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|1|Zur Einführung |3|Das Bekennen des Glaubens als Herausforderung an die Theologie
ОглавлениеEine Einführung
Jens Herzer
Credo – »Ich glaube« – mit dieser sehr persönlichen Formulierung beginnt jenes Glaubensbekenntnis, das in der Tradition der Kirchen das apostolische genannt wird. Anders als im »Wir« des Nizäno-Konstantinopolitanums oder etwa auch in den Nachdichtungen des Bekenntnisses 1524 durch Martin Luther (EG 183) bzw. 1937 durch Rudolf Alexander Schröder (EG 184) hebt die erste Person Singular des Apostolikums nicht zuerst auf die Glaubens- und Bekenntnisgemeinschaft ab, in der sich der oder die Einzelne in seinem oder ihrem Glauben integriert und getragen weiß. Die explizit individuelle Form ist vielmehr eine Herausforderung. Sie ist eine Herausforderung zur Stellungnahme, zum Sich-Verhalten gegenüber einem Anspruch, der die persönliche Überzeugung betrifft. Aus dem mehr oder weniger anonymen »Wir« des gemeinsamen Bekenntnisses heraus muss das »Ich« sich nennen und bekennen. Darin liegt nicht nur die Chance der selbstbewussten Behauptung einer eigenen religiösen Identität; der oder die Bekennende macht sich auch angreifbar. Die Worte des apostolischen Bekenntnisses zu sprechen bzw. mitzusprechen setzt dabei noch mehr als ein inklusives credimus[1] die individuelle Identifikation mit den Inhalten des Bekenntnisses voraus. Das kann ein Problem sein. Gleichzeitig aber eröffnet diese persönliche Grammatik des Credos einen Raum der Freiheit zum Sich-Verstehen vor bzw. in den konkreten Formulierungen. Ein »Wir« des Bekenntnisses impliziert, dass man sich einem gemeinsamen Verständnis des gemeinsam Bekannten verpflichtet weiß. Demgegenüber bietet die individuelle |4|Form die Möglichkeit, sich seines eigenen Verständnisses des Bekenntnisses zu vergewissern, und zwar unabhängig davon, ob die anderen Mitglieder der Bekenntnisgemeinschaft dasselbe Verständnis mit den alten und durch die Tradition geprägten Worten verbinden, die im Gottesdienst zwar alle gleichzeitig, aber doch jeder bzw. jede für sich sprechen und mit Bedeutung füllen.
Wie kaum ein anderer Text stellt das Credo neben den persönlichen Implikationen auch eine Herausforderung an die Theologie dar. Ein alter überkommener Text aus Zeiten, die nicht die unseren sind, mit gefügten Worten, die ebenfalls nicht die unseren sind, mit Aussagen, die theologische und dogmatische Auseinandersetzungen spiegeln, um die kaum noch weiß, wer heute das Bekenntnis aus welchen Gründen auch immer im Gottesdienst mitspricht. Das betrifft den zweiten Artikel und somit die Christologie in besonderer Weise. Die christologischen Aussagen des Bekenntnisses und damit nicht zuletzt die Frage nach dem Verhältnis zwischen Göttlichkeit und Menschlichkeit Christi, der göttlichen und menschlichen Natur unter dem Vorzeichen der altkirchlichen Zwei-Naturen-Lehre ist und bleibt eine Herausforderung, an der sich die Geister scheiden. Das Apostolikum benennt in seinem zweiten Artikel diesen Aspekt der Christologie nicht ausdrücklich (wie etwa das Nizänum), setzt ihn aber doch implizit voraus, was die Sache nicht weniger kompliziert macht, weil damit das Zentrum des christlichen Glaubens schlechthin thematisiert ist. Während der erste und dritte Artikel gerade angesichts aktueller interkultureller bzw. interreligiöser Diskurse anschlussfähiger erscheinen, ist nicht nur das Ringen um die Bedeutung der Christologie, sondern auch um deren angemessene sachliche und sprachliche Entfaltung unter den Bedingungen der heutigen Zeit umso dringlicher.
