese beiden Hauptstädte allen anderen europäischen Kulturzentren den Rang ab.5 Führten die Bildungsreisen Kunstliebhaber zu den Stätten der klassischen Antike, so reiste der Kunstkäufer ab Beginn des 18. Jahrhunderts nach London und Paris. Der Kunsthandel stellte sich mit neuer Offenheit darauf ein: Geschäftslokale luden zum Kunstgenuss und damit zum Verweilen ein und wurden verstärkt zum Ort des geistigen Austausches, der gemeinsamen und schichtenübergreifenden Intellektualisierung.6

So wurden die 1760er-Jahre zu einem Wendepunkt in England. Die Gründung der Royal Academy, die ersten Annual Exhibitions etablierten Kunstgenuss und -konsum. Die Rivalität der Londoner und Pariser Kunstmärkte blieb nicht ohne Einfluss auf die Preise für Kunstwerke,7 mit entsprechenden Folgen für das europäische Auktionsgeschäft. 1674 war mit Auktionsverket in Stockholm das erste der heute noch bestehenden Auktionshäuser gegründet worden, 1707 folgte das Wiener Dorotheum, zunächst als staatliche Pfandleihe. Auch das 1744 gegründete Londoner Haus Sotheby’s sah damals noch anders aus, versteigerte es doch bis ins 20. Jahrhundert ausschließlich Bücher.8 Londoner Versteigerungen fanden nur von September bis Mai statt, also während der Stadtsaison. Fuhr die Gesellschaft über den Sommer aufs Land, ruhte auch der Auktionsbetrieb: »Kirschen rot, Handel tot«, hieß es nicht nur im Geschäft mit der Kunst. Diese Zeiteinteilung hat sich im Übrigen auf dem Auktionsmarkt bis heute erhalten.

Die Französische Revolution und die napoleonischen Kriege stärkten den Auktionsplatz London erheblich, verkauften doch hier die emigrierten Adligen ihren einzigen beweglichen Besitz: ihre Kunstwerke und ihre Juwelen. Wichtige kontinentale Sammlungen wurden zwischen 1790 und 1820 in London verkauft: Die Sammlungen Calonne, Conti, Lafitte, Orléans und als Höhepunkt die Juwelen der Gräfin du Barry bei Christie’s, die Sammlung Talleyrand bei Phillips.9 Gleichzeitig entstanden zahlreiche Kunsthandlungen wie die Altmeisterhändler Colnaghi und Sulley oder 1817 die Galerie Agnew, die ebenfalls vor der Revolution gerettete Kunstwerke an britische Sammler vermittelten.10

Es ist nicht einfach, diesen Markt als ökonomisches System in Zahlen darzustellen. Der Preis, den August der Starke 1754 für die Sixtinische Madonna zahlte, scheint eine Art »Weltrekord« dieser Epoche gewesen zu sein – zumindest wenn man zeitgenössischen Kommentatoren glauben schenkt, die diese 8 500 Pfund für extraordinär hielten.11

Helden der Kunstauktion

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