Читать книгу Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft - Группа авторов - Страница 48
IV. Mehr noch: Christen prägen diesen Auftrag
ОглавлениеDie Kirche übernimmt mit ihrer institutionalisierten Caritas gesellschaftliche Aufgaben. Und das gilt gleichermaßen für die Diakonie wie für die Caritas und ihre Sozialverbände (z. B. SkF, SKM oder IN VIA). Aber mehr noch: Christen zeigen überdurchschnittlich viel ehrenamtliches Engagement – nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch darüber hinaus.7 Die Kirche bietet in diesem Zusammenhang eine wichtige institutionelle Plattform für dieses gesellschaftliche Engagement – bzw. eine Möglichkeit zum Andocken dieses Engagements. Ein Beispiel: Im Rahmen der großen Flüchtlingsbewegungen 2015/2016 entstanden gerade im Umfeld vieler Pfarreien Flüchtlingsinitiativen, in denen sich auch Menschen engagierten, die nicht zur Kerngemeinde gehörten oder regelmäßig am Gottesdienst teilnehmen.
Wenn im Sinne des oben zitierten Böckenförde-Theorems8 Ökonomie und Staat von Voraussetzungen leben, die sie selbst nicht garantieren können, bedarf es neben schulischer auch außerschulischer Lernorte, an denen nicht-eigennütziges Tun oder gesellschaftliches Engagement gelernt werden können und ohne die unser Gemeinwesen nicht funktioniert. Hierin liegt der große gesellschaftliche Beitrag von Vereinen und Verbänden (so ein Ergebnis des DJI-Jugendsurveys 2003) – und damit auch von kirchlichen Jugendgruppen wie -verbänden: Indem sie Frei- und Spielräume bereitstellen, fördern sie die Subjektwerdung des Menschen und werden zu Übungsfeldern sozialen und demokratischen Handels. In diesem Sinne verweisen z. B. kirchliche Jugendverbände auf die Bedeutung nichtformeller bzw. informeller Bildung wie von außerschulischen Lernorten in ihrer Unterschiedenheit und als Komplement zu den Bildungsinstitutionen, insofern sie Kompetenzen und Tugenden (Respekt, Fairness, Teamwork, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, Zivilcourage, Disziplin …) vermitteln, welche Schule nicht (bzw. nicht alleine) zu vermitteln vermag, auf die sie aber zugleich angewiesen ist.9
Bildung kann nur angemessen erfasst werden, wenn die Vielfalt der Bildungsorte und Lernwelten in ihrer Eigentümlichkeit und in ihrer wechselseitigen Ergänzung wahrgenommen werden. Zwei Formen der Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen lassen sich unterscheiden: auf der einen Seite die selbst organisierten Aktivitäten – auf der anderen Seite Aktivitäten in einer pädagogisch betreuten bzw. in einer von Vereinen (Pfarrgemeinden, kirchliche Jugendgruppen etc.) institutionalisierten Jugendfreizeit.
Das heißt: Im Bildungsengagement der Kirche ist die außerschulische Bildung und Erziehung ein ebenso wichtiger Bereich wie die institutionelle Bildung (Kindertageseinrichtungen, Schulen, Religionsunterricht). Mit ihren Bildungsinstitutionen tragen die Kirchen dabei nicht unwesentlich zu einer sinnstiftenden und werteorientierten Erziehung bei.10 Durch die Präsenz der Kirche vor Ort ist eine große Reichweite in den unterschiedlichen sozialräumlichen Strukturen und Milieus gegeben.
Darüber hinaus engagieren sich aber auch außerhalb des Bildungssektors kirchliche Verbände, wirken in ihren Sozialraum hinein, leisten einen Beitrag zur Kinder- oder Seniorenbetreuung etc. D.h. auch hier leisten kirchliche Verbände einen Beitrag zu gesellschaftlichem Zusammenhalt.
Noch ein weiterer Befund ist interessant: Sowohl bei Kindern wie bei Erwachsenen lässt sich ein indirekter Zusammenhang zwischen der Anerkennung christlich-religiöser Werte und der Akzeptanz von Rechtsnormen nachweisen. Das heißt: Je wichtiger einer Person diese christlichen Werte sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die gesellschaftlichen Rechtsnormen akzeptiert und damit auch gesellschaftlich integriert ist. In diesem Sinne leistet die christliche Religion einen Beitrag zur normativen Integration und damit zum Zusammenhalt in der Gesellschaft.