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VI. Und eben deshalb: Das wesentliche im kirchlichen Dienst
ОглавлениеWer sich dieser Wurzeln bewusst wird, wird schnell merken, das kirchliches Arbeitsrecht, um das heute so sehr gerungen wird und von dem diese Festschrift so viel erzählt,14 gewiss nicht der zentrale Punkt des Gelingens oder Scheiterns der Kirche in dieser Welt ist. Schon das Arbeitsgericht Hamburg formuliert vor einigen Jahre fast hellsichtig:
„Im Streitfall muss die religiöse Prägung einer Einrichtung, die sich auf die Bereichsausnahme des § 118 Abs. 2 BetrVG beruft, von dieser dargelegt und gegebenenfalls auch bewiesen werden. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 4) steht den Religionsgemeinschaften nicht das Recht zu, im Wege der Selbstdefinition darüber zu befinden, was religionsgemeinschaftliche Angelegenheiten i.S. des Art. 137 Abs. 3 WRV sind (vgl. Sachs-Ehlers, GG, 3. Aufl., Art. 137WRV, Rn. 6 mit Nachweis der gegenteiligen Auffassung). Es kann dahin stehen, inwieweit es den Kirchen überlassen bleibt, verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Verkündung erfordern, was spezifisch kircheneigene Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind und was gegebenenfalls als schwerer Verstoß gegen diese anzusehen ist …. Darum geht es hier nicht. Ebenso wenig steht hier das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Hinblick auf die Entscheidung in Frage, durch welche Mittel und Einrichtungen sie ihren Auftrag in der Welt wahrnehmen will. §118 Abs. 2 BetrVG setzt, wie dargelegt, nicht nur voraus, dass eine Religionsgemeinschaft eine Einrichtung zum Mittel der Glaubensverwirklichung bestimmt hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass diese Bestimmung auch tatsächlich verwirklicht wird, d.h., dass der Charakter der Einrichtung durch die Glaubensinhalte der betreffenden Religionsgemeinschaft geprägt wird ….
Es geht um den Schutz realer Religionsausübung, nicht um die Sicherung potentieller Sphären. Maßgebend sind nicht Ursprung, Anspruch oder Motiv, entscheidend ist die Wirklichkeit (a. A. BAG Beschluss vom 9.2.1982, AP Nr. 24 zu § 118 BetrVG 1972, wonach der Zeck der Trägers ausschlaggebend sein soll).
In diesem Sinn war zu überprüfen, ob in der Einrichtung der von der Kirche definierte christliche Auftrag verwirklicht wird …, oder ob die Gesellschaft wie jeder andere Träger auch (verdienstvollerweise) unter ausschließlicher Verwendung öffentlicher Gelder ein Langzeitarbeitslosenprojekt betreibt.“15
Das erteilt überzeugend eine Absage an alle, die die Kirchlichkeit einer Einrichtung zunächst durch das Recht sichern wollen – und durch das Privatleben ihrer Arbeitnehmer. Entscheidend ist die Tätigkeit selbst, und wie und aus welchem Geist heraus sie vollzogen und wahrgenommen wird. Das klingt für den, der sich mit der Materie näher befasst, sehr säkular, und die Entscheidung wurde vom LAG auch wieder aufgehoben.16 Und doch trifft sich das Gesagte auch mit dem, was in Deus caritas est an anderer Stelle steht:
„Was nun den Dienst der Menschen an den Leidenden betrifft, so ist zunächst berufliche Kompetenz nötig: Die Helfer müssen so ausgebildet sein, daß sie das Rechte auf rechte Weise tun und dann für die weitere Betreuung Sorge tragen können. Berufliche Kompetenz ist eine erste, grundlegende Notwendigkeit, aber sie allein genügt nicht. Es geht ja um Menschen, und Menschen brauchen immer mehr als eine bloß technisch richtige Behandlung. Sie brauchen Menschlichkeit. Sie brauchen die Zuwendung des Herzens. Für alle, die in den karitativen Organisationen der Kirche tätig sind, muß es kennzeichnend sein, daß sie nicht bloß auf gekonnte Weise das jetzt Anstehende tun, sondern sich dem andern mit dem Herzen zuwenden, so daß dieser ihre menschliche Güte zu spüren bekommt. Deswegen brauchen diese Helfer neben und mit der beruflichen Bildung vor allem Herzensbildung: Sie müssen zu jener Begegnung mit Gott in Christus geführt werden, die in ihnen die Liebe weckt und ihnen das Herz für den Nächsten öffnet, so daß Nächstenliebe für sie nicht mehr ein sozusagen von außen auferlegtes Gebot ist, sondern Folge ihres Glaubens, der in der Liebe wirksam wird (vgl. Gal 5,6).“17