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2. Die Praxis religiösen Bekennens im Volk Israel und in der paganen Welt

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1. Das Volk Israel bekennt sich zu JHWH als seinem Gott. Es gibt in der jüdischen Bibel kein ausformuliertes Bekenntnis; aber in Dtn 6,4f. wird ein Gebet überliefert, das zugleich die Funktion eines Bekenntnisses hat: »Höre, Israel, der HERR unser Gott, ist ein HERR.[7] Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft.« Mit diesem »Schema Jisrael« spricht das Volk Israel seinen Glauben aus; zugleich bringt es |22|damit seine Identität zum Ausdruck, indem es von seiner besonderen Gottesbeziehung spricht.

Viele alttestamentliche Texte sprechen von Gottes geschichtlichem Handeln für sein Volk; auch solche Aussagen können die Funktion von Bekenntnissen haben. In Dtn 26,1–4 steht die Anweisung, man solle zu Beginn der Ernte dem Priester am Heiligtum die Erstlingsgaben überbringen, und dann, so heißt es weiter (V. 5–9), »sollst du bekennen und vor dem HERRN, deinem Gott, sprechen: Ein verlorener Aramäer[8] war mein Vater, und er zog hinab nach Ägypten und blieb dort als Fremder mit wenigen Leuten, und dort wurde er zu einer großen, starken und zahlreichen Nation. Die Ägypter aber behandelten uns schlecht und unterdrückten uns und auferlegten uns harte Arbeit. Da schrien wir zum HERRN, dem Gott unserer Vorfahren, und der HERR hörte unser Schreien und sah unsere Unterdrückung, unsere Mühsal und unsere Bedrängnis. Und der HERR führte uns heraus aus Ägypten mit starker Hand und ausgestrecktem Arm, mit großen und furchterregenden Taten, mit Zeichen und Wundern, und er brachte uns an diesen Ort und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen« (Übersetzung Zürcher Bibel). Diese bekenntnisartige Aussage schildert in Kurzfassung die Geschichte des Volkes Israel, wie sie sich in dessen religiöser Erinnerung darstellt; dass die Geschichte historisch anders verlaufen war und in anderen biblischen Texten z.T. auch anders dargestellt wird, ist dabei von untergeordneter Bedeutung.

Wenn in der jüdischen Bibel von »Israel« gesprochen wird, ist die Einheit von Volk und Religion vorausgesetzt in der Bindung an den einen Gott. Damit verbunden ist ein bestimmtes Ethos, vor allem die Einhaltung von Verhaltensnormen, wie sie im Gesetz, der Tora, ausgesagt sind. Das »Schema Jisrael« und die Schilderung des geschichtlichen Weges Gottes mit seinem Volk dienen nicht der Abgrenzung nach außen; diese Texte bestätigen vielmehr die gegebene Identität, und so bezeugen sie den Menschen des Volkes Israel ihre von Geburt an bestehende Zugehörigkeit zu diesem Volk und das damit verbundene Selbstverständnis.

Für das jüdische Selbstverständnis spielte und spielt das Land, in dem das Volk wohnt, eine besondere Rolle, zumal das Volk davon überzeugt ist, Gott selbst habe ihm dieses Land (»Land Israel«) |23|als Wohnsitz gegeben.[9] Darum war nach dem babylonischen Exil (586–539 v. Chr.) die Rückkehr des Volkes in »das Land« von größter Bedeutung,[10] auch wenn tatsächlich ein Teil in der Diaspora in Babylon geblieben war. Als im 2. Jh. v. Chr. dieses Gebiet unter der Herrschaft der seleukidischen Könige stand, bekämpften diese, anders als die Fremdherrscher in früherer Zeit, die jüdische Gottesverehrung; als Antiochus IV. im Jahre 168 v. Chr. die Entweihung des Jerusalemer Tempels verfügte, setzten sich die Makkabäer dagegen erfolgreich zur Wehr,[11] und es kam zur Errichtung des hasmonäischen Königtums. Nach der römischen Eroberung des Landes durch Pompeius im Jahre 63 v. Chr. verlor der jüdische Staat seine politische Selbständigkeit; Herodes der Große (König von 39–4 v. Chr.) und seine Söhne, unter ihnen Herodes Antipas als der Landesherr Jesu (4 v. Chr. bis 41 n. Chr.), waren Fürsten von Gnaden Roms. Nach dem Jüdischen Krieg (66–70/73 n. Chr.) ging auch diese Selbstverwaltung verloren; nach dem gescheiterten Bar-Kochba-Aufstand (132–135 n. Chr.) wurde das Gebiet von den Römern schließlich »Palaestina« genannt, Jerusalem erhielt den Namen Aelia Capitolina.