Angesichts der aktuellen politisch-religiösen Problemlandschaft läge es nur scheinbar näher, den ersten und dritten Artikel zu priorisieren, weil diese anschlussfähiger seien an die Diskurse unserer Zeit über Religion und Gesellschaft, über Menschenwürde und Menschenbild, und damit auch für das, was auch an theologischen Fakultäten durch den »Segen« der Studienreform unter dem Stichwort »Interkulturelle Theologie« immer stärker in den Vordergrund tritt. Für den interkulturellen Dialog der Theologien, den zu stärken der Wissenschaftsrat 2010 mit den »Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an |5|deutschen Hochschulen« ausdrücklich gefordert hat,[2] ist der zweite Artikel gelinde gesagt etwas »sperrig«, wie man das heute so gern nennt. Doch genau diese »Sperrigkeit« interessiert uns: Was ist eigentlich heute in Zeiten vielfach beschworener Toleranz, Weltoffenheit und religiöser Indifferenz einerseits und grober religiös motivierter Gewalt andererseits das spezifisch Christliche, das wir in die gesellschaftlichen Diskurse einbringen? Wie zeitgemäß ist eigentlich ein solches Bekenntnis zu einem Christus, an dessen exklusivem Anspruch und dessen Bedeutung für eine spezifisch christliche Identität sich die Geister scheiden? Wie kann schließlich ein solcher Glaube unter den Bedingungen unserer Zeit zur Sprache gebracht werden? Und nicht zuletzt: Welche Funktion hat unter den heutigen Bedingungen die Bindung an Bekenntnisse für Theologie und Kirche, wenn es denn stimmt, dass die (akademische) Theologie eine der Kirche und ihren dogmatischen Traditionen gegenüber kritische Funktion habe? Die Konfessionsklauseln in deutschen Studien- und Prüfungsordnungen staatlicher Hochschulen werden immer wieder infrage gestellt, zuletzt durch ein viel beachtetes Papier des Studierendenrates Evangelische Theologie von 2013,[3] dem etwa die bereits 2002 beschlossene und im Tenor durchaus anders gelagerte Stellungnahme der Gemischten Kommission I zur »staatskirchenrechtlichen Notwendigkeit der Konfessionsklausel« gegenübersteht.[4] Wie lässt sich begründen, dass nicht nur die Kirchen, sondern auch die Theologischen Fakultäten an dieser Klausel festhalten, und zwar auch für diejenigen Abschlüsse, die nicht zum kirchlichen Dienst in Lehramt oder Pfarramt führen? Stammen nicht deren staatskirchenrechtliche Grundlagen aus einer längst vergangenen Zeit? Was ist unter Bekenntnisbindung überhaupt zu verstehen? Wie bindend können Bekenntnisse eigentlich sein angesichts der Tatsache, dass sie unter ganz bestimmten historischen Umständen entstehen und damit keineswegs selbstverständlich eine zeitlose Gültigkeit beanspruchen können, zumal reformatorisch gesehen »allein die Schrift« die normierende Norm des Glaubens darstellt?
|6|Aus alldem wird deutlich, dass die Beschäftigung mit dem christologischen Artikel des Bekenntnisses nur ein interdisziplinäres Unternehmen »zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik« sein kann. Ohne den innertheologisch-interdisziplinären Diskurs kommen wir in den wichtigen Fragen hinsichtlich der Plausibilisierung christologischer Topoi als prägende Aspekte einer christlichen Glaubensidentität unter den Bedingungen und Herausforderungen unserer Zeit nicht weiter. Dass damit nur ein Anfang gemacht ist, der Diskurs fortgeführt und andere Disziplinen und Perspektiven als die biblisch- und systematisch-theologischen involviert werden müssen, versteht sich von selbst. Doch es ist immerhin ein Anfang, der ein wichtiges Thema wieder in einem weiteren Horizont zur Diskussion stellt.
Die wechselseitigen Perspektiven je eines neutestamentlichen und eines systematisch-theologischen Beitrags sind in der Abfolge an den einzelnen Aussagen des zweiten Artikels des apostolischen Glaubensbekenntnisses orientiert. Jedes Vortragspaar wird durch einen kurzen Text aus der Sicht der Herausgeber und der Herausgeberin eingeführt, der zur Einstimmung zentrale Aspekte und Fragen zur jeweiligen Aussage des Bekenntnisses thematisiert. Unter der Überschrift »Reflexionen und Impulse zur Diskussion« benennt jeweils eine kritische Response auf die Beiträge erkennbare Problemschwerpunkte des interdisziplinären Diskurses und weist auf notwendige Präzisierungen hin. In der folgenden kurzen Präsentation der Beiträge wird auf die Responses bewusst nicht eingegangen, um den Leserinnen und Lesern nicht die Spannung an der Auseinandersetzung zu nehmen. Im Konzept des UTB-Bandes bringen (formuliert durch die Herausgebenden) einige weiterführende Fragen als Abschluss der einzelnen Teilbereiche eine didaktische Komponente ein, womit in Korrespondenz zu den einführenden Texten insbesondere Studierenden Anregungen für die Erschließung der jeweiligen Problematik gegeben werden sollen. Am Ende des Bandes setzen sich Anne Käfer und Jörg Frey noch einmal explizit mit den »Chancen und Schwierigkeiten des Dialogs zwischen Exegese und Systematischer Theologie« auseinander.
Den Auftakt in diesem Band machen zwei Beiträge mit übergreifender Perspektive. Andreas Lindemann thematisiert den grundlegenden Zusammenhang von Glaube und Bekenntnis im ältesten Christentum unter der besonderen Verhältnisbestimmung von Integration und Abgrenzung. Lindemann geht von den Formen des Bekenntnisses und der Bekenntnisbildung im zeitgenössischen Horizont der neutestamentlichen Autoren aus und untersucht insbesondere die in |7|den Paulusbriefen überlieferten ältesten Bekenntnisaussagen. Neben einem Überblick über die Vielfalt der Bekenntnisse im Kontext des Gottesdienstes und seiner rituellen Vollzüge sowie in der Außenrelation der Gemeinden wird dabei vor allem deutlich, dass und inwiefern von Anfang an die Frage nach der Bedeutung Jesu von Nazareth als Christus des Glaubens im Zentrum der Bekenntnisbildung stand.
