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2.1.3 Kompetenzorientierte Ziele
ОглавлениеMit der Kommunikationsorientierung im Fremdsprachenunterricht, dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und Leistungsvergleichsstudien wie PISA und DESI hat die Kompetenzorientierung Einzug in die Unterrichtsräume gehalten. Typische Beispiele hierfür sind die Implementierung von Bildungsstandards sowie die Ersetzung von Lehrplänen durch Kerncurricula, die outputorientiert arbeiten (vergleiche Roche 2013: 215), das heißt die sich dadurch auszeichnen, dass sie weniger die Lerninhalte beschreiben, wie es bei traditionell formulierten Lehrzielen der Fall ist, als vielmehr Ergebnisse formulieren und das festhalten, was Lerner am Ende können sollen (vergleiche Küster 2016: 83) (siehe dazu Abschnitt 2 in Lerneinheit 2.2). Sie basieren weniger als Lehrziele auf einer fachwissenschaftlichen Systematik, sondern lösen sich davon (vergleiche Merkens 2010: 50).
Kompetenzen sind daher in der Regel komplexer und breiter gefasst, so dass sie nicht in einer einzelnen Schulstunde erreicht werden könnten. Wenn Lehrkräfte also über einen längeren Zeitraum, beispielsweise ein Schuljahr, komplexere Kompetenzen aufbauen möchten, dann formulieren sie dazu mehrere kurzfristige Ziele, die sich auf Teilkompetenzen beziehen. Ein Beispiel für eine Zielkompetenz wäre die Fähigkeit, mit literarischen Texten in einer Fremdsprache umzugehen, was in viele Teilziele aufgeteilt werden muss, um im Unterricht bearbeitet werden zu können.
In diesem Abschnitt gehen wir der Frage nach, was diese Kompetenzen und kompetenzorientierten Lehr- und Lernziele auszeichnet.
Experiment
Sehen Sie sich diese kompetenzorientierte Formulierung an:
„Die Lerner können einfache Telefonate im beruflichen Kontext führen. Dazu zählt es, dem Gesprächspartner zuzuhören, seine Äußerungen zu verstehen sowie die eigenen Äußerungen adressaten- und situationsgerecht auszuwählen und zu formulieren.“
Wie würden Sie eine solche Zielformulierung beschreiben? Kreuzen Sie die Aussagen an, die Sie zutreffend finden, und ergänzen Sie die Liste:
Die Zielbeschreibung …
erinnert an die Kann-Beschreibungen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. | |
legt den Fokus auf zu erwerbendes Wissen (Wortschatz, Grammatik etc.). | |
legt den Fokus auf das Lernergebnis (Outcome-Orientierung). | |
legt den Fokus auf den Lernprozess, also darauf, wie gelernt wird. | |
ist anwendungsorientiert. | |
beschreibt eine sprachliche Handlung, die bewältigt werden soll. | |
… | |
… | |
… |
Sicher sind Sie auch zu dem Ergebnis gekommen, dass beim kompetenzorientierten Ansatz die Beherrschung bestimmter Sprachhandlungsaspekte und damit die Handlungsfähigkeit in einer Anwendungssituation im Vordergrund steht. Die Kann-Beschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens illustrieren das besonders gut. Allerdings geht es nicht nur darum, sprachliche Handlungsfähigkeit zu erreichen. In Anlehnung an Weinert (2001: 27–28) und Klieme, Avenarius, Blum, Döbrich, Gruber, Prenzel, Reiss, Riquarts, Rost, Tenorth & Vollmer (2003: 72) versteht auch die Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung in einem Positionspapier (DGFF: 2008: 3) unter KompetenzKompetenz eine Problemlösefähigkeit, die kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eine motivationale, volitionale und soziale Bereitschaft und Fähigkeit voraussetzt. Das heißt, dass es nicht nur um Wissen und Können geht, sondern auch die Motivation und Bereitschaft zur Umsetzung gegeben sein müssen, die je nach Aufgabe alleine oder gemeinsam mit anderen geschieht. Kompetenzen sind demnach deutlich mehr als eine Fertigkeit, nämlich ein Zusammenspiel von Wissen, Können und Handeln in konkreten Handlungssituationen, das nicht kurzfristig trainierbar ist, sondern langfristig entwickelt werden muss (vergleiche Erpenbeck & Heyse 1999: 23; Königs 2012: 34–38). Es geht also darum, komplexe sprachliche Handlungssituationen zu bewältigen, wozu neben Sprachwissen und Sprachkönnen auch zahlreiche andere Fähigkeiten eingesetzt werden müssen, beispielsweise um die entsprechende Situation richtig einzuschätzen, sich auf das Gegenüber einzustellen und flexibel zu agieren.
Mit der Kompetenzorientierung verändert sich auch die Formulierung von Lehrzielen bzw. Zielkompetenzen im Unterricht. Der Fokus verschiebt sich von kleineren, klar definierten Lehrzielen, die häufig auf kognitive Aspekte ausgerichtet sind, hin zur Bewältigung komplexer Situationen und von Lehr- und Lerninhalten hin zu den Ergebnissen eines Lernprozesses.