Der jüdische Glaube wurde von Rom durchweg anerkannt und respektiert – nicht nur in Judäa und in Galiläa, sondern im gesamten Römischen Reich.[12] Das galt insbesondere auch für den Glauben an den einen Gott: Als im Laufe des 1. Jh. n. Chr. die kultische Verehrung des Herrschers für die Bewohner des Imperiums allmählich obligatorisch wurde,[13] blieben die Juden von der entsprechenden |24|Verpflichtung ausgenommen; sie opferten nicht dem Kaiser, sondern bis zum Jahre 66 n. Chr. wurden im Jerusalemer Tempel Opfer für den Kaiser dargebracht. Der jüdische Glaube unterschied sich schon durch den Absolutheitsanspruch JHWHs grundlegend von den anderen Religionen; das wurde von der Umwelt mit Verwunderung und auch mit Kritik registriert, aber die lange Geschichte des Volkes und des jüdischen Glaubens stieß bei den anderen Völkern auch auf staunende Anerkennung und führte zur Duldung der religiösen Sonderstellung des jüdischen Volkes.

2. Worin bestand im nichtjüdischen Raum das Bekennen? Wie sprachen »die Heiden«[14] ihren Glauben aus? Die Identität der freien Bürger einer Region oder einer Stadt zeigte sich in der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Volk oder in dem Bürgerrecht in der betreffenden Stadt (πόλις oder civitas); auch hier war die Identität verbunden mit einem bestimmten Ethos, also mit der Praxis anerkannter religiöser und sittlicher Normen.[15] Dazu gehörte insbesondere auch die Teilnahme am Kult der in der jeweiligen Stadt verehrten Gottheiten; aber es gab keinen Ausschließlichkeitsanspruch, also keine grundsätzliche Abgrenzung nach außen. Jedoch entwickelte sich seit dem letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende auch eine neue Form von Religiosität, jenseits ethnischer und politischer, zum Teil auch jenseits sozialer Grenzen. So breitete sich beispielsweise die Verehrung der ursprünglich zur Götterwelt Ägyptens gehörenden Göttin Isis fast im gesamten Römischen Reich aus, und diese Verehrung war, anders als bei den städtischen Kulten, mit Elementen persönlicher Frömmigkeit verbunden, nicht zuletzt auf Grund der persönlichen »Einweihung« des einzelnen Menschen in das ihm Erlösung verheißende »Mysterium«.[16] Man konnte sich aber in mehrere Mysterien einweihen lassen, und überdies verehrte man in Athen weiterhin die Athene, in Ephesus die Artemis und in Rom den Jupiter, jeweils zusammen mit den anderen |25|Göttern. JHWH, der Gott des jüdischen Volkes, war der einzige Gott, der keine anderen Götter neben sich duldete, wie das erste der Zehn Gebote sagt. Da das Judentum den Vorzug des hohen Alters besaß und im Allgemeinen keine Mission trieb, kam es ungeachtet dieses Ausschließlichkeitsanspruchs vergleichsweise selten zu religiös begründeten Konflikten;[17] lediglich im jüdischen Kernland, vor allem in Judäa, versuchten die Zeloten, Gottes Anspruch auf die Menschen und auf das »heilige Land« notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen, woraus im Jahre 66 n. Chr. der Jüdische Krieg gegen Rom erwuchs.[18]

Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage

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