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Generaloberst Karl von Einem gen. von Rothmaler

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von Carsten Siegel

Karl Wilhelm Georg August Gottfried von Einem (seit Namensvereinigung 1884) genannt von Rothmaler wurde am Neujahrstag des Jahres 1853 in Herzberg am Harz als ältester Sohn des königlich hannoverischen Rittmeisters George August von Einem und von Julie von Einem geb. von Hedemann in eine Familie mit langer Militärtradition hineingeboren. Sein Großvater väterlicherseits, Gottfried von Einem, diente unter anderem als Adjutant Wellingtons, sein Urgroßvater mütterlicherseits war kein Geringerer als der Freikorpsführer Wilhelm von Dörnberg.1

Nach der Niederlage Hannovers im Deutschen Krieg trat Einem im Mai 1867 auf eigenen Wunsch in die preußische Kadettenanstalt Bensberg am Rhein ein, die er aber bereits nach einem Jahr in Richtung Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde wieder verließ. Mit gerade einmal 17 Jahren erhielt von Einem am 3. August 1870 seine Einberufung zur Ersatzschwadron des Ulanen-Regiments Nr. 14 in Münster. Mit seinem Regiment nahm er 1870/71 unter anderem an der Belagerung von Metz und der Schlacht um Amiens teil. Nach der Rückkehr des Regiments nach Deutschland avancierte der junge Leutnant zum Regiments- und später, ab 1876, zum Brigade-Adjutanten der 8. Kavallerie-Brigade in Erfurt. In dieser Stellung machte er die Bekanntschaft mit der Tochter seines Kommandeurs Marie von Rothmaler, welche er schließlich am 26. September 1877 heiratete. Seit dem 1. Mai 1880 zur Dienstleistung im Generalstab kommandiert, wurde er nur ein Jahr später dauerhaft in diesen versetzt. Das war umso ungewöhnlicher, da Einem nur die Kriegsschule in Kassel, nicht aber die Kriegsakademie in Berlin besucht hatte. Dies spricht dafür, dass er einerseits einflussreiche Fürsprecher hatte, andererseits aber auch als besonderes Talent angesehen wurde.

Zwischen 1882 und 1898 gelang Einem eine beachtliche Karriere mit immer wieder wechselnden Verwendungen in Truppe und Generalstab. So führte er unter anderem zwischen Januar 1894 und Oktober 1895 als Oberstleutnant das Kürassier-Regiment Nr. 4, um im Anschluss als Oberst den Posten des Generalstabschefs des VII. Armeekorps in Münster zu bekleiden.2 Eine auch für seine weitere Karriere einschneidende Veränderung stellte die Versetzung ins preußische Kriegsministerium im September 1898 dar. Dort übernahm er zunächst den Posten des Chefs der Armee-Abteilung, bevor er am 22. Mai 1900, inzwischen Generalmajor, zum Direktor des Allgemeinen Kriegs-Departments aufstieg, womit er de facto zum Stellvertreter von Kriegsminister Heinrich von Goßler avancierte. Die zunehmende Unzufriedenheit Kaiser Wilhelms II. mit seinem Kriegsminister sowie die immer stärker hervortretende Ablehnung des Reichstages diesem gegenüber führte am 10. Mai 1903 zu Goßlers Entlassung. Einem wurde zuerst vorläufig mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Ministers betraut und nur wenige Wochen später, am 14. August 1903, auch offiziell zum preußischen Kriegsminister ernannt.3

