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1939, Zürich Jeannot Bürgi
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Ich war meinen leiblichen Eltern kein Wunschkind. Mit dieser Feststellung und Erkenntnis bin ich sicher nicht allein, kein Sonderfall. Trotzdem, eine Frage beschäftigte mich ein Leben lang: Warum hat mich meine Mutter ausgesetzt, in einer Kartonschachtel beim Müll am Strassenrand entsorgt? Ich dachte, ich sei schon längst darüber hinweg, es mache mir überhaupt nichts aus, darüber zu sprechen, nachzudenken. Jetzt entdecke ich, nachdem ich siebzig Jahre alt geworden bin und ein ganzes, reiches Leben hinter mir habe, dass es mir noch immer etwas ausmacht, dass da noch immer die Frage im Raum steht, dieses «Warum», auf das ich bis zum heutigen Tag keine Antwort gefunden habe.
Meine Erklärung ist einfach und auf der Hand liegend: Ich war ihr Last und Störung, ich passte nicht in ihr Leben, sie hatte sich das so nicht vorgestellt. Ein Gof, das fehlte gerade noch, damals Ende der dreissiger Jahre, mitten in Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit, mit dem Krieg vor der Tür. Das Leben damals war schon allein schwer genug, ein Kind ein Esser mehr, eine Sorge dazu, ein Hindernis, Verantwortung und Kosten. Sie musste über die Runden kommen, Anschaffen hiess das in ihrem Fall, für sich und wahrscheinlich auch für ihren Zuhälter. Sicher war sie jung, leichtsinnig und oberflächlich, schliesslich war es ihr egal, was mit dem geschah, was sie da in die alte Schachtel stopfte. Abfall eben, den man los sein will.