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Оглавление06 Keine Sorge um den Sonntag
An jenem Sonntag-Nachmittag stutzte ich, als ich sah, dass ein Mann in Arbeitskleidung den Hof am Straßenrand kehrte. Sofort kamen mir zwei Erinnerungen. Irgendwo habe ich irgendwann eine Bemerkung von Kardinal Meisner gelesen, der von seiner DDR-Zeit berichtete: Katholische Dörfer habe er daran erkannt, dass dort am Samstag-Nachmittag der Hof und die Straßenrinne gekehrt wurde. Das erinnerte mich wiederum an mein Westerwälder Heimatdorf. Am Samstag-Nachmittag wurde gekehrt. Und es wurde gebadet. Denn: Morgen ist Sonntag. Am Sonntag gab es besseres Essen, den berühmten Sonntagsbraten. Man zog Sonntagskleidung an. Hose und Hemd ließen geradezu körperlich spüren, dass dieser Tag etwas Besonderes war, und man nicht an die Schule, an die Mitarbeit in der kleinen Landwirtschaft denken musste. Dass die Sonntagsmesse wohl letztlich der Grund für die „gute“ Kleidung war, das ahnte die Kinderseele schon früh.
Heute noch pflege ich Sonntagskleidung, ziehe niemals den Anzug an, den ich am Werktag trage. Und ich gestehe, dass es mir immer noch ein bisschen Mühe macht, wenn ich beim Frühstück auf Mitbrüder treffe, die nach meinem Gefühl nicht sonntäglich gekleidet sind. Alles ist eben Biographie, sagen Psychologen.
Der Sonntag ist nicht mehr das, was er mal war. Und wir Katholiken sind selbst mit daran Schuld. In der Nachkonzilszeit haben wir die Vorabendmesse eingeführt. Sie bröckelt allerorten, denn die Sonntagabendmesse ist attraktiver geworden, entspricht sie doch eher heutigem Lebensrhythmus. Jedenfalls öffnete die Vorabendmesse etwa den Feuerwehren und Sportvereinen das Tor zu Übungen und Turnieren am Sonntagmorgen.
Dass viele in der Wirtschaft die Sonntagsruhe gerne aufweichen wollen, damit der Rubel rollt und sich Investitionen sich lohnen, ist sogar verständlich. Aber Christen und Gewerkschaften sind in der Sonntagsfrage gottlob gute Verbündete. Der Sonntag ist der „Tag des Herrn“, für viele der Tag des gemeinsamen Gottesdienstes. Für viele auch der „Tag der Familie“. Und der Tag „kollektiven Sammelns“. Da ist man frei für gemeinsames Tun. Und für’s Ruhn.
Dieses Ruhen geschieht vielfach vor dem Bildschirm. Fernsehen oder Internet. Gibt es eigentlich noch den obligatorischen Sonntagsspaziergang? Vielleicht führt der an Schaufenstern vorbei. Die Geschäfte dürfen nicht geöffnet haben. Das kann man unterlaufen, indem man sich das Hemd oder den Rock im Internet bestellt. Das ist für die Geschäftsinhaber bitter (ich verstehe, dass sie gern sonntags geöffnet hätten). Gut, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass sonntags Call-Center etwa von online-shops nicht arbeiten dürfen.
Auch die moderne Welt mit ihrer Freiheit und ihren ungeahnten Möglichkeiten muss ihren Respekt dem „Kulturgut“ Sonntag zollen. Ob der Sonntag „Tag des Herrn“ bleibt, das liegt in der Verantwortung aller Christen unseres Landes. Dass der Sonntag Sonntag bleibt, das haben alle Bürgerinnen und Bürger in der Hand, besonders jene, die Verantwortung haben in Wirtschaft und Kultur, Medien und Politik. Da in diesen Bereichen immer noch sehr viele Christen tätig sind (früher sprach man von Laienapostolat), mache ich mir um den Sonntag – Kleidung hin, Kleidung her – keine großen Sorgen.
P. Alexander Holzbach SAC