Mit seiner Ernennung stieg Einem in eines der höchsten und verantwortungsvollsten Ämter auf, welches die preußisch-deutsche Armee zu bieten hatte. Unter Zeitgenossen galt es aber gleichzeitig auch als die undankbarste Aufgabe, die Heer und Staat zu vergeben hatten.4 Das preußische Kriegsministerium war die oberste Militärverwaltungsbehörde des Deutschen Reiches, verfügte selbst aber über keinerlei Kommandobefugnisse gegenüber der Armee. Als Kriegsminister verantwortete er die Ausbildung und Organisation des Heeres sowie die Entwicklung und Einführung neuer Waffen und Ausrüstung. Auch oblag Einem, der das Parlament und seine Vertreter verachtete, die Vertretung der Interessen der Armee nach außen, das heißt gegenüber Regierung und Reichstag. Trotz dieses Umstandes gewann er schnell das Vertrauen sowohl seiner Untergebenen als auch das der Mehrheit des Reichstages. Er galt als Person „von scharfem Verstande, bewundernswert schneller Auffassung, größter Gewandtheit in Schrift und Wort, erstaunlichem Gedächtnis, [und] großer Geschicklichkeit in mündlichen Verhandlungen.“5 Außerdem gehörte er in seiner Position zu den engsten militärischen Beratern des Monarchen. Dabei kam ihm zugute, dass er mit dem zeitweise schwierigen Naturell des Kaisers umzugehen wusste und sich gegen diesen häufig durchzusetzen verstand. Demgegenüber stand eine gewisse Scheu vor Konflikten.


Karl von Einem auf einer Porträtaufnahme um 1910

Einem machte nie einen Hehl aus seiner Ablehnung gegenüber dem Reichstag und plädierte im engeren Kreis sogar zeitweise für die Abschaffung des bestehenden Reichstagswahlrechts.6 Auch empfand er eine tief sitzende Aversion gegenüber der Sozialdemokratie. Dass er eigenem Bekunden nach niemals einem Sozialdemokraten bewusst die Hand gereicht hatte, schrieb er noch in seinen Erinnerungen mit Stolz.7 Für das preußisch-deutsche Militär sah er in der wachsenden Zahl sozialdemokratisch gesinnter Rekruten eine Gefahr für das innere Gefüge der Truppe und deren Zuverlässigkeit, weshalb er sie von Amts wegen bekämpfte. So beantragte er etwa am 17. April 1907 bei der Reichsanwaltschaft die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Karl Liebknecht wegen dessen Schrift Militarismus und Antimilitarismus. Dieser wurde daraufhin vom Reichsgericht wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt.

Einems Amtszeit als Kriegsminister war vor allem durch rüstungspolitische Zurückhaltung geprägt. Anfänglich plädierte er im Einvernehmen mit seinem Amtsvorgänger sowie mit Reichskanzler Bernhard von Bülow für eine qualitative statt quantitative Rüstung des Heeres.8 Für ihn war die organisatorische Entwicklung der Armee vorerst abgeschlossen. Nun galt es, bestehende Lücken in Ausrüstung und Bewaffnung zu schließen und die innere Qualität des Heeres zu heben. Hintergrund dieser Politik war sein Bestreben, ein politisch zuverlässiges und sozial homogenes Offizierkorps zu erhalten, also wenn möglich eine Absenkung der Ansprüche an die Herkunft der Rekruten zu vermeiden.9 Im Kontext eines solchen standeskonformen Offizierkorps muss sicherlich auch seine Rede vor dem Reichstag im Gefolge der Harden-Eulenburg-Affäre gedeutet werden, in welcher er seine Abscheu gegenüber homosexuellen Offizieren äußerte. Er forderte diese zum Verlassen der Armee auf und drohte ihnen andernfalls mit „Vernichtung“.10

Vor allem aber zwang die schlechte Finanzlage des Reiches, versursacht unter anderem durch die immense Flottenrüstung, zu einer rigiden finanziellen Selbstbeschränkung. So verschob er in seiner Amtszeit mehrfach Heeresvorlagen in der Hoffnung, später günstigere Bedingungen für deren Durchsetzung zu finden. Er ging sogar so weit, von sich aus einen ausdrücklichen Verzicht auf die vollständige Durchführung der Wehrpflicht auszusprechen – ein Vorgehen, welches schlussendlich zu einem mehrjährigen rüstungspolitischen Stillstand bei den deutschen Landstreitkräften führte.11 Sosehr er sich auch gegen eine personelle Vermehrung des Heeres stemmte, umso aufgeschlossener zeigte er sich gegenüber der technischen Modernisierung der Armee. So kam es unter seiner Ägide zur dringend notwendigen Umrüstung der Artillerie auf moderne Rohrrücklaufgeschütze und zur Einführung des Gewehrs Modell 98. Außerdem unterstützte er die Entwicklung der Luftschiffe des Grafen Zeppelin. Ebenso nachhaltig wie seinerzeit umstritten war zudem die Einführung feldgrauer Uniformen, welche General von Einem auch gegen den anfänglichen Widerstand des Kaisers durchsetzte.12