Als systematischer Theologe erörtert Rochus Leonhardt die »Bedeutung von Bekenntnissen in Theologie und Kirche« und zwar unter jener Fragestellung, die auch am Beginn des Projektes der Tagung stand. Die Kirche(n) und die ihr (bzw. ihnen) in kritischer Funktion gegenüber oder besser: zur Seite stehende akademische Theologie sind mit der Herausforderung konfrontiert, Tradition und Bekenntnis unter den jeweiligen zeitgenössischen Bedingungen zu explizieren und zu plausibilisieren, wenn die Verkündigung des Evangeliums nicht zu einer unerheblichen und gesellschaftlich irrelevanten Veranstaltung werden soll. Unter der Voraussetzung theologiegeschichtlicher Aspekte protestantischer Bekenntnisbildung und der Frage nach der Verbindlichkeit von Bekenntnissen im Protestantismus – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuellen Reformationsjubiläums – betont Leonhardt vor allem den Aspekt der Freiheit. Dieser habe die reformatorische Theologie maßgeblich geprägt, sei aber zugleich auch insofern ambivalent, als die Betonung der »religiösen Freiheit eines Christenmenschen als ein Leitbegriff der Reformation« im Laufe der dogmatischen Ausformulierungen lutherischen Bekenntnisses »zu einer besonderen […] Intensität der Bindung der gläubigen Gewissen an den Wortlaut der Bekenntnisse« geführt habe. Nach weiteren Blicken in die theologiegeschichtliche Entwicklung bis Schleiermacher thematisiert Leonhardt die zunehmende Problematisierung des Bekenntnisses anhand des sog. Apostolikumstreites im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jh. Dieser Streit hat jedoch letztlich eher zu einem konservativen Pragmatismus im Umgang mit den alten Bekenntnissen beigetragen als zu einer inhaltlichen Lösung des Problems bzw. »neuen (und vermeintlich unanstößigen) Bekenntnisaussagen«, »deren Formulierung Harnack vorgeschwebt« habe (82). Die Tatsache, dass insbesondere der christologische Artikel im Zentrum der Auseinandersetzung um das Apostolikum stand, ist einmal mehr Grund für eine aktuelle theologische Beschäftigung mit diesem Artikel.
Mit dem Überblick über die Vielfalt und Pragmatik frühchristlicher Bekenntnisbildung einerseits und der dogmengeschichtlichen Einsicht in die Notwendigkeit, die »Differenz zwischen dem |8|christlichen Glauben selbst und seiner in den kirchlichen Bekenntnissen fixierten symbolischen Form festzuhalten« (82) andererseits sind zwei wichtige Vorzeichen für die inhaltliche Bearbeitung der christologischen Einzelaussagen des Apostolikums gesetzt. Mit der ersten Zeile unter der Frageperspektive »Jesus Christus als Person der Trinität und als Mensch unter Menschen« beschäftigen sich Karl-Wilhelm Niebuhr und Martin Leiner. Niebuhr fokussiert die Frage nach dem Menschsein Jesu als des Christus bzw. des Messias Israels auf dessen Identität als Israelit und problematisiert damit vor allem die »Israel-Vergessenheit« des Bekenntnisses; diese »muss und kann […] mit Hilfe von Grundaussagen der paulinischen Theologie und Christologie biblisch-theologisch aufgebrochen werden« (86). Dabei kommt für Niebuhr der jüdischen Herkunft Jesu eine entscheidende hermeneutische Funktion zu. Das »Wissen darum, dass Jesus als Jude und im Verstehensrahmen des jüdischen Glaubens gewirkt hat«, gehöre »zu den fundamentalen Voraussetzungen der nachösterlichen Bekenntnisbildung« (93). Unter dogmatischen Gesichtspunkten unterstreicht Martin Leiner diese Auslegung Niebuhrs, indem er auf »wichtige hermeneutische Klärungen« hinweist, »die zwischen Neuem Testament und Systematik vorangebracht werden müssen« (106). Dennoch bleibt Leiner skeptisch im Blick auf die nur »partikulare« Konzentration auf Jesus als Israelit. Grundsätzlich gehe es dabei vor allem um die Frage nach der Gewichtung von Texten bzw. Überlieferungen und ihrer Verhältnisbestimmung zu dogmatischen Aussagen, die in ihrer konkreten Gestalt nicht im Neuen Testament zu finden seien, aber doch deshalb nicht ohne Berechtigung Glaubensinhalte formulieren.
