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Recht- und Weltlosigkeit auf dem Mittelmeer?
Zur Aktualität von Hannah Arendts Analyse der Staatenlosigkeit

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Alexander Hauschild

Ein kleines sozio-politisches bzw. ethisches ‘Rätsel’ zu Beginn: Am 8. März 2014 verschwindet eine Maschine der Malaysia Airlines, Flugnummer MH370, mit 239 Menschen an Bord über dem indischen Ozean vom Radar; die mediale Berichterstattung über diese Tragödie ist immens und die Suche nach dem verschollenen Flugzeug, an der sich 26 Nationalstaaten beteiligen – entweder da sich ‘ihre’ Staatsbürger_innen unter o.g. Menschen befanden, oder da ‘ihr’ Staatsgebiet von der Suchaktion betroffen ist –, avanciert zur teuersten der Luftfahrgeschichte (siehe Reidy 2015b). Knappe vier Monate später, am 28. Juni 2014, verschwindet ein Schiff mit 243 Menschen an Bord im Mittelmeer; mediale Berichterstattung über diese Tragödie ist nahezu nicht existent – die erste Meldung bezüglich der angenommenen Havarie dieses Schiffes lässt einen Monat auf sich warten – und an der Suche nach dem verschollenen Schiff beteiligen sich ganze null Nationalstaaten (ebd.). Zwei, zumindest auf den ersten Blick, hinreichend ähnliche Fälle, die doch derart divergierende internationale Reaktionen hervorrufen: was also unterscheidet sie?

Eric Reidy (2015b), Mitbegründer eines Teams aus Journalist_innen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, das tatsächliche ‘Schicksal’ dieses „Ghost Boat“ sowie der Menschen an Bord zu ermitteln1, hat diesbezüglich eine eigene, erste Antwort:

The people who fly in airplanes are affluent – rich enough to afford a plane ticket, at least – and have the legal status to board flights and cross international borders. They are not running, desperate for their lives because of oppression, war, or violence.

Letzteres war allerdings bezüglich der Passagier_innen des „Ghoast Boat“ der Fall: Die Mehrheit von ihnen stammte aus Eritrea und floh vor dem dortigen Regime quer durch die sudanesische Sahara nach Libyen, um dort ein Schiff nach Italien zu besteigen (ebd.). Vor diesem Hintergrund hat Steve Saint Amour, geschäftsführender Direktor der Eclipse Group, eines Unternehmens, das sich auf Such- und Bergungsmissionen in Tiefwasser – z.B. nach verungückten Flugzeugen oder Schiffen – spezialisiert hat, eine noch triftigere Anwort auf oben stehende Frage: „In the case of the Ghost Boat, you only have stateless people […]. Which country has a national interest to find out what happened?“ (ebd.)

Für Staatenlose interessieren sich (inter-)nationale politische Entscheidungsträger_innen schlichtweg nicht; zumindest nicht genug, als dass es von Interesse wäre, was mit ihnen geschieht. Hauptsache, sie bleiben ‘anderswo’. Wo (und wie) ist unerheblich. Insbesondere aber müssen sich EUropäische Entscheidungsträger_innen diesen Vorwurf gefallen lassen: Das Mittelmeer ist seit (spätestens) 2014 zur tödlichsten Flucht-/Migrationsroute der Welt geworden – mit respektablem Abstand: 69 Prozent aller weltweit während der Flucht/Migration erfassten Todesfälle ereignen sich im Mittelmeer (IOM 2016a: 4). Angesichts dessen hat es den Anschein, als sei Hannah Arendts Analyse der Staatenlosigkeit, obschon sie sich eigentlich auf die historische Periode von 1918 bis in die frühen 50er-Jahre bezieht, auch heute noch hochaktuell sowie bezüglich der von ihr identifizierten Effekte der Staatenlosigkeit radikal verwirklicht.

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