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1.1 Marcus Tullius Cicero
ОглавлениеEs gibt kaum einen Abriss der Übersetzungsgeschichte, und sei er noch so knapp, in dem nicht Ciceros Abhandlung De optimo genere oratorum (Cicero 1976 [46 v. Chr.]) Erwähnung finden würde. Neuesten Forschungen zufolge stammt dieser Text möglicherweise gar nicht von ihm (vgl. Albrecht 2014: 426 Anm. 2). Cicero legt dort Rechenschaft ab über zwei (leider nicht überlieferte) Übersetzungen, die er von Reden des Aischines und des Demosthenes angefertigt habe, um zu zeigen, wie rhetorisch ansprechende Reden in lateinischer Sprache gestaltet werden könnten. Da Cicero bei der Schilderung seines Vorgehens versichert, er sei bei seiner Übertragung nicht wie ein Übersetzer, sondern wie ein Redner verfahren, i.e. er habe seine Vorlage mit eigenen Worten frei nachgebildet, wurden seine Ausführungen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – als ein Plädoyer für die „freie Übersetzung“ generell (miss)verstanden. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Fehldeutung einzugehen (vgl. Albrecht 2010). Hier interessiert nur, dass der Meister der „goldenen Latinität“ zumindest indirekt den freien Umgang mit fremdsprachlichen Texten (vgl. infra 3) zur Förderung der eigenen Ausdrucksfähigkeit empfiehlt.