Der zweite Hauptteil widmet sich der das Christusbekenntnis explizierenden Aussage über die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist und dem damit verbundenen Topos der »Jungfräulichkeit« Marias. Mit dieser Aussage ist insbesondere eine schöpfungstheologische Perspektive vorgegeben, die die Erörterungen der beiden Beiträge prägt. Gudrun Holtz sieht in der Aussage von der Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria einen »Erweis der schöpferischen Macht des Wortes Gottes« (123). Holtz konzentriert sich dabei auf die lukanische Version, weil hier die Dimension des Schöpferwortes über die auch bei Matthäus enthaltenen Aspekte hinaus gleichsam als hermeneutische Kategorie einbezogen werde. Aus der am Gesamtbefund relevanter neutestamentlicher Aussagen gewonnenen Einsicht, »dass die Kategorien des Historischen und Biologischen der Erzählung nicht gerecht werden« (128), leitet Holtz die Notwendigkeit |9|der theologischen Interpretation ab, die sie mit religionsgeschichtlichen Aspekten verbindet und begründet. Dabei kommen erstaunlich materielle Vorstellungen in Bezug auf das Wirken des Geistes bzw. des Schöpferwortes Gottes zum Tragen. Die worttheologische Linie sei zudem auch bei Paulus aufgenommen. Das in der Geburt Jesu als Verheißung realisierte Schöpferwort sei dasselbe, das auch im Evangelium wirksam wird. Vor diesem Hintergrund lasse sich der zweite Artikel als Interpretation des ersten sowie als Vorausgriff auf die Aussage über die Erwartung der allgemeinen Auferstehung verstehen. Aus systematisch-theologischer Perspektive geht Gregor Etzelmüller die Problematik unter dem Aspekt der »wahren Menschheit« Jesu an: »Kein wahrer Mensch ohne Geburt« (153). Das korrespondiert mit der historisch-kritischen Analyse der Texte und nimmt diese ernst. Dem entsprechend wird das im eigentlichen Sinn theologische Problem der Vorstellung von der »Jungfrauengeburt« auf das Verhältnis von Schöpfung und Neuschöpfung sowie auf die Funktion und kreative Wirkung des Geistes im Prozess der Schöpfung zugespitzt. Die Aussage von der »Geburt Christi aus dem Geist Gottes« lasse sich unter diesen pneumatologischen Voraussetzungen »durchaus auch mit der Vorstellung einer natürlichen Zeugung verbinden« (158). Ähnlich wie andernorts über die Auferstehung Jesu argumentiert wurde, kann Etzelmüller festhalten: »Würde die übernatürliche Erzeugung Jesu aus dem Geist eine gewöhnliche Zeugung ausschließen, dann könnten wir, die wir gewöhnlich gezeugt worden sind, nicht auf unsere Wiedergeburt hoffen« (159). Er nimmt damit einen wichtigen Aspekt johanneischer Theologie auf und betont zugleich und zu Recht die Ambivalenz der biblischen Genealogien bei Matthäus und Lukas. Nicht zuletzt setzt er sich auch auf originelle Weise mit dem Vorwurf auseinander, Jesus sei als ein »Bastard« geboren. Das Bekenntnis zur Jungfrauengeburt erweist sich damit zwar nicht als notwendig für die Christologie, »es (erschließt) aber eine Wahrheit […], die nicht verloren gehen sollte« (162).
Mit dem gleichsam historischen Teil des Bekenntnisses – Leiden, Tod und Begräbnis Jesu unter Pilatus – beschäftigen sich die Beiträge von Roland Deines und Dirk Evers. In einem facettenreichen und immer wieder auch systematisch-theologische Aspekte aufgreifenden Beitrag betont Deines zunächst, dass eine Hoffnung auf ewiges Leben kein christliches Spezifikum sei und sich daher die Frage ergebe, wie »sich die Perspektive auf das ewige Leben verändert mit dem Tod dessen, der unter Pontius Pilatus am Kreuz gelitten hat, gestorben |10|ist und begraben wurde« (192). Dabei spiele der Tod Jesu in seiner sündentilgenden Funktion eine entscheidende Rolle: Nur so könne der Tod des Einen Auswirkungen auf die irdische (in Bezug auf die Vergebung der Sünden) und ewige (in Bezug auf die Auferstehung und das ewige Leben) Existenz der an ihn Glaubenden haben. Jesu Wirken und Tod seien dabei gleichermaßen als »epistemologische Zugangsweisen« zu verstehen, welche die Schriftgemäßheit des Heilsereignisses einsichtig machen, wobei im Neuen Testament nicht schon Jesu Sendung selbst, sondern erst seinem Tod sündenvergebende Wirkung zugeschrieben werde. Dirk Evers stellt sich der Herausforderung dieser systematisch-theologisch eher sperrigen Thematik, zumal in der von Deines vorgegebenen Zuspitzung. Ausgehend von grundlegenden Beobachtungen zu modernen Wahrnehmungsweisen in der Interpretation des Todes Jesu unternimmt es Evers, das historische Ereignis des Todes Jesu »nicht als ontologisches Geschehen oder im Sinne einer sekundären religiösen Deutung« zu verstehen, »sondern als in einem umfassenden Sinne effektiv-kommunikatives Ereignis« (211). Wichtig dabei sei, dass die Geschichte Jesu keine mythische Geschichte ist, sondern auch das Bekenntnis die historische Verortung »unter Pontius Pilatus« festhalte. Das Kreuz Jesu entfalte daher – im Licht der Auferstehung – ein mythenkritisches Potenzial, mit dem nicht nur aufgrund der innerweltlichen Verortung die Menschen selbst mit ihrem von der Sünde bestimmten Leben und Tod betroffen sind, sondern in Bezug darauf letztlich auch das Gottesverständnis theologisch produktiv auf neue Weise differenziert werde. Die dadurch infrage gestellte Beziehung von »Faktum und Bedeutung« (215) sei die eigentliche theologische Herausforderung der Neuzeit, und zwar insbesondere im Hinblick auf das Geschichtsverständnis. Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob bzw. inwiefern die Bedeutungszuschreibung zum historischen Faktum objektive Geltung beanspruchen könne oder nicht lediglich eine subjektive Illusion sei. Demgegenüber bringt Evers in seinem Ansatz den kommunikativen Charakter der Selbstmitteilung Gottes in der Geschichte Jesu zum Ausdruck »als der, der er auch außerhalb dieses historischen Ereignisses ist, und darin neue Möglichkeiten menschlicher Existenz eröffnet« (222). Dass dabei auch entwicklungsbiologische und -psychologische Aspekte hinsichtlich der Entwicklung des Ich-Bewusstseins zum Tragen kommen, macht Evers’ systematischen Entwurf interdisziplinär auch im Blick auf Disziplinen außerhalb der Theologie in besonderer Weise interessant.