Der ständige Kampf um finanzielle Mittel für die Belange des Heeres und die Art und Weise der Bülow’schen Regierungsführung brachten Karl von Einem zusehends in Konflikte mit der Reichsleitung. Daher verwundert es kaum, dass er den Rücktritt Bülows am 14. Juli 1909 begrüßte. Er selbst bat nur wenige Wochen später darum, von seinen Pflichten als preußischer Kriegsminister entbunden zu werden. In seinen Memoiren begründete er dies zum einen mit der Ankündigung des neuen Kanzlers Theobald von Bethmann Hollweg, an der rigiden Sparpolitik festzuhalten, zum anderen mit gesundheitlichen Problemen und Amtsmüdigkeit.13

General von Einem wurde vom Kaiser daraufhin zum 1. September 1909 als Kommandierender General des VII. Armeekorps in Münster eingesetzt. In dieser Funktion war Einem oberster Soldat im Bereich seines Armeekorps und nur dem Kaiser selbst verpflichtet, bei dem er Immediatrecht genoss. Er trug die Verantwortung für alle Truppen in seinem Korpsbezirk und hatte deren Ausbildung zu überwachen. Bei inneren Unruhen konnte er aber ferner die vollziehende Gewalt von den zivilen Stellen übernehmen. Dieser Fall trat 1912 während des großen Bergarbeiterstreiks ein, als er Truppen zur Beendigung des Streiks einsetzte, wobei er durchaus umsichtig agierte und eine weitere Eskalation der Situation vermied.14

An der Spitze seines VII. Armeekorps zog Karl von Einem schließlich 1914 im Verband der 2. Armee unter Generaloberst Karl von Bülow in den Ersten Weltkrieg. Kaum in Eupen aus dem Zug gestiegen, erhielt er am 8. August das Kommando über die Belagerungstruppen vor Lüttich. Sofort ließ er die verlustreichen wie erfolglosen Frontalangriffe der Infanterie einstellen. Mithilfe der extra zu diesem Zwecke vor dem Krieg aufgestellten schweren Belagerungsartillerie gelang es seinen Truppen bis zum 16. August, sämtliche Festungswerke zur Kapitulation zu zwingen.15 Im weiteren Verlauf des Vormarsches durch Belgien und Nordfrankreich bildete Einems VII. Armeekorps das rechte Flügelkorps der 2. Armee und damit die Verbindung zur 1. Armee von Generaloberst Alexander von Kluck. Einem weilte damit im entscheidenden Augenblick am Brennpunkt des Westfeldzuges. Und er schien das drohende Unglück an der Marne frühzeitig zu erahnen. So wies er bereits am 4. September in seinem Tagebuch auf den bedenklichen Umstand hin, dass die 1. und 2. Armee ohne Zusammenhang agieren würden.16 Außerdem erkannten Einem und sein Stab bereits früh die immer weiter klaffende Lücke zwischen beiden Armeen. In den folgenden Tagen äußerte er immer wieder sein völliges Missfallen über die operativen Maßnahmen Bülows, dessen Agieren er für verrückt hielt, da es die Lücke zur 1. Armee stetig größer werden ließ und so die Gefahr einer Trennung der beiden Großverbände erhöhte.17 Der Ausgang der Schlacht an der Marne bestätigte schließlich die Befürchtungen Einems.

