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Verschwörungstheorien

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In der islamischen Welt ist die mit Abstand beliebteste Form der Leugnung die Verschwörungstheorie. In jedem Land gibt es wohl ein paar Verrückte, die glauben, dass die Landung auf dem Mond inszeniert wurde, dass der Holocaust nie stattgefunden hat, dass Elvis noch lebt und Paul McCartney schon lange tot ist. In der islamischen Welt ist diese Art von Torheit an der Tagesordnung, wenn es darum geht, die eigene Verantwortung für Terrorismus zu leugnen. Die Ansichten vieler Muslime zu den Anschlägen des 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten sind das bekannteste Beispiel dafür. Das amerikanische Pew Research Center hat Muslimen in Ländern auf der ganzen Welt die Frage gestellt: „Glauben Sie, dass Araber für die Anschläge auf die Vereinigten Staaten (World Trade Center und Pentagon) vom 11. September 2001 verantwortlich waren, oder glauben Sie das nicht?“ Abbildung 3 zeigt, dass große Teile der Muslime in den islamischen Ländern, die Teil der Studie waren – von 47 Prozent in Nigeria bis 75 Prozent in Ägypten –, nicht glaubten, dass Araber für die Angriffe verantwortlich waren. Noch bemerkenswerter ist vielleicht, dass selbst unter islamischen Einwanderern in westlichen Ländern viele nicht an die offizielle Version glauben. Unter den britischen Muslimen war dies sogar eine Mehrheit (56 Prozent), aber auch in anderen westlichen Ländern halten große Minderheiten zwischen 28 Prozent (USA) und 46 Prozent (Frankreich) die offiziellen Berichte über die Hintergründe des 11. September für falsch.

Abbildung 3: Prozentsatz der Muslime, die nicht glauben, dass Araber für die Anschläge des 11. September 2011 verantwortlich waren.

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Quelle: Pew Research Center

Aus den Befunden von Pew Research wird jedoch nicht klar, wen Muslime für verantwortlich halten. Eine Studie des britischen Think Tank Policy Exchange stellte daher die Frage anders: „Wer ist Ihrer Meinung nach für den 11. September verantwortlich?“9 Nur vier Prozent der britischen Muslime antworteten mit „Al-Qaida“. Sieben Prozent, glaubten, dass Juden hinter den Angriffen steckten, 31 Prozent, dass es die Vereinigten Staaten selbst waren, sechs Prozent erwähnten jemand anderen und 52 Prozent gaben an, es nicht zu wissen. Unter den nicht-islamischen Briten befanden sich auch einige Anhänger von Verschwörungstheorien, aber die große Mehrheit (71 Prozent) war doch der Meinung, dass Al-Qaida verantwortlich sei (16 Prozent gaben an, es nicht zu wissen; zehn Prozent gaben den USA und ein Prozent gab den Juden die Schuld). Um einen Einblick in die Gedankenwelt solcher Verschwörungstheorien zu gewinnen, ist es lehrreich zu hören, was britische Muslime in Gruppendiskussionen, die Policy Exchange mit ihnen führte, darüber sagten:

Interviewer: Jemand hat den 11. September erwähnt, denkst du, dass das eine Erfindung ist?

- Ja (allgemeine Zustimmung).

- Ja, sie haben den Film gemacht, den sie jetzt zeigen; ich glaube, sie wollen den Muslimen die Schuld geben.

- Es war alles im Voraus geplant.

- Ihre Pässe wurden unbeschädigt gefunden, weißt du?

- Ja, ich habe so etwas gehört.

- Außerdem arbeiten in den Twin Towers überwiegend Juden, aber kein einziger Jude war an diesem Tag auf der Arbeit.

- Keiner von ihnen war auf der Arbeit.

- Ich glaube, sie hatten auch die Twin Towers im Voraus versichert.

- Es war im Voraus geplant, ja.

- Ein Jahr im Voraus oder so, sie haben es für eine riesige Summe versichert.10

Wer glaubt, dass diese Art von Unsinn vor allem unter schlecht informierten, wenig gebildeten Muslimen verbreitet ist, irrt. Die Tatsache, dass so viele Muslime an Verschwörungstheorien glauben, ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass politische und religiöse Führer in der islamischen Welt bei der Verbreitung solcher Hirngespinste selbst vorangehen. Nach den Anschlägen Anfang 2015 in Paris spekulierte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoǧan, dass die Franzosen wahrscheinlich selbst daran beteiligt waren, mit der Absicht, Muslimen die Schuld in die Schuhe zu schieben:

Französische Staatsbürger begehen ein solches Massaker, und Muslime zahlen den Preis. Das ist sehr bemerkenswert. [...] Behalten ihre Sicherheitsdienste nicht im Auge, wer das Gefängnis verlässt? Wir müssen uns bewusst sein, dass Spielchen mit der islamischen Welt getrieben werden. Die Heuchelei des Westens ist offensichtlich. Als Muslime haben wir uns noch nie terroristischer Massaker schuldig gemacht. Dahinter stehen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie.11

Als wolle er beweisen, dass es innerhalb der AKP Erdoǧans durchaus Raum für unterschiedliche Meinungen gibt, meinte der damalige Bürgermeister von Ankara, Melih Gökçek, dass nicht Frankreich, sondern Israel hinter den Anschlägen in Paris stecke: „Der Mossad steckt sicherlich hinter solchen Vorfällen. [...] Sie sind damit beschäftigt, die Feindseligkeit gegenüber dem Islam zu verstärken.“

Nach Ansicht vieler Muslime ist die Terrororganisation Islamischer Staat auch eine Schöpfung des Westens und der Juden. Es sind einflussreiche Leute, die diese Botschaft in die Welt setzen. Ahmed Al-Tayeb, der Großmufti der Al-Azhar-Universität in Kairo, die als wichtigste religiöse Institution in der sunnitischen Welt gilt, verkündete 2015 in Saudi-Arabien auf einer Konferenz zur Bekämpfung des Terrorismus:

Wir sind mit großen internationalen Verschwörungen gegen Araber und Muslime konfrontiert, mit dem Ziel, die Gesellschaft so zu spalten, wie es den Träumen des neuen Weltkolonialismus entspricht, der ein Bündnis mit dem Weltzionismus gebildet hat – Hand in Hand und Schulter an Schulter. [...] Das Ergebnis dieser ausgefeilten Manipulationen ist, dass der Irak verloren gegangen ist, Syrien verbrannt, Jemen auseinandergerissen und Libyen zerstört wurde. Sie haben noch viel auf Lager, von dem nur Gott weiß und vor dem wir Schutz bei Gott suchen.12

So etwas sagen nicht etwa irgendwelche Hassprediger in salafistischen Moscheen, sondern politische und religiöse Führer, die als „gemäßigt“ gelten müssen. Es fasst den desolaten Zustand der islamischen Welt zusammen, dass so viel Macht in den Händen von Politikern und religiösen Führern liegt, die Ideen verbreiten, die an nationalsozialistische Parteitage erinnern würden, wenn man im obigen Zitat „Araber und Muslime“ durch „Deutschland und das deutsche Volk“ ersetzte.

Lehren aus 9/11

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