|11|Vom Historisch-Faktischen wechselt die Perspektive in den Bereich der Mythologie, wenn es um die Aussage »hinabgestiegen in das Reich des Todes« geht. Marco Frenschkowski präsentiert zunächst in eindrücklicher Fülle die Vielfalt der altkirchlichen Descensusvorstellungen, um von diesen konkreten Ausprägungen her nach dem Gehalt der eher randständigen Aussage im Neuen Testament zu fragen. Hier treten insbesondere 1 Petr 3,19 und 4,6, aber auch andere Texte wie z.B. Phil 2,5–11 in den Blick. Frenschkowski hebt dabei die imaginative Kraft mythologischer Vorstellungen hervor, wie sie sich dann – ausgehend von den neutestamentlichen Motiven – in den altkirchlichen Ausprägungen dokumentiert. Auch werden interessante Einblicke in außerbiblische Katabasisliteratur und »Jenseitsimaginarien« geboten. In Anknüpfung an die bekannte Mythos-Definition des Sallust versteht Frenschkowski den Abstieg Jesu in die Unterwelt als mythische Rede, was bedeute, »dass hier anschaulich-mythisch von etwas Realem gesprochen wird, wovon sich in theologischer Begriffssprache nur verkürzt sprechen lässt« (283). Der Weg Jesu sei insofern in Analogie zur platonischen Vorstellung des Weges der Seele »von ganz oben nach ganz unten« zu verstehen. Matthias D. Wüthrich begibt sich seinerseits auf eine »systematisch-theologische Sinnsuche im Blick auf das Bekenntnis zum Descensus Jesu Christi« (287) und thematisiert zunächst das Befremden der Moderne mit dieser Vorstellung vor dem Hintergrund der im 20. Jh. geführten Entmythologisierungsdebatten. Unter den Stichworten »Siegesmotiv«, »Leidensmotiv« und »Predigtmotiv« entfaltet er traditionelle Vorstellungen und befragt sie auf ihr Sinnpotential hin. Wichtig ist dabei die Wahrnehmung des Bösen (bzw. mit Karl Barth: des Nichtigen), seiner bestimmenden Realität und den Möglichkeiten seiner Überwindung. Bemerkenswert sind nicht zuletzt die auf die (inneren und äußeren) Leiden Christi bezogenen, existentialen (und darin durchaus modern anmutenden) Deutungen bei Luther und Calvin. Im Ergebnis beeindruckt, dass Wüthrich dezidiert nicht dafür plädiert, diesen Topos bzw. Mythos aufzugeben, sondern konstruktiv – durchaus entsprechend zu Frenschkowskis religionsgeschichtlicher Perspektive – dessen »Mehrwert« herausarbeitet, der in der Veranschaulichung des endgültigen Sieges über das Nichtige bestehe.
