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03 Das 18. Kamel

„Wer möchte ich geworden sein, wenn ich gewesen bin?“ Dieser Frage können wir uns nicht früh genug stellen. Sie zielt auf den Sinn unseres Lebens und motiviert, einen Lebensstil zu entwerfen, den man auf dem Sterbebett nicht zu bereuen braucht. Der Rückblick auf das Leben kann beglücken, aber auch belasten. Als ich zwei Jahre als Novize im Osterseifen bei Olpe verbrachte, lernte ich den Mitbruder Johannes Jünger kennen. Er war Missionar in Kamerun gewesen und danach lange Jahrzehnte in Südamerika als gefragter Architekt tätig. Er hatte es verstanden, erdbebensichere Häuser zu bauen. Inzwischen war er alt geworden. Eines Tages musste er sich an beiden Augen einer Staroperation unterziehen. Drei Wochen waren die Augen verbunden. Weil mir die Aufgabe eines Krankenwärters zugewiesen war, habe ich ihm jeden Tag das Essen gebracht und ihn mit Medikamenten versorgt. Eines Tages fragte ich ihn, ob es ihm nicht langweilig sei, den Tag zu verbringen, ohne sehen, lesen und spazieren gehen zu können. Er lachte und sagte: „Endlich habe ich einmal die Zeit, mein ganzes Leben Revue passieren zu lassen und bei den einzelnen Stationen zu verweilen, – und es war manchmal schwer, aber überall schön.“ Er blickte froh und dankbar zurück. Nicht jeder empfindet eine solche Freude, wenn er auf sein Leben zurück schaut. Es ist eine sinnvolle Aufgabe, schon früh damit zu beginnen, das Leben so zu gestalten, wie man sich auf dem Sterbebett wünschen wird, so gelebt zu haben.

Wer möchte ich sein? Wer soll ich sein? Was erwarten die anderen von mir? Was erwarte ich selbst von mir? Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind.

In seiner Studentenzeit hat ein Freund folgenden Satz formuliert und an die Wand gehängt: „Es ist nicht schwer, ein Kamel zu sein. Aber es ist schwer, das 18. Kamel zu sein.“ Hintergrund dieses Satzes war ein Rätsel. Ein Kamelbesitzer hatte drei Söhne. Er verfügte, dass bei seinem Tod einer die Hälfte, der andere ein Drittel und der dritte ein Neuntel von seinem Besitz an Kamelen bekommen soll. Als er starb, hatte er 17 Kamele. Die Söhne waren ratlos. Wie sollten sie die 17 Tiere nach der Vorgabe des Vaters aufteilen?

Da fragten sie einen weisen Mann. Der sagte: Ich gebe euch eines von meinen Kamelen dazu und dann könnt ihr teilen. Der eine bekam die Hälfte, das heißt 9 Kamele, der andere 6 Kamele und der dritte 2. Die Summe ergibt 17. Das 18. Kamel blieb übrig. Das nahm der Weise wieder mit.

Das 18. Kamel diente dazu, eine schwierige Situation zu lösen. Dann war es wieder überflüssig. Deshalb hatte mein Freund geschrieben: Es ist schwer, das 18. Kamel zu sein. Er wollte damit zum Ausdruck bringen: Es ist schwer, in einer schwierigen Situation zu helfen und sich dann wieder überflüssig zu machen. Sich nicht für unentbehrlich zu halten, sondern für einen Dienst zur Verfügung zu stehen. Ähnliches hinterließ der heilige Vinzenz von Paul: „Wenn wir unsere Aufgabe erfüllt haben“, sagte er, „dann ziehen wir die Tür zu, schließen sie ab, legen den Schlüssel unter die Fußmatte und gehen.“

Aber es braucht auch ein Gegengewicht. Wir brauchen auch bleibende Beziehungen, die Freundschaft mit Menschen, bei denen wir immer wieder gern verweilen und gleichsam zuhause sein können. Wo wir uns nicht nach getaner Tat sofort verabschieden, sondern noch eine Weile bleiben. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, erinnere ich mich an Menschen, mit denen ich ein Stück Weg gegangen bin. Aber dann haben wir uns aus den Augen verloren. Es bleibt jedoch die Erinnerung an eine wohltuende und wichtige Wegstrecke. Aber es ist auch wichtig, loslassen zu können, um für neue Aufgaben offen und gewachsen zu sein. Doch es braucht auch tragende Beziehungen, die bleiben und aus denen ich lebe – in innerer Freiheit und im Wissen, füreinander da zu sein und sich aufeinander verlassen zu können.

„Wer möchte ich geworden sein, wenn ich gewesen bin?“ Jemand, der da ist, um zu helfen. und der auch loslassen kann. Und jemand, der sich über Menschen freut, auf die er sich verlassen kann und mit denen er gern unterwegs ist.

P. Heribert Niederschlag SAC


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