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Kriegsende und Versailler Vertrag

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Der Zusammenbruch der Mittelmächte, der Waffenstillstand vom 11. November 1918 und die am 18. Januar 1919 im Pariser Außenministerium beginnende Friedenskonferenz teilten die Konfessionen – die Protestanten so gut wie die Katholiken und selbst noch den Islam und die Orthodoxie – in Sieger und Besiegte. „Wir haben den Weltkrieg verloren“, kommentierte in Berlin der Evangelische Oberkirchenrat zum Landes-Buß- und Bettag 1918 das Geschehene. „Unerhört grausamste Waffenstillstandsbedingungen der übermütigen Feinde haben wir annehmen müssen. Kaiser und Reich, wie es in einer Geschichte ohnegleichen uns teuer und wert geworden war, ist dahin. Es ist uns nichts von Bitterkeit und Demütigung erspart worden“ (Greschat, Protestantismus 26f.). 1914 wähnte sich Deutschland eingekreist und getäuscht, 1918 „im Felde unbesiegt“, doch an der Heimatfront verraten und nunmehr den politischen Vergeltungsschlägen der Siegermächte ausgeliefert. Georges Clemenceau (1841–1929), Außenminister der République Française, wurde als „Tiger“ tituliert, Amerikas Präsident Wilson galt als falschzüngiger Friedensengel, auf dessen „Vierzehn Punkte“ vom 8. Januar 1918 man vergebliche Hoffnungen gesetzt habe. Der Nationalismus des Krieges machte dem Nationalismus der Niederlage Platz. Nur wenige deutsche Kirchenmänner und Theologen waren in den Monaten zwischen dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 und dem Tag der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles am 28. Juni 1919 zu einer realistischen Lagebeurteilung fähig. Zu ihnen gehörte Ernst Troeltsch. „Gibt es eine Hilfe, so liegt sie vorerst in Arbeit und Ordnung, diesen beiden ‚philiströsen‘ aber schlechthin notwendigen Dingen, und dann in einer sittlichen und geistigen Erneuerung von Grund auf und in allen Klassen, Ständen, Parteien und Gruppen“ (Spektator-Briefe, Tübingen 1924, 69). Nach der Vertragsunterzeichnung ordneten die Kirchenregierungen an, wegen des „Schmachfriedens“ den 6. Juli 1919 als Trauersonntag zu gestalten. In Preußen, Sachsen, Württemberg ergingen an diesem Tag kirchenoffizielle Ansprachen an die Gemeinden.

Kriegsniederlage, Novemberrevolution und Friedensvertrag gestalteten das Deutsche Reich politisch um. Die bisherige konstitutionelle Monarchie wurde eine parlamentarisch-demokratische Republik. Damit war gleichzeitig das jahrhundertealte Landesherrliche Kirchenregiment beendet. Die Verfassung der Weimarer Republik vom 11. August 1919 legte fest: „Es besteht keine Staatskirche“ (Krumwiede, Quellen 76–78). Die Kirchen waren in die Selbständigkeit entlassen und konnten jetzt ihre Angelegenheiten aus eigener Kraft und Einsicht ordnen. Schmerzlich sowohl für das politische Gemeinwesen als auch für die evangelischen Kirchen waren die durch den Versailler Vertrag festgelegten Gebietsabtretungen. Die Hauptmasse der Abtretungs- und Abstimmungsgebiete lag im Jurisdiktionsbereich der altpreußischen Landeskirche: Gebiete West- und Ostpreußens sowie Schlesiens und das Saargebiet. Außerdem verloren die Kirchen mit dem Erlöschen des deutschen Kolonialreichs die Gebiete ihrer Kolonialmissionen. Artikel 438 des Versailler Vertrages, der sogenannte „Missionsparagraf“, verfügte die Einsetzung von boards of trustees, von Treuhänderräten.

Manche zeitgenössische Beobachter meinten, konfessionspolitisch sei der Erste Weltkrieg ein Sieg der katholischen über die protestantischen Nationen. Allenfalls aus einer verengten binneneuropäischen Perspektive mit besonderem Blick auf Deutschland mochte dies zutreffen. Generell galt es nicht. Bedeutete der Kriegsausgang eine Schwächung des protestantischen Deutschlands, so brachte er umgekehrt eine konfessionspolitische Stärkung der neutralen protestantischen Länder Skandinaviens sowie Nordamerikas und Englands mit sich. Die Ökumenische Bewegung der 1920er Jahre wurde wesentlich vom Luthertum Skandinaviens, dem Presbyterianismus und Anglikanismus Großbritanniens und dem gewaltigen protestantischen Potenzial Nordamerikas getragen. Im kirchlichen Bereich überwanden die Nordamerikaner die Traditionen des Isolationismus entschiedener und entschlussfreudiger als in der Politik.

Eine schwere Schädigung erfuhr das kirchliche Leben in Russland. Das Dekret vom 23. Januar 1918 verfügte die Trennung von Kirche und Staat und diente gleichzeitig dazu, den kirchlichen Grund und Boden, die Gotteshäuser und Kultgegenstände in Staatshand zu überführen. „Kostenlose Nutzung“ durch die Kirche war möglich. Die kirchlichen Proteste gegen die Nationalisierung des Kirchenbesitzes kosteten 28 Bischöfen das Leben, außerdem Tausenden von Priestern, Mönchen, Nonnen und etwa 12.000 Laienchristen: die ersten Opfer der Tscheka. Hauptobjekt der sowjetrussischen Kirchenpolitik war die Russisch-Orthodoxe Kirche. Ab 1923 richteten sich die religiösen Repressionen auch gegen die römisch-katholische Kirche und den Islam, seit 1928 waren die evangelischen Kirchen und Glaubensgemeinschaften ebenfalls verfolgt. 1929 verabschiedete der Zweite Kongress der „Kämpfenden Gottlosen“ einen Fünf-Jahres-Plan zur Liquidierung der Religion.

In den konfessionspolitischen Bilanzen der direkten und indirekten Weltkriegsfolgen darf die protestantische Schweiz nicht übersehen werden. Es ist erstaunlich, welche starken Impulse von diesem Land für den Protestantismus nach 1918 ausgingen. Der Paradigmenwechsel in der protestantischen Theologie wurde von schweizerischen Theologen – Karl Barth (1886–1968), Eduard Thurneysen (1888–1974) und Emil Brunner (1878–1966) – vorangetragen. Die Bewegung des Religiösen Sozialismus der 1920er Jahre war ohne die Religiös-Sozialen der Schweiz – Hermann Kutter (1863–1931) und Leonhard Ragaz (1868–1945) – nicht zu denken. Und auch in der Ökumene spielte der schweizerische Protestantismus nach dem Ersten Weltkrieg eine höchst beachtliche Rolle. Genf und Lausanne wurden Sammelbecken zahlreicher ökumenischer Aktivitäten.

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