Schon während des Vormarsches berichtete Einem mehrfach über Angriffe der belgischen Zivilbevölkerung auf seine Einheiten.18 Über die Folgen schrieb er bereits am 10. August an seine Frau: „Hier hat sich wenig geändert, doch scheint die hinterlistige und abscheuliche Mordgier der Belgier im Abflauen durch das energische Vorgehen unsererseits. Wir haben leider sehr viel sengen und brennen müssen und viele Bewohner haben ihr Land eingebüßt.“19 Einem hielt die deutschen Repressalien gegenüber der belgischen Zivilbevölkerung, das heißt Erschießungen und das Anzünden ganzer Dörfer und Städte, für notwendig und legitim. Kriegsverbrechen konnte er darin jedenfalls nicht erblicken.

Die Niederlage des preußisch-deutschen Heeres an der Marne hatte weitreichende, auch personelle Konsequenzen für das Westheer. So erhielt General von Einem am 12. September das Kommando über die 3. Armee von Generaloberst Max von Hausen. Dem sich nun im Verlauf des Herbstes und Winters 1914/15 auch im Frontabschnitt seiner Armee entwickelnden Graben- und Stellungskrieg konnte er von Anfang an wenig abgewinnen, da dieser die Moral der Soldaten schwer schädige. Auch würden die ständigen Artillerieangriffe die Psyche der Soldaten schwer belasten und keine operativen Ergebnisse liefern. Von den Leistungen seiner Soldaten zeigte er sich während des Krieges immer wieder tief beeindruckt. Er empfand tiefen Respekt für deren Mut und Durchhaltewillen. Trotz der schweren Strapazen während der langen Märsche und an der Front kämpften sie tapfer und diszipliniert.20 Ebenfalls kritisch äußerte er sich ab Mitte 1915 über die Verwendung neuartiger Kriegsmittel, allen voran von Giftgas, da diese Kriege nicht ausrotten, sondern nur furchtbarer machen und damit den Hass zwischen den Völkern schüren würden. Darüber hinaus beklagte er bereits am Tag des erstmaligen Giftgas-Einsatzes in einem Brief an seine Frau den zunehmenden Mangel an Ritterlichkeit in diesem Kriege.21 Nichtsdestoweniger kam auch an seinem Frontabschnitt bis Kriegsende immer wieder Giftgas zum Einsatz.

Seine erste Bewährungsprobe als Oberbefehlshaber der 3. Armee erlebte er bei der Abwehr des französischen Durchbruchsversuchs in der Champagne zwischen Reims und den Argonnen im Winter 1915. Ihm und seinen Truppen gelang es, den Durchbruch der zahlen- und materialmäßig deutlich überlegenen französischen Armee zu verhindern. Besonders drückend wirkte sich dabei der massive Munitionsmangel auf deutscher Seite aus, ein Problem, das nach dem Krieg auch Einem und seinem Wirken als Kriegsminister angelastet wurde. Nachdem ein erneuter Durchbruchsversuch im Herbst 1915 durch die 3. Armee abgewiesen werden konnte, blieb die Front in diesem Bereich, mit Ausnahme einer erneuten französischen Offensive 1917, bis zur deutschen Sommeroffensive 1918 weitestgehend ruhig. Bereits im Januar 1915 zum Generaloberst befördert und für seine Leistungen in der Winterschlacht am 15. März mit dem Pour le Mérite ausgezeichnet, verblieb Einem bis 1918 in seiner Stellung. Ob dies nun als besondere Wertschätzung seiner defensiven Fähigkeiten verstanden werden kann oder eher als Abschieben an einen verhältnismäßig ruhigen Frontabschnitt, bleibt dabei aufgrund fehlender Quellen unklar – ungewöhnlich war es auf jeden Fall.

