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2.3 Überblick über den Forschungsstand

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Da Animojis erst im Jahr 2017 eingeführt wurden, also ein jüngeres Phänomen sind, liegt zum derzeitigen Zeitpunkt nur wenig Forschungsliteratur vor. Ein aufschlussreicher Aufsatz über AnimojiAnimoji-Performances wurde jedoch kürzlich von Susan Herring et al. veröffentlicht. Herring et al. (2020) haben 397 Videoclips analysiert, welche sich aus 31 Memojis und 366 Animojis zusammenstellen, und das Animoji-Phänomen im Rahmen der filtered digital self-representation (FDSR) untersucht. Diese Art der Selbstdarstellung hat nicht nur durch die von InstagramInstagram und Snapchat bekannten dynamischen Filter, sondern durch das Auftreten von sogenannten Deepfakes an Bedeutung gewonnen. Bei dieser durch Filter veränderten Aufnahme wird in einem digitalen KommunikationskontextKommunikationdigitale eine technologisch modifizierte Version von sich selbst oder einer anderen Person kreiert. So können Bilder oder Videoaufnahmen – vor allem von Personen – mit Make-up-Filtern, Kostümen oder verschiedenen Hintergründen modifiziert werden. Zudem gibt es Filter, mit denen das Alter oder das Geschlecht verändert werden kann. Unter dem Strich kann man sagen, dass digitale Filter dazu dienen, den/die Empfänger*in der Nachricht zu täuschen und Bild und Ton so zu verändern, dass Selbst- und Fremddarstellung stark verzerrt sind. Die filterbasierte digitale Selbstdarstellung geht damit in eine Richtung, die im Gegensatz zu einer Kommunikation steht, die darauf abzielt, Informationen so präzise und wahrheitsgetreu wie möglich weiterzugeben.

Herring et al. schlagen eine Brücke zwischen dieser filterbasierten, digitalen Darstellung des Selbst und einem weiteren Konzept, nämlich der Polynymität. Dieses Wort lehnt sich an das Wort AnonymitätAnonymität an. Laut Herring et al. (2020: 3) bezieht sich ‹Polynymität› (wörtlich: ‹viele Namen›) auf die Tendenz der Nutzer*innenNutzer*in von sozialen MedienMedium/Medien, mehrere Identitäten in einer Vielzahl von Online-Räumen und manchmal innerhalb einer einzigen Plattform zu schaffen und aufrechtzuerhalten. FDSR ist dabei hilfreich, die Polynymität durch visuelle und auditive Veränderungen zur Unterstützung und Widerspiegelung multipler Identitäten zu ermöglichen. Animojis sind exemplarisch für Polynymität, da zwischen verschiedenen EmojiEmoji-Masken frei gewählt werden kann und ihre Verwendung die Inszenierung verschiedener Identitäten ermöglicht. Als Beispiel dafür wird von Herring et al. vor allem das Spiel mit Genderidentitäten genannt. Dieses Phänomen ist auch von Online-Rollenspielen her bekannt. In diesen Spielen nehmen die Teilnehmer*innen ein anderes Geschlecht (oder eine andere Hautfarbe, sexuelle Orientierung usw.) (siehe McRae 1996) an. Auch ein MemojiMemoji kann sich vom persönlichen Aussehen, dem eigenen Geschlecht usw. unterscheiden. Die Möglichkeit der Personalisierung stellt dem Nutzer, der Nutzerin frei, ein sich ähnliches Abbild zu erstellen (wie es Me in dem Wort Memoji andeutet) oder mit den veränderbaren, äusseren Merkmalen zu spielen und zu experimentieren.

Auf soziokultureller Ebene werden aufgrund der Polynymität StereotypenStereotyp ermöglicht, welche stets auch mit ideologischen Werten einhergehen. So fanden Herring et al. in ihrer Untersuchung heraus, dass in AnimojiAnimoji-Kommunikaten die Darsteller*innen sprachliche Merkmale verwenden, die ihren Aussagen kulturelle und ideologische Bedeutung verleihen und über den eigentlichen Inhalt der Aussage hinausgehen (siehe Herring et al. 2020: 5). Beispielsweise beobachteten sie, dass Huhn, Katze und Schwein vor allem mit stereotypisierten weiblichen Stimmen inszeniert wurden – und dies auch von männlichen Sprechern (siehe Herring et al. 2020: 11). Dieser Prozess stellt eine Art Stilisierung der Sprache dar. Laut Bakhtin sind stilisierte Äusserungen inhärent mehrstimmig und beinhalten «a varying degrees of otherness or varying degrees of ‹our-own-ness›» (Bakhtin 1986: 89). Das zeigt, dass auch mit stilisierten Lauten auf sprachlicher Ebene StereotypenStereotyp verbreitet werden können. Auch Stark (2018) unterstreicht, dass sich Animojis an den Ausdruck von Emotionen annähern und bestehende racial categories durch ihre formalen und ästhetischen Merkmale verdinglichen und aufrechterhalten. Zum Beispiel werden dialektale Stilisierungen, welche mit African-American Vernacular English (AAVE) assoziiert werden – postvokales /r/, /l/-Streichung und Vereinfachung der Konsonanten-Cluster (Herring et al. 2020: 5) –, so verwendet, dass sie StereotypenStereotyp verstärken. Stark (2018) weist darauf hin, dass nicht nur die Darstellung von menschlichen Gesichtern und Körpern, sondern die Darstellung menschlicher Affekte und Emotionen die Hauptfaktoren sind, die die digitale AnimationAnimation des Rassenschemas kodieren. Für die Forschung ist es deshalb wichtig, dass die Schematisierung bei der Kodierung des menschlichen Gesichts (und des Körpers) kritisch betrachtet wird. Denn die schematisierenden – und laut Stark Rassismus propagierenden – technischenTechnik Mechanismen dienen nur vermeintlich der spielerischen Erweiterung von Emojis. Browne (2015) hat dazu beobachtet, dass Gesichtserkennungstechnologien und andere Systeme zur visuellen Klassifizierung menschlicher KörperKörper immer Mittel sind, mit denen race definiert und sichtbar gemacht wird.

Wie erkennbar wird, haben Animojis das Potential – im Hinblick auf FDSR –, die Realität zu verzerren oder auch StereotypenStereotyp zu stärken. Sie geben dem NutzerNutzer*in, der Nutzerin die Möglichkeit, sich hinter einer anderen Identität zu verstecken. Das soll aber nicht bedeuten, dass dies die einzigen Potentiale von Animojis sind. Die Tatsache, dass Animojis eine innovative, neue Art der Kommunikation ermöglichen, soll hier gewürdigt und im Folgenden aus sprachwissenschaftlicher Perspektive ausgeleuchtet werden.

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