Jörg Frey und Anne Käfer interpretieren die Aussage von der Auferstehung Jesu. Frey zeichnet diesen Aspekt zunächst innerhalb des neutestamentlichen Kontextes in den apokalyptischen Vorstellungshorizont jüdischer Zukunftserwartung ein, vor dem dieser spezifische |12|Bekenntnisinhalt von der Auferstehung eines Einzelnen als »Spezialfall der allgemeinen Totenauferweckung« (331) in der Geschichte entfaltet wurde. Dabei tritt die berechtigte Frage hervor, warum die Alte Kirche in ihrem Bekenntnis den leiblichen Aspekt festgehalten und nicht gleichsam spiritualisierend die unter Umständen »anschlussfähigere« Vorstellung einer Apotheose, einer unsterblichen Seele o.ä. eingetragen habe, obwohl die Auferstehung Jesu neutestamentlich explizit als Erhöhung bzw. Inthronisation des Gekreuzigten »zur Rechten Gottes« interpretiert wird. Damit deutet sich bereits an, dass der Glaubensinhalt einer »Auferstehung des Fleisches« mit der Vorstellung der Inkarnation, der »Fleischwerdung« des Logos in dem von Gott auferweckten Christus korrespondiert. Dabei ist nach Frey der Glaube an die Auferstehung Jesu nicht einfach eine mythologische Vorstellung, aber auch die Kategorie »historisches Ereignis« (W. Pannenberg) stelle eine »fatale Unterbestimmung« (336) dar. Vielmehr gehe es um die Wahrnehmung einer geschichtlich festzumachenden, authentischen Erfahrung, die zur Überzeugung vom schöpferischen Handeln Gottes am Gekreuzigten geführt habe. Dieses göttliche Handeln werde mit der Kategorie der Auferweckung zur Sprache gebracht und vor diesem Hintergrund – das ist das Entscheidende – die Bedeutung seines (Kreuzes-)Todes reflektiert. Anne Käfer nimmt den inkarnationstheologischen Faden auf und spitzt diesen mit Luther und Schleiermacher zu, indem sie die »Pointe des Menschgewordenseins Gottes« als »Erweis der Liebe des Schöpfers« versteht. Das Kreuz als Voraussetzung der Auferstehung des Menschgewordenen mache deutlich, »[d]ass diese Liebe unbedingt und uneingeschränkt ist« (356). Das ganze Ausmaß der Liebe Gottes werde aber erst durch die Auferweckung Jesu sichtbar. Hermeneutisch wichtig ist die Einsicht, dass die Gewissheit, die aus diesem Geschehen erwachse, nämlich die Gewissheit der Überwindung des Todes durch Gottes Liebe, nicht der historischen Vergewisserung bedarf. Vielmehr gelte es, den »auferstandenen Inkarnierten im Leben der Kirche« neu zur Geltung zu bringen, wobei den Sakramenten als Mittel und als Orten der Vergegenwärtigung eine entscheidende Bedeutung zukomme. Die Wahrheit des »Glaubens an Jesu Auferstehung von den Toten« lasse sich nicht historisch beweisen, sondern muss sich im Glaubensleben jedes und jeder Einzelnen als Wahrheit erweisen.
Der Weg Christi, den das Credo beschreibt, führt schließlich zur sessio ad dexteram »des allmächtigen Vaters«. Diesem Topos widmet sich zunächst Reinhard Feldmeier unter der besonderen Fragestellung |13|nach dem Verhältnis zwischen göttlicher Allmacht und menschlicher Freiheit. Ausgehend von der Vorstellung der »Selbstbegrenzung Gottes« im Hinblick auf die Ausübung seiner Macht wird auch das von Jesus Christus ausgesagte »Sitzen zur Rechten Gottes« konsequent als Heilsgeschehen interpretiert. Der Allmächtige teilt gleichsam seine Herrschaft. In der »Beteiligung« Christi an Gottes Herrschaft erweise sich dessen »Allmacht« als »Rettermacht« und ist »als solche Bedingung der Möglichkeit von Erlösung qua Neuschöpfung« (394). Gespiegelt werde diese Grundstruktur der Macht in der Ermächtigung derer, die von ihr verkündigen, wie anhand des Beispiels des Paulus und seinem »Ruhm der Schwachheit« ausgeführt wird. In dieser Art der Teilhabe an Gottes schöpferischer und die Welt (er-)haltender Macht gründe letztlich auch die Freiheit derer, die »Gottes Kinder« genannt werden. Martin Wendte stellt sich dieser bereits erkennbar systematisch ausgerichteten Vorgabe Feldmeiers, indem er ebenfalls Gottes »allmächtige Herrschaft und die Freiheit der Christgläubigen« (403) miteinander in Beziehung setzt. Wendte wählt dazu die Form der These und fordert damit umso mehr zur Auseinandersetzung heraus. Seine Überlegungen sind trinitarisch orientiert unter der Fragestellung, was sich hinsichtlich des Gottesbildes eigentlich verändere, wenn man es konsequent trinitarisch denkt. Im Zentrum steht dabei die Interpretation des Topos von der Allmacht Gottes als Allmacht der Liebe, in der sich Gottes kommunikatives Wesen entfalte. Damit gewinnt die Vorstellung einer innertrinitarischen Perichorese neues Gewicht in der Diskussion um die Eigenschaften und das Wesen Gottes. Im Hinblick auf die Freiheit des Menschen ist nach Wendte die Ermächtigung »zu freiem Sein und Tun« (408) durch Gott entscheidend, der darin den Menschen an seiner eigenen, durch die Allmacht der Liebe begründeten Freiheit partizipieren lasse, die sich konkret als Handlungsfreiheit (im Unterschied zu bloßer Wahlfreiheit) erweise. Ontologisch begründet wird dies durch Reflexionen über den Zusammenhang von Gott (als dem Ursprung der Wirklichkeit des Kosmos) und der Gegenständlichkeit des Geschaffenen. Der Regelhaftigkeit, die der Wirklichkeit zugrunde liegt, ließen sich nicht nur die drei Personen der Trinität zuordnen, sondern sie bestimme auch maßgeblich die Anthropologie und letztlich das Wesen von Wahrheit. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist Wendtes Interpretation des sessio-Motivs, die der exegetischen Deutung Feldmeiers nahekommt: Die »Rechte Gottes« sei kein Ort, sondern »vielmehr […] an allen Orten zu finden – sie ist allgegenwärtig –, da ohne sie die |14|Schöpfung nicht erhalten wird« (427). Dem Gottesdienst und speziell den Sakramenten komme dabei eine zentrale Funktion zu – Aspekte, die auch Anne Käfer hervorgehoben hat. Dass und inwiefern bei der Gestaltung der durch Gottes kommunikatives Wesen eröffneten »Möglichkeitsräume« menschlicher Freiheit auch die Dimension des deus absconditus nicht unreflektiert bleiben darf, schärft Wendte zum Schluss nachdrücklich ein.