Die relative Ruhe an seinem Frontabschnitt ermöglichte es Einem, die aktuellen politisch-militärischen Geschehnisse eingehend zu analysieren sowie in Briefen und Tagebucheinträgen zu kommentieren. So beschäftigte er sich etwa ab 1916 intensiv mit der Frage des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, dessen Aussetzung er für einen schweren Fehler und für das Eingeständnis deutscher Schwäche durch die Regierung Bethmann Hollweg hielt.22 Auch er glaubte den Versprechungen der Marineleitung, dass der U-Boot-Krieg Großbritannien innerhalb weniger Monate an den Verhandlungstisch bringen würde. Dementsprechend erfreut reagierte er am 1. Februar 1917 auf die Entscheidung für dessen Wiederaufnahme. Die wenig später folgende Kriegserklärung der USA konnte dabei sein Gefühl, von einem enormen Albdruck befreit worden zu sein, nicht trüben.23 Einem nahm an, dass die amerikanischen Verstärkungen nicht, oder wenigstens zu spät, über den Atlantik nach Europa gelangen würden. Zweifel am Erfolg der U-Boote kamen ihm erst ab Juni 1918. Weder war es bis dahin gelungen, den Transport von 700.000 bis 900.000 amerikanischen Soldaten auf den europäischen Kontinent zu verhindern, noch zeigte sich Großbritannien friedensbereit. Die Verantwortung dafür sah er sowohl bei der Marineführung, die völlig unrealistische Versprechungen gemacht hatte, als auch beim Reichskanzler, der zu lange mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg gezögert hatte.24

Ein ähnlich zögerliches und übertrieben nachgiebiges Verhalten warf er der Regierung wenig später bei den Friedensverhandlungen mit Russland in Brest-Litowsk vor. Einem begrüßte die revolutionären Entwicklungen in Russland seit Februar 1917 freudig, wirkten diese doch zum Vorteil des preußisch-deutschen Heeres an der Ostfront. Einzig der Umgang mit der russischen Zarenfamilie stieß Einem, dem überzeugten Anhänger der Monarchie, übel auf. In den russischen Entwicklungen sah er zudem all seine Vorurteile und Befürchtungen über das Wesen und Wirken der Sozialdemokratie bestätigt und fürchtete ähnliche Auswüchse auch in Deutschland.25 Nach der Unterzeichnung des Friedens am 3. März 1918 war er aber optimistisch, den Krieg im Westen mit den Truppen aus dem Osten innerhalb eines Jahres beenden zu können.26 Das Schicksalsjahr 1918 brachte für das preußisch-deutsche Heer im Westen eine letzte große Operation, in deren Verlauf auch Einems 3. Armee noch einmal zur Offensive beiderseits von Reims überging. Nach deren Scheitern zog sie sich im Herbst 1918, von amerikanischen Verbänden hart bedrängt, in die Maas-Antwerpen-Stellung zurück.

Wie seine Aufzeichnungen aus der Kriegszeit erkennen lassen, sorgte sich Karl von Einem schon seit Mitte 1916 um den Fortbestand der Monarchie in Deutschland. Durch die zunehmende Stärkung parlamentarischer Kräfte mit immer weiterführenden Zugeständnissen, etwa den Wahlrechtsänderungen für das preußische Abgeordnetenhaus im April 1917, sah Einem die „Republik im Anmarsch“.27 Daher überraschten ihn die Ereignisse an der Heimatfront ab August 1918 nicht sonderlich. Schuld an der kriegsmüden und revolutionären Stimmung im Reich hätten dabei auch die ständigen euphorischen Siegesmeldungen der offiziellen Stellen, die Erwartungen geweckt hätten, deren Nichterfüllung nun zu großer Enttäuschung unter der Bevölkerung führen musste.28 Auf einen Sieg rechnete Einem ab August 1918 nicht mehr, sondern hoffte nur noch auf einen erträglichen Frieden und den Erhalt der Monarchie. Deren Sturz am 9. November 1918 und den Waffenstillstand zwei Tage später kommentierte er verbittert in seinem Tagebuch mit den Zeilen: „Wir sind tief gedemütigt und zugrunde gerichtet. […] Selig die Toten, die das nicht zu erleben brauchten!“29

Das Ende des Krieges brachte für Einem doch noch einmal eine Veränderung. Nach der Abdankung Kaiser Wilhelms II. und dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes übernahm er das Kommando über die Heeresgruppe des deutschen Kronprinzen, da dieser infolge seines Thronverzichts ebenfalls den Weg ins Exil antreten musste. Er führte seine Truppen geordnet ins Reich zurück und wurde dort letztendlich am 18. Januar 1919 zur Disposition gestellt, womit eine fast 50-jährige Militärkarriere ihr Ende fand.

