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Religiös motivierter Terror im 21. Jahrhundert: 140.000 zivile Todesopfer, die nichts mit dem Islam zu tun hatten?1
ОглавлениеRuud Koopmans
Der 11. September 2001 war der Anfang einer Terrorwelle, wie die Welt sie bisher noch nie gesehen hatte. In den zwanzig Jahren seit den Anschlägen auf die Twin Towers und das Pentagon kamen bei weltweit über 90.000 Terroranschlägen mehr als 180.000 Zivilisten ums Leben. Wie Abbildung 1 zeigt, ist sowohl die Zahl der Terroranschläge als auch die Zahl der Todesopfer in den fünfzig Jahren seit 1970 stark angestiegen, von mehreren Hundert terroristischen Gewaltakten pro Jahr weltweit in den frühen Siebzigerjahren auf über 10.000 im Jahr 2014. Die Zahl der Todesfälle durch terroristische Gewalt nahm noch stärker zu: von einigen Hundert pro Jahr in den frühen 1970er-Jahren bis über 24.000 im Jahr 2014. Seit 2014 ist das Ausmaß des globalen Terrors wieder rückläufig. Aber auch im Jahr 2019 starben noch fast 9.000 Zivilisten bei Terroranschlägen – fast doppelt so viele wie in den oft als Terrordekade wahrgenommenen 1970er-Jahren zusammengenommen.2
Abbildung 1: Zahl und tödliche Opfer von Terrorakten gegen zivile Ziele, 1970–2019
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Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis der Global Terrorism Database
Nicht nur das Ausmaß, sondern auch die regionale Verteilung der terroristischen Gewalt hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Abbildung 2 zeigt dies für die Zahl der Todesfälle bei Terroranschlägen in islamischen und nicht-islamischen Ländern. Bis Mitte der 1990er-Jahre fanden mit Abstand die meisten Terroranschläge außerhalb der islamischen Welt statt – definiert als die Länder mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Ab Mitte der 1990er-Jahre fängt die Zahl der Terroropfer in islamischen Ländern an zu steigen und lag 1997 erstmals und dann ab 2005 kontinuierlich über den Opferzahlen in nicht-islamischen Ländern. Im Zeitraum 2001–2019 waren 78 Prozent (139.000 von 178.000) aller Todesopfer durch Terroranschläge Personen aus mehrheitlich islamischen Ländern. Diese Opfer gingen fast ausschließlich auf das Konto von Gruppen, die sich in ihrem Namen und in ihren Zielen auf die islamische Religion beriefen – wie die afghanischen und pakistanischen Taliban, Boko Haram in Nigeria, Al Shabaab in Somalia sowie Al-Qaida und der sogenannte „Islamischen Staat“ in verschiedenen islamischen Ländern.
Terrorgruppen mit nicht-religiösen Zielsetzungen, etwa die kurdische PKK in der Türkei oder die Rebellen in der Region Balochistan in Pakistan, waren nur für einen sehr geringen Anteil der zivilen Terroropfer in islamischen Ländern verantwortlich. Umgekehrt ging aber von den 39.000 zivilen Terroropfern im Zeitraum 2001–2019 in nicht-mehrheitlich islamischen Ländern ein erheblicher Anteil auf das Konto islamistischer Gruppen, angefangen natürlich mit den 3.000 Menschen, die bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington starben. Aber auch in Ländern wie Kamerun, Kenia, Thailand und den Philippinen fielen zahlreiche Zivilisten islamischen Terrorgruppen zum Opfer. Insgesamt liegt die weltweite Zahl der zivilen Todesopfer islamischer Terrorgruppen im Zeitraum seit 2001 also deutlich über 140.000.
Abbildung 2: Zahl der tödlichen Opfer von Terrorakten gegen zivile Ziele in mehrheitlich islamischen und nicht-islamischen Ländern, 1970–2019
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Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis der Global Terrorism Database
Von dieser Gewaltwelle hat nur ein Bruchteil westeuropäische Länder getroffen: insgesamt starben im Zeitraum 2001 bis 2019 in Westeuropa 860 Menschen bei Terroranschlägen. Dennoch wurde der Terror auch in Europa mit insgesamt 653 Toten (76%) sehr stark von islamistischen Anschlägen dominiert. Zum Vergleich: Rechtsextremistische Terroristen waren für 121 Tote verantwortlich; separatistische Gruppen für 41 Tote; und Linksextremisten für lediglich 8 Tote (die übrigen Anschläge waren nicht politisch zuordenbar).3