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2. Sicherung des Œuvre

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Parallel zur Entwicklung der Strategie sollte nach dem Tod des Künstlers der Nachlass gesichert werden. Wenn es eine Aufgabe der Kunst ist, Chaos in die Ordnung zu bringen, so gilt dieses Diktum nicht für künstlerische Nachlässe. Ordnung im Nachlass ist die wichtigste Voraussetzung für eine realistische Einschätzung der Bestände, die wiederum Grundlage für die Strategieentwicklung und die Prüfung von Finanzierungsmöglichkeiten ist.

An erster Stelle stehen die Kunstwerke im Nachlass. Nicht selten sind diese zum Todeszeitpunkt an verschiedenen Stellen »verstreut«: im Atelier, im Wohnhaus, in unterschiedlichen Lagern, bei Freunden, an Museen verliehen oder bei Galeristen in Kommission. Auch wenn es Aufwand bedeutet, ist es empfehlenswert, zunächst alle Arbeiten zusammenzutragen, um sich einen eigenen Eindruck vom Zustand sowie der Qualität der Arbeiten zu verschaffen. Beim Nachlass ist es wie mit aller Kunst: Nichts geht über den unmittelbaren, physischen Eindruck von der Arbeit. Nur durch ihn kommt man zu einer realistischen Einschätzung und kann sich mit dem Œuvre wirklich vertraut machen. Keine Abbildung kann diesen Eindruck ersetzen.

Der Arbeitsschritt dieser Sichtung sollte mit einer Inventarisierung der Kunstwerke verbunden werden. Dabei werden idealerweise folgende Informationen geprüft beziehungsweise zusammengestellt:15

1. Titel, Beschreibung, Entstehungsjahr

2. Material und Größe, inklusive Größe der Rahmung, sonstiger Aufhängung oder notwendiger architektonischer Ausstellungselemente wie verwendete Sockel etc.; bei Skulpturen Gewicht

3. Inventarnummern und Fotodokumentation über das Werk und die am Werk befindliche Inventarnummer sowie Signatur beziehungsweise Gussstempel

4. wesentliche Anforderungen zur Konservierung, Lagerung und Ausstellung des Kunstwerks

5. Informationen über den Entstehungsprozess des Kunstwerks und welche Materialen verwendet wurden – dies kann für die dauerhafte Erhaltung gewisser Kunstwerke vorteilhaft sein

6. derzeitiger Eigentümer und Aufbewahrungsort des Kunstwerks

7. derzeitiger Zustand des Werks

8. Rechnungen zum Kunstwerk

9. Korrespondenz zum Kunstwerk bezüglich Kommission, Verkauf, Schenkung oder Leihgabe

10. Ausstellungskataloge oder Katalogangaben zu Ausstellungen des Kunstwerks beziehungsweise Ausstellungshistorie

11. Bewertungen und Versicherungsdokumentation

12. erzielte Verkaufspreise bei Auktionen oder Privatverkäufen (sofern verfügbar)

13. Informationen des Künstlers zum Kunstwerk, auch im Kontext anderer Arbeiten oder seines Gesamtwerks

14. Presseartikel und Pressefotos, die das Kunstwerk zum Gegenstand haben

15. Informationen zum Urheberrecht, zur bisherigen Nutzungsgewährung und über damit eingenommene Lizenzgebühren

Idealerweise kann der Nachlass auf Inventar- und Ordnungssysteme zurückgreifen, die der Künstler bereits zu Lebzeiten angelegt hat. Die Professionalisierung des heutigen Kunstmarkts wird die Nachlassarbeit der Zukunft erleichtern. Hat ein heutiger Künstler genug Erfolg, um mit einer professionellen Galerie zusammenzuarbeiten, erfordern allein schon die dortigen Abläufe, dass der Künstler ein professionelles Ateliermanagement hat. Wenn dies nicht der Fall ist, springen die Galerien oft mit entsprechender Unterstützung ein, wobei hier darauf zu achten ist, dass in der Galerie gesammelte Materialien immer auch in Kopie dem Künstler zu Archivzwecken zur Verfügung gestellt werden.

Ein professionelles Ateliermanagement umfasst eine saubere Buchführung mit der dazugehörigen Archivierung von Produktions- und Verkaufsbelegen inklusive Angaben zu Käufern – die für die Provenienzangaben in späteren Werkverzeichnissen von Bedeutung sein werden – sowie die fortlaufende Inventarisierung der entstehenden Kunstwerke gemäß der oben angegebenen Kriterien. Hat ein Atelier eine gewisse Größe erreicht, sind Assistenten und Ateliermanager heute der Standard.

Ob zu Lebzeiten des Künstlers oder erst im Rahmen der Nachlassarbeit: Zur Inventarisierung der Werke bieten sich verschiedenste spezialisierte Softwareprogramme an, deren Datenbestände gleichzeitig Grundlage für ein Werkverzeichnis sein können. Es ist ratsam, sich bei der Auswahl der Software über den aktuellen Stand der Technik zu informieren, da durch deren fortlaufende Weiterentwicklung an dieser Stelle keine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Hier lediglich einige Beispiele: Die Geschwister Vandenberghe nutzen die Dienste der Lightmachine Agency16, der Nachlass von Hans Arp nutzt eine Softwarelösung der Hamburger Trenz AG17 und das Zentrum Paul Klee die für Museen konzipierte Sammlungsverwaltungs-Software MuseumPlus der zetcom AG18, die mit ArtPlus auch Alternativen für Privatpersonen anbietet. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Anbieter, so zum Beispiel im US-amerikanischen Raum artssystems, artworkarchive oder collectionspace.19 Bei der Auswahl des Programms sollte darauf geachtet werden, dass die Software auch wirklich Werkverzeichnisse und andere Bedürfnisse eines Nachlasses abbilden kann und nicht nur auf einen Museums- oder Galeriebetrieb ausgerichtet ist. Auf Museen oder Galerien zugeschnittene Software hat oft Funktionen, die ein Nachlass nicht benötigt, dafür fehlen andere, die später sehr gebraucht werden. Die Kunstwerk-Etikettierungen sollten neben der zugewiesenen Werknummer dauerhaftende Codierungen wie einen Strichcode oder QR-Code (2D-Strichcode) enthalten, um den Umgang mit ihnen effizienter zu machen. Im Idealfall lässt sich die Etikettierung gleichzeitig mit neuester Authentifizierungstechnik wie der sogenannten Bioengineered-DNA-Technologie kombinieren. Dabei werden die Kunstwerke mit einer künstlichen DNA versehen, die zur Wiedererkennung des originalen Kunstwerks dient.20 Es ist ein vom gemeinnützigen Global Center of Innovation entwickeltes Verfahren zum Schutz vor Kunstfälschungen, welches wiederum Teil eines gänzlich neugeschaffenen globalen Standards zur Markierung und Identifikation namens i2M werden soll.21 Ein – unter anderem von Künstlern mitgegründetes – Unternehmen, welches zeitgemäße Lösungen in diesem Bereich anbietet, ist beispielsweise die britische Firma tagsmart.22 Als Sicherheit sollten die digitalen Abbildungen der Werke sowie die Stammdaten in einem Online-Speichermedium / Cloud-Dienst hinterlegt werden (wenn das Inventarisierungsprogramm nicht ohnehin schon online-basiert ist). Gleiches gilt für sämtliches Archivmaterial nach einer Digitalisierung.


Installation von Dieter Roth. Björn Roth bei Hauser & Wirth in New York, 2013 Schokoladengüsse für Selbstturm (1994/2013)

Der Künstlernachlass

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