Nach dem Krieg wurde es vorerst ruhig um den ehemaligen Generaloberst. Erst Ende der 1920er-Jahre trat er wieder stärker in die Öffentlichkeit, als er begann, sich für die konservativen Kräfte, vor allem für die DNVP unter Alfred Hugenberg, politisch zu engagieren. So nahm er unter anderem auf dessen Einladung an der Gründungsveranstaltung der Harzburger Front am 11. Oktober 1931 teil. Auch nutzte er seine guten Kontakte zum inzwischen zum Reichspräsidenten gewählten Paul von Hindenburg und warb bei diesem intensiv für eine Kanzlerschaft Hugenbergs.30 Dieser lehnte jedoch eine Berufung des DNVP-Führers ab, was im weiteren Verlauf zu einer zunehmenden Entfremdung der beiden ehemaligen Kriegskameraden führte. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Reichspräsidentenwahl 1932, als Einem es in seiner Funktion als Vorsitzender des Waffenrings der Deutschen Kavallerie ablehnte, eine Wahlempfehlung für Hindenburg auszusprechen.31 Er begründete dies damit, dass dieser der Kandidat der Sozialdemokratie und des Zentrums sei. Sein Hass auf die SPD hatte sich durch die Ereignisse der Jahre 1918/19 noch einmal gesteigert und war inzwischen unversöhnlich.32 Seine Mitgliedschaft in der nationalistisch-monarchistischen Vereinigung „Bund der Aufrechten“, deren „Erster Bundesführer“ er ab Februar 1933 wurde, zeigte seine weiterhin ungebrochene monarchistische Gesinnung.33 Trotzdem begrüßte er die Machtübernahme Adolf Hitlers, obwohl er der Bewegung des Nationalsozialismus durchaus kritisch gegenüberstand. So nutzte er nach 1933 sein Ansehen und seine Kontakte, um verfolgten Personen zu helfen. Beispielsweise intervenierte er erfolgreich für die einstige Klavierlehrerin seiner Tochter, die ihre Anstellung aufgrund ihres jüdischen Glaubens verloren hatte. Auch ehemaligen Kriegs- und Regimentskameraden versuchte er zu helfen.34 Gesundheitlich zusehends beeinträchtigt und in den letzten Monaten seines Lebens an das Bett gefesselt, starb Einem am 7. April 1934 in Mühlheim an der Ruhr.

Generaloberst Karl von Einem gehörte unzweifelhaft zur militärischen Elite des Deutschen Kaiserreiches. Als preußischer Kriegsminister schon früh in die oberste Führungsriege des preußisch-deutschen Militärs aufgestiegen, gehörte er lange Zeit auch zum engsten Kreis um Wilhelm II. Als militärischer Führer erwarb er sich während des Weltkrieges den Ruf eines Defensivspezialisten an der Westfront. Ungeachtet seiner militärischen Expertise und seiner kritischen Reflexion des deutschen Agierens im Großen Krieg, blieb er wie viele seiner Kameraden zeitlebens geprägt von einer konservativ-monarchistischen Einstellung. Diese äußerte sich beispielsweise in seiner aggressiv geäußerten Homophobie. Darüber hinaus zeigte sie sich in der genüsslich gepflegten Feindschaft gegenüber der Sozialdemokratie gepaart mit der Ablehnung parlamentarischer Mitbestimmung, die ihn in der Spätphase der Weimarer Republik an die Seite der Deutschkonservativen brachte.

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