Die letzte Zeile des christologischen Artikels thematisiert die Erwartung der Wiederkunft Christi zum Gericht, zweifellos eine der schwierigsten Vorstellungen innerhalb des Credos. Hermut Löhr und Markus Mühling gehen es mutig an. Aus neutestamentlicher Sicht und mit einem intensiven Blick auf die frühe patristische Zeit zeichnet Löhr zunächst die Entstehung dieser Vorstellung in der frühchristlichen Bekenntnisgeschichte nach. Apg 10 komme dabei eine Schlüsselfunktion zu, insofern der Topos von Christus als Richter in 10,42 neben anderen Aspekten des Credos im Kontext einer Rede des Petrus zur Taufe des Kornelius aufgenommen ist. Der Text lege nahe, dass die Ursprünge des Credo sehr wahrscheinlich mit der Taufunterweisung zusammenhängen. Die Vorstellung vom wiederkommenden Christus als Richter gehe in der Sache zurück auf die Vorstellung vom endzeitlichen Kommen des Menschensohns, eine Tradition, die vom Danielbuch über die frühjüdische Überlieferung Eingang in die neutestamentliche Literatur gefunden hat. Dabei zeige sich, dass der konkrete Bedeutungsgehalt der einzelnen Aussageelemente keineswegs eindeutig ist und nicht zuletzt auch im Kontext des Credos bestimmt werden muss; im Falle der Gerichtsankündigung etwa mit dem Topos der Sündenvergebung im dritten Artikel des Bekenntnisses. Hinzuzufügen wäre, dass natürlich auch die Interpretation der Allmacht Gottes unter der Maßgabe der Liebe hier systematisch-theologisch eine Rolle spielt. Vor dem Hintergrund der Traditionsgeschichte des Topos werde nicht zuletzt die Unschärfe der Aussagen vom »Richten der Lebenden und Toten« deutlich, da in der Tradition nicht nur von einem universalen Gericht über alle Menschen, sondern gelegentlich auch von einem Gericht allein über die Sünder die Rede sei. Dies gelte es ebenfalls im Kontext der Credoaussagen hermeneutisch einzuholen. Mühling versucht dies anhand von Thesen, in denen er den Topos des endzeitlichen Gerichtes konsequent auf der Grundlage einer »relational-narrativen Ontologie« (480) entfaltet. Die Vorstellung vom endzeitlich als Richter kommenden Christus ist darin Teil einer vielschichtigen Verschränkung ganz verschiedener Narrative, wobei |15|Kreuz und Auferstehung als christologischem Narrativ konstitutive Bedeutung zukomme. Insbesondere mit Strafen bzw. einer »Bewertung des Vergangenen« verbundene Gerichtsvorstellungen erwiesen sich dabei als Problem, »weil sie die intern-relationierte Verfassung des Personseins verkennen« (482). Das Gericht sei daher als »Prozess der Konstitution menschlicher Personalität zu verstehen« und setze einen »Transformationsprozess von der Narration im Hier und Jetzt in die Narration der eschatischen Realität« voraus (484). Als Exeget wird man sich fragen, inwieweit eine solche eschatologische Theorie mit Schrift und Tradition korreliert und insofern tatsächlich hermeneutische Plausibilität beansprucht. Mühlings Unterscheidung von Person und Tat, die auch biblisch-theologisch gut begründet ist (vgl. 1 Kor 3,11–15), deutet diese Korrelation an.
