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Altern im Familienverband: möglichst nützlich bleiben
ОглавлениеBis um 1900 galt es in breiten Kreisen der Bevölkerung als selbstverständlich, dass alte Menschen auch in familialen Arbeitsgemeinschaften möglichst bis zu ihrem Tod für sich selbst zu sorgen hatten. 1880 lag die statistische Lebenserwartung von Menschen, die das erste Lebensjahr überstanden hatten, bei ungefähr fünfzig Jahren. Das heisst, dass die grosse Mehrheit alter Leute bis zum Tod in einem gewissen Mass arbeitete, auch wenn sich der Radius auf die Stube begrenzen mochte, wo eine alte Grossmutter noch die kleinen Kinder hütete. Am besten war die Lage für diejenigen, die etwas zu vererben hatten, sei es als Eltern oder als ledige Tante. Aus der zukünftigen Erbschaft bezahlten sie Kostgeld, sobald sie nicht mehr arbeiten konnten; oder sie gewährten sogar Darlehen oder leisteten Bürgschaften. Diese Regelungen führten zu zahlreichen Familienkonflikten, wobei etwa die Höhe der zu erwartenden Erbschaft gegen die Unterhaltskosten aufgerechnet wurde. Es sind Fälle belegt, wo sich Familien um alte alleinstehende Tanten mit Erbgut regelrecht stritten. Schwierig war die Lage von Frauen jedoch, wenn sie im gebrechlichen Alter keinerlei Ersparnisse hatten. Das «Gnadenbrot» wurde ihnen gewährt, aber je nach materieller Lage einer Arbeitsgemeinschaft war dies ein hartes Brot. Gemildert wurde das karge Leben allenfalls durch die Anerkennung, welche alte Frauen in frommen Familien genossen, wo sie als fürbittende Alte geschätzt wurden. Durch religiöse Rituale fühlten sie sich mit den Angehörigen verbunden und emotional gestützt.