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Indizes auf Personen- und Gruppenebene
ОглавлениеDie Berechnung von Zentralitätsmaßen (Englisch: degrees) in einem sozialen Netzwerk gehört meist zu den ersten Schritten einer SNA (O’Malley & Marsden, 2008). Auf der Personenebene gibt der Degree die Anzahl der Verbindungen einer Person in einem Netzwerk an. Im Fall gerichteter Netzwerke werden hierzu zwei separate Maße, die In- und Outdegrees, berechnet. Der Indegree einer Person gibt die Summe der erhaltenen Nominierungen an. Im Fall von Peerbeziehungen wird der Indegree häufig als Maß der Beliebtheit interpretiert, wobei eine Person umso beliebter ist, je höher ihr Indegree im Vergleich zu anderen Mitgliedern des Netzwerkes ausfällt (vgl. Zander, Kreutzmann & Hannover, 2017). Der Outdegree wiederum kann als Maß der Aktivität oder Kontaktfreudigkeit einer Person interpretiert werden, denn er gibt die Summe der Beziehungen einer Person an, die auf andere Personen im Netzwerk gerichtet sind. Um die Degrees sowie die In- und Outdegrees zwischen verschieden großen Netzwerken vergleichen zu können, werden sie üblicherweise an der Anzahl der theoretisch möglichen Wahlen innerhalb eines Netzwerks normiert, d. h. durch diesen Wert geteilt. In einer Schulklasse errechnet sich die Anzahl dieser Wahlmöglichkeiten mit NKlasse–1, da eine Selbstnominierung nicht gezählt wird. In gerichteten Netzwerken ist neben der Berechnung von In- und Outdegrees häufig auch die Anzahl der auf Gegenseitigkeit basierenden Nominierungen interessant, d. h. die Zahl der eigenen ausgehenden Wahlen, die von den anderen Personen im Netzwerk erwidert werden (Fuhse, 2016; O’Malley & Marsden, 2008). Ein deutliches Missverhältnis zwischen beiden Werten kann ein Hinweis sein, dass die Situation des Betroffenen genauer angeschaut werden sollte (Henke et al., 2017). Ist die Zahl der Outdegrees eines Kindes z. B. beträchtlich höher als die Zahl seiner Indegrees, dann besteht seitens dieses Kindes möglicherweise ein häufig unerwiderter Wunsch nach Zugehörigkeit zu anderen im sozialen Netzwerk. Je nach Klassen- und Gruppensituation kann diese Diskrepanz bedeuten, dass das Kind von sozialem Ausschluss bedroht ist. In einem solchen Fall sollten durch die Lehrkraft soziale Normen adressiert und mit den Lernenden verhandelt werden, um sozialen Ausschluss im Klassenkontext zu verhindern. Die zuvor genannten Maße können auch jenseits der Personenebene auf der Ebene von Gruppen (z. B. Jungen und Mädchen einer Klasse) oder des gesamten Netzwerkes (z. B. Schulklasse) berechnet werden, wobei man in diesem Fall von der Dichte (Englisch: density) der Gruppe oder des Netzwerkes spricht (Borgatti, Everett & Johnson, 2013). Die Dichte eines Netzwerkes ist dann umso höher, je mehr potenzielle Verbindungen von den Mitgliedern des Netzwerkes auch wirklich realisiert werden. Einige Studien konnten zeigen, dass in Peernetzwerken mit höherer Dichte ein positives Klassenklima herrscht und die Lernenden Bullying-assoziiertes Verhalten weniger stark akzeptieren (Ahn, Garandeau & Rodkin, 2010).
Insgesamt hat die SNA eine Vielzahl weiterer hoch spezialisierter Indizes hervorgebracht (Hanneman & Riddle, 2011). Allein für die Quantifizierung von Segregation3 in sozialen Netzwerken berichten Bojanowoski und Corten (2014) in einem Methodenreview neun verschiedene Indizes. Dennoch können Neuentwicklungen weiterer Indizes durchaus angezeigt sein (Zander et al., 2017). In einer jüngst veröffentlichten Studie zu bi- und monolingualen Lernenden konnten Henke, Zander und Baumert (2020) beispielsweise mithilfe eines solch neu entwickelten Indexes zeigen, dass unterschiedliche schulische Sprachsettings einen Einfluss auf die Tendenz der Lernenden haben, innerhalb bzw. außerhalb der eigenen Sprachgruppe nach Hilfe und fachlichem Austausch zu suchen. In Schulen, in denen eine bilinguale Sprachpraxis gefördert wurde (hier: Staatliche Europa-Schule Berlin), zählten vor allem die bilingual sozialisierten Lernenden zu den bevorzugten Hilfe- und Austauschpartnern und -partnerinnen ihrer Klasse. Ein gegenteiliges Bild ergab sich, wenn Deutsch die ausschließliche Schul- und Unterrichtssprache war: Hier zählten vor allem die monolingual deutschsprachig sozialisierten Lernenden zu den bevorzugten Hilfe- und Austauschpartnern und -partnerinnen der Klasse. Dieser Effekt war bei der Verwendung einfacher Degree-Maße, die sich auf alle Mitglieder im Netzwerk beziehen, nicht sichtbar.