Das grundsätzliche Problem liegt freilich im Gegenstand der letzten Zeile des zweiten Bekenntnisartikels: Während alle anderen Aussagen sich auf vergangene Ereignisse der Christusgeschichte und deren Interpretation (bzw. die Interpretation ihrer Erzählung und der daraus bereits generierten Deutungen) beziehen, handelt die Aussage vom wiederkommenden Richter von der Zukunft. Über diese lässt sich letztlich nur im Modus der Metapher als Veranschaulichung von persönlicher Hoffnung bzw. Glaubensüberzeugung oder aber in Gestalt einer im positiven Sinne spekulativen Theologie reden, in der versucht wird, das interpretatorische Potenzial der Christusgeschichte konsequent auf die Zukunft derer zu beziehen, die in Bezug auf ihre eigene Geschichte entweder »an Christus glauben«, sich zu dieser Glaubensherausforderung ablehnend oder auch indifferent verhalten. Dass es hierbei Leerstellen geben muss, liegt in der Natur der Sache; dass auch in Bezug auf das Gericht als Urteil über das, was vom Leben bleibt, die Liebe Gottes der Maßstab des Urteils sein wird, in der Konsequenz der Christusgeschichte.
Im Hinblick auf den Ertrag der Tagung hat sich – als Resümee des Exegeten – vor allem gezeigt, wie groß der innertheologische Gesprächsbedarf ist. Die sich in dem vorliegenden Band dokumentierende Absicht ist es, Exegetinnen und Exegeten sowie Systematikerinnen und Systematiker zu einem solchen gemeinsamen Gespräch zusammenzubringen. Die Tatsache, dass alle Beteiligten der Einladung dazu gefolgt sind und sich diesem intensiven Austausch gestellt haben, hat zudem deutlich gemacht, dass der Bedarf einer solchen Verständigung über den im Zentrum des christlichen Glaubensbekenntnisses stehenden Artikel tatsächlich groß ist, zumal in Zeiten, in denen religiöser |16|Pluralismus ein Leitbegriff ist und die christlich geprägten Kulturen und Gesellschaften Europas vor große Herausforderungen gestellt sind. Die akademische Theologie in ihrer diese Prozesse begleitenden Funktion ist in ihrem Wesen wohl die am breitesten interdisziplinär vernetzte Wissenschaft, sowohl nach außen hin in Wissenschaftsbereiche außerhalb der Theologie, aber eben auch – und das kommt leider oft zu kurz – nach innen. Nicht zuletzt für Studierende der Theologie – sei es für das Pfarramt oder das Lehramt – ist zunächst der interne Diskurs der theologischen Disziplinen von großer Bedeutung, und das nicht nur in kognitiv-systematisierender Hinsicht. Wenn denn das Studium nicht nur zum Erwerb von »Kompetenzen« zur Ausübung eines mehr oder weniger krisensicheren »Jobs« befähigen, sondern auch heute noch zu so etwas wie einer »theologischen Existenz« führen soll, mit der junge Menschen sich identifizieren und die in der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus ihre eigentliche Aufgabe (um nicht zu sagen: »Mission«) sieht, dann ist es wohl gerade das apostolische Bekenntnis der Kirche, das gleichsam als traditionsgeschichtliche Zuspitzung ihrer Verkündigung vor dem Hintergrund sich verändernder Zeiten und Weltwahrnehmungen zu einer besonderen Beschäftigung mit seinen Inhalten nötigt. Rochus Leonhardt hat das kritische Potential dieser Herausforderung durch das Credo am Beispiel des Apostolikumstreites anschaulich gemacht. Der Ruf nach neuen, zeitgemäßen Bekenntnissen ist seitdem immer wieder einmal laut geworden, und vielen Menschen fällt es oft schwer, sich mit den alten Formeln und Formulierungen anzufreunden, ihnen etwas abzugewinnen, das ihren eigenen Glauben angemessen zur Sprache bringt. Die gerade in der traditionsgebundenen Formulierung liegende identitätsbildende Funktion des Credos für die Kirche spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es eher um die Möglichkeiten, sich in ganz persönlicher Weise mit den Aussagen des Credos zu identifizieren – oder eben nicht. Das ist hier nicht zu erörtern; die Hoffnung, die sich mit diesem Band und seinem Format verbindet, ist jedenfalls, dass die Beiträge in ihrem Bezug zueinander und auch in den Spannungen, die sie untereinander aufwerfen, insgesamt dazu beitragen, das Gespräch über den Glauben und seine Traditionen anzuregen, scheinbare Denk- und Glaubenstabus (die es in der Wissenschaft ohnehin per definitionem nicht geben darf) aufzubrechen, zum Widerspruch herauszufordern und so vor allem das eigenständige theologische Denken und eine verantwortungsbewusste Sprach- und Gesprächsfähigkeit zu fördern – kurz: zu |17|jener »theologischen Existenz« zu ermutigen, von der oben die Rede war.
Dass der Diskurs über das Credo in der Fokussierung auf Exegese und Dogmatik nur ein Anfang sein kann, sei noch einmal ausdrücklich bewusst gemacht. Aber – wie gesagt – irgendwo muss man beginnen. Zur Theologie gehört sub conditio mundi vel academiae auch die Pragmatik ihrer nicht zu vermeidenden Unzulänglichkeit. Mit einer bereits geplanten Folgetagung (und damit auch einem Folgeband) zum ersten und dritten Artikel sollen diese Bemühungen um einen Anfang fortgesetzt werden.