Читать книгу Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage - Группа авторов - Страница 20

2.1 Freiheit und Bekenntnisbindung im Pietismus

Оглавление

Der Begründer des lutherischen Pietismus, Philipp Jakob Spener, war »der erste deutsche kirchliche Theologe, welcher der Subjektivität und Individualität im Bereich der theologischen Überzeugung gerecht zu werden sucht«.[24] Bereits in seiner Schrift »Pia desideria« (»Fromme Wünsche«) von 1675, in der sich seine Auffassungen zur Situation der Kirche sowie seine Vorstellungen zur Verbesserung der kirchlichen Zustände programmatisch niedergeschlagen haben, hatte er die Förderung der religiösen Subjektivität des einzelnen Christen angemahnt, namentlich in Gestalt einer durch Privatlektüre und die Einrichtung von Lesekreisen intensivierten Beschäftigung mit der Bibel. Damit verbunden war eine Kritik an der geistlichen Bevormundung der Laien durch die kirchlichen Amtsträger, eine Bevormundung, die, so Speners Meinung, die reformatorische Betonung des Priestertums aller Gläubigen aushebelt und damit die christliche Freiheit konterkariert. Diese Auffassung brachte er insbesondere in seiner Schrift »Die Freyheit der Gläubigen« von 1691 zu Ausdruck, mit der er in die pietistischen Streitigkeiten in Hamburg eingriff, die dort aufgrund der instabilen politischen Verhältnisse zu teilweise massiven Gefährdungen der inneren Sicherheit geführt hatten.[25] Bei der Freiheitsschrift von 1691 handelte es sich um die Replik auf eine gegen Spener gerichtete Schrift, die vom antipietistisch gesinnten Hamburger Pastor Johann Friedrich Meyer verfasst worden war. Dieser hatte darin die Forderung der Unterzeichnung einer eidlichen Verpflichtungserklärung (Revers) durch die Hamburger Pastoren verteidigt. Die |66|Erklärung enthielt die Verwerfung bestimmter Lehren, derer er die pietistisch orientierten Amtsträger in Hamburg verdächtigt wurden.[26]

Die christliche Freiheit besteht nach Spener – neben der Freiheit von der Sünde und vom Gesetz – vor allem in der »Freyheit der Glaubigen von aller Menschen autorität in Glaubens-Sachen« (3: § 4). »[E]ines jeglichen Christen Glaube [beruht nämlich] unmittelbar […] auff der Offenbahrung Gottes in seine Wort / so er vor das wahre Wort Gottes erkennet / und solche Wahrheit in seinem Herzen durch den Geist Gottes versiegelt ist« (4: § 5). Daraus folgt, dass der Glaube der Christen nicht »auff dem Ansehen der Kirchen« basiert (5: § 7); noch viel weniger aber kann der Predigerstand für sich die Autorität beanspruchen, »Meisterin unseres Glaubens« zu sein (5: § 8). Denn »das Recht über die Lehr zu urtheilen und zu richten«, hat, wie Spener betont, schon Luther »allen Christen« zugesprochen (6: § 8).[27] – Die Kompetenz der Vertreter des Predigerstandes besteht also, wie Spener in Anknüpfung an Mt 23,8.10 sowie im Rückgriff auf Luther festhält, lediglich darin, »die lehre aus Gottes Wort nach allem vermögen und empfangenen maaß des geistes der gemeinde vorzutragen« (9: § 13). An diese Bestimmung der christlichen Freiheit schließt sich Speners Bestandsaufnahme im Blick auf ihre Gefährdung an: »Am offenbahrsten wird nun diese christliche Freyheit angefochten in dem pabstthum« (11: § 16). Einiges von diesem spezifisch katholischen Übel scheint sich allerdings »auch in unsere evangelische kirche einzuschleichen« (12: § 17). Damit sind die Ausführungen direkt bei der Hamburger Situation der Jahre 1690/91 angelangt.

»Aber es haben vor einiger zeit unterschiedliche rechtschaffene und das beste der kirchen redlich suchende leute / mit betrübnus wargenommen / wie sich auch bey uns auff unterschiedliche art etwas dieses päpstisch-gesinneten geistes hervor zuthun angefangen habe / wann das ansehen der menschen in glaubens-sachen wider das / was unsere bekantnus gleichwol mit sich bringet / ziemlich überhand nehmen will / und wo nicht einzelne Doctores, […] doch collegia die macht sich zuschreiben / in religions und glaubens-sachen / nicht |67|nur gutachten aus Gottes Wort andern vorzustellen / und dero prüfung willig zu unterwerffen (welches die rechte art in der wahren kirchen ist) sondern alles dermaßen außzumachen / daß dero außsprüche auch andere gewissen binden / ja wer sich nicht mit darzu verstehet / zu einem ketzer oder der brüderschafft verlustigt gemachet werden solle« (12: § 17).

Spener hat also in den Versuchen der orthodoxen Hamburger Pastoren, eine die pietistischen Neuerungen zurückdrängende Verständigung über Lehre und Ordnung der Kirche zu erreichen, eine Kompetenzüberschreitung kirchlicher Amtsträger und einen Rückfall in den durch die Reformation überwundenen papistischen Gewissenszwang gesehen.

Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage

Подняться наверх