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8. Kapitel: Protestantische Weltmission Aufbruch in der ersten Jahrhunderthälfte

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Die protestantischen Missionsaktivitäten des 19. Jahrhunderts übertrafen alle bisherigen Entwicklungen. So weit gespannt die Anfänge der evangelischen Mission während des 18. Jahrhunderts in der Dänisch-Halleschen Mission, im Herrnhuter Missionsdienst, in der Basler Christentumsgesellschaft sowie in den anglikanischen und methodistischen Missionary Societies waren: Angesichts der Missionspolitik des 19. Jahrhunderts wirkten sie wie verstaubte Relikte. Ohnehin hatte sich das Missionswesen an der Wende des 18./19. Jahrhunderts an einem Tiefpunkt befunden. Soweit es den Protestantismus betraf, hing dies unter anderem mit dem Niedergang Dänemarks und der Niederlande als Kolonialmächten zusammen.

Schon vor Europas Eintreten in das Zeitalter des Imperialismus wuchsen die Missionsorganisationen stark. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich regelrecht zur Gründerzeit von Missionen. In Deutschland entstanden z.B. die Berliner Mission 1824, die Rheinische Mission im Jahr 1828 und die Norddeutsche Mission als Zusammenschluss von 13 norddeutschen Missionsvereinen. Hinzu kamen die konfessionell-lutherischen Missionsgesellschaften, etwa die Neuendettelsauer Missionsanstalt Wilhelm Löhes und die Missionsanstalt Hermannsburg, gegründet 1849. Da der staatskirchlich-volkskirchliche Protestantismus missionarisch schwer beweglich war, sah man unter den Missionsaktivisten zahlreiche Erweckungsprediger und finanzkräftige Laien. Die sogenannte Orient- und Mohammedanermission, die Islam-Mission, rückte mit der Gründung des Jerusalemvereins in Berlin 1852 in den Blick. Angeregt von der Hof- und Armeegeistlichkeit, trat Friedrich Wilhelm IV. als Gründer und Protektor in Erscheinung. Vorausgegangen waren 1841 die Errichtung eines anglo-preußischen Bistums und die Niederlassung eines preußischen Konsuls 1843 in Jerusalem. Einen besonderen Akzent setzten die Frauenmissionen, deren älteste, die Morgenländische Frauenmission aus dem Jahr 1842, für die christliche Bildung des weiblichen Geschlechts im Orient sorgen wollte. Die Palästinabegeisterung, der sogenannte „friedliche Kreuzzug“ im Heiligen Land, zog damals viele Zeitgenossen in ihren Bann.

In Frankreich erfolgte der Aufbruch in das moderne Zeitalter der Mission durch Erweckungschristen und unter Mithilfe der Londoner Mission. 1822 bildete sich die Société des Missions Évangéliques de Paris. Die Mithilfe des Missionars Mark Wilks wies auf die missionarische Vormachtstellung des britischen Empire hin. Großbritannien, die Kolonialmacht des 19. Jahrhunderts schlechthin, beeinflusste mit seiner „Missionseuphorie“ (Horst Gründer) den gesamten Protestantismus. Das war in Frankreich ebenso der Fall wie in Deutschland, in Dänemark und auf dem nordamerikanischen Kontinent. In England entstanden im Zeitraum von 1792 bis 1813 sieben große Missionsgesellschaften, in den USA folgten 1810 die Gründung des American Board of Commissioners for Foreign Missionars und 1814 des American Baptist Missionary Board. Hing das Missionswesen seit den 1880er Jahren sehr stark von den staatlichen Strategien der Kolonialpolitik ab, so besaß es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts seinen sozial- und gesellschaftsgeschichtlichen Hintergrund in der Frühindustrialisierung und dem Aufstieg der bürgerlichen Gesellschaft. Die moderne Missionspolitik war in ihrer Formationsphase von den Mittelschichten und vom Bildungsbürgertum getragen.

Das Übergewicht der britischen und der nordamerikanischen Missionsbewegung bildete für Kontinentaleuropa ein Problem. Friedrich Fabri, Inspektor der Rheinischen Missionskonferenz, arbeitete seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an einer Verstärkung des deutschen und skandinavischen Gewichts. Erstmals in der Himmelfahrtswoche 1866 trat in Bremen eine Kontinentale Missionskonferenz zusammen. Teilnehmer waren acht deutsche Missionsgesellschaften, die Société des Missions Évangéliques de Paris und Gesellschaften aus den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen. Die Missionskonferenz verlief in professionellen Bahnen. Sie erörterte Pläne für einen Missionsatlas, das Schulsystem auf den Missionsfeldern, die Missionarsausbildung, Wirtschafts- und Kulturfragen. An den bis 1909 regelmäßig in Bremen stattfindenden Konferenzen nahm im Jahr 1872 erstmals der Mitbegründer der deutschen Missionswissenschaft, Gustav Warneck (1834–1910), teil. Warneck war seit 1896 Inhaber des ersten Lehrstuhls für Religionswissenschaft an der Universität Halle. Die Kontinentale Missionskonferenz bekam Warneck nur noch in geschrumpfter Gestalt zu Gesicht. Die Gäste aus Paris waren 1872 ferngeblieben, desgleichen die Teilnehmer Nordeuropas. Die intereuropäische Zusammenarbeit erlahmte in dem Maße, in dem der Kontinent in die Epoche des Nationalismus und Imperialismus eintrat.

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