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a) Ursache 1: Der Angebotswettbewerb als Scheinriese
ОглавлениеDie prominenteste Ursache war, dass Mitte der neunziger Jahre der Angebotswettbewerb in der Sozialwirtschaft von allen gesellschaftlichen Kräften als „Scheinriese“ aufgebaut wurde. Nüchtern betrachtet war der Angebotswettbewerb nichts anderes als ein legitimes Instrument, die Unwirtschaftlichkeiten und nicht erfolgten Prozessinnovationen, die in Jahrzehnten des Überflusses des Wirtschaftswunders im Selbstkostendeckungssystem stark angewachsen waren, offenzulegen und Zug um Zug abzubauen. Das führte dazu, dass nahezu 20 Jahre lang der Angebotswettbewerb als das langfristige Mittel der Wahl für eine gute Entwicklung in der Sozialwirtschaft angesehen wurde. Qualität der Arbeit und die Löhne für die Mitarbeiter müssen sich halt am Preis, der sich im Angebotswettbewerb ergibt, ausrichten. Das hat zu viel Frust bei den Verhandlungen der Tarife für die 500.000 Mitarbeiter in der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes geführt. Auch im Qualitätsmanagement prallten sozialpolitisch/ethische Vorstellungen und „wirtschaftliche Notwendigkeiten“ immer mehr aufeinander. Von der Sozialpolitik wurde dies mit dem Begriff der „Ökonomisierung der Gesellschaft“ negativ konnotiert. Wesentlich klarer und ursachenbezogener ist, davon zu sprechen, dass ein zunehmend fehlsteuernder Angebotswettbewerb nicht mehr in der Lage war Qualitätsentwicklungen ausreichen zu berücksichtigen. Am negativsten wirkte sich dies bei staatlichen Ausschreibungen von sozialen Dienstleistungen aus, wo häufig der billigste Anbieter den Zuschlag erhielt, was mittelfristig zu Lohn- und Qualitätsdumping führte.
Erst seit einigen Jahren setzt sich die Erkenntnis mehr und mehr durch, dass Angebotswettbewerb alleine keine einzige Herausforderung der guten Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Dienstleistungen nachhaltig lösen kann. Zusätzlich führen die Vermeidungsstrategien der schlimmsten Folgen des Angebotswettbewerbs zu immer höherem bürokratischen Aufwand der kontrollierenden staatlichen Instanzen.
Etwa gleichzeitig mit den zunehmenden Zweifeln an der Funktionalität des Angebotswettbewerbs kam es zum entscheidenden Fortschritt bei der nachgelagerten Theoriebildung für caritative Unternehmen, nämlich das faire Preise, faire Löhnen und eine menschenliebende Qualität der Dienstleistung nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen (dazu später mehr).