Experiment
Betrachten Sie die Beispiele aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen und aus dem Kerncurriculum für moderne Fremdsprachen für die Sekundarstufe 1 in Hessen, das auf den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz basiert. Beschreiben Sie die Besonderheiten. Die folgenden Attribute und Beschreibungen können Ihnen als Anregung dienen.
eher zutreffend | eher nicht zutreffend | |
messbar und operationalisierbar | ||
beobachtbare Fertigkeiten | ||
komplexe Fertigkeiten | ||
handlungs- und anwendungsorientiert | ||
auf Sprachwissen fokussiert | ||
auf Lernfähigkeit ausgerichtet | ||
… | ||
… |
Ich kann ganz kurze, einfache Texte lesen. Ich kann in einfachen Alltagstexten (z.B. Anzeigen, Prospekten, Speisekarten oder Fahrplänen) konkrete, vorhersehbare Informationen auffinden und ich kann kurze, einfache persönliche Briefe verstehen.
Beispiel aus: GER, Fertigkeit Lesen, A2 (http://www.goethe.de/Z/50/commeuro/303.htm)
Überfachliche Kompetenzen
Mit Blick auf die überfachlichen Kompetenzen wird im neuen Kerncurriculum für Hessen zwischen vier zentralen Bereichen – mit ihren Dimensionen und Aspekten – unterschieden:
Personale Kompetenz: Diese umfasst jene Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten, die die Lernenden von ihren kognitiven und psychischen Voraussetzungen her befähigen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu handeln. [..] Zur personalen Kompetenz gehören ebenfalls Aspekte der Selbstregulierung wie die Fähigkeit, sich situationsangemessen zu verhalten und eigene Lern- und Arbeitsprozesse sachgerecht und konzentriert zu steuern.
Sozialkompetenz: Hierbei geht es um eine vielschichtige Handlungskompetenz, die sich im Zusammenspiel verschiedener Fähigkeiten, Fertigkeiten, Motivationen und Einstellungen entfaltet. Grundlage ihrer Entwicklung ist eine soziale Wahrnehmungsfähigkeit. In Interaktionen entwickeln die Lernenden Rücksichtnahme und Solidarität gegenüber ihren Partnern. Kooperation und Teamfähigkeit haben zentrale Bedeutung für ein erfolgreiches gemeinsames Arbeiten. […] Die Lernenden übernehmen gesellschaftliche Verantwortung und üben ihre (Mit-)Gestaltungsrechte aktiv aus. Ihr Handeln trägt zur interkulturellen Verständigung bei.
Lernkompetenz: Sie zeigt sich in der Fähigkeit, variable Anforderungssituationen und Aufgaben mithilfe geeigneter Strategien zu erschließen sowie den Lernprozess und seine Ergebnisse angemessen reflektieren zu können. […] Problemlösekompetenz zeigt sich darin, Probleme zu analysieren, (alternative) Lösungswege zu planen und letztlich Entscheidungen zu treffen. Arbeitskompetenz ermöglicht es, Arbeitsprozesse sachgerecht zu planen, Ressourcen angemessen zu nutzen und Lernstrategien bewusst einzusetzen. Medienkompetenz ist für die Erschließung von Informationen sowie zur Dokumentation von Ergebnissen notwendig. […]
Sprachkompetenz: In diesem Bereich kommt dem Aufbau und der kontinuierlichen Sicherung der Lesekompetenz eine herausgehobene Stellung zu. Ohne ein angemessenes Leseverständnis sind erfolgreiche Lernprozesse auf Dauer nicht möglich; gleiches gilt für die Schreibkompetenz. Kommunikationskompetenz setzt voraus, sich verständlich auszudrücken und sich an Gesprächen konstruktiv zu beteiligen. Die Lernenden entwickeln zunehmend die Fähigkeit, Kommunikations- und Interaktionssituationen aufmerksam wahrzunehmen, zu verfolgen und zu reflektieren. Dabei lernen sie, Rede- und Gesprächsformen zu unterscheiden, Kommunikationsmittel sowie Rede- und Gesprächsstrategien situations-, adressaten- und sachbezogen anzuwenden. Die genannten Prozesse zielen auf eine aktive mündliche und schriftliche Sprachverwendung sowie auf die argumentative Qualität von Sprech- und Schreibleistungen.
Beispiel aus: Hessisches Kultusministerium: Bildungsstandards und Inhaltsfelder. Das neue Kerncurriculum für Hessen. Sekundarstufe I – Gymnasium. Moderne Fremdsprachen. (https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/kerncurriculum_moderne_fremdsprachen_gymnasium.pdf)
Vermutlich haben Sie sich notiert, dass die beschriebenen Zielkompetenzen stark anwendungsorientiert sind: Lerner sollen in der Lage sein, die Sprache in bestimmten Situationen anzuwenden, aber auch befähigt werden, ihren Lernprozess zu reflektieren und ihn effektiv zu gestalten. Daher sind die beschriebenen Fertigkeiten und Fähigkeiten sehr komplex, nicht immer beobachtbar (zum Beispiel die Reflexionsfähigkeit) und deshalb schwer mess- und prüfbar. Beim oben angeführten Beispiel aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen stellt sich die Frage, was einen einfachen Text auszeichnet oder ob die Niveaustufe erreicht ist, wenn eine Speisekarte gelesen werden kann, eine andere aber nicht. Die Stärken dieses Ansatzes liegen auf der Hand: Statt der Defizite und des Nicht-Könnens stehen das Können und die sprachliche Handlungsfähigkeit der Lerner im Vordergrund. Auch die Beurteilung individueller Leistungen ist leichter möglich (vergleiche dazu DGFF 2008). Darüber hinaus stellt die Abkehr vom Ziel, einzelne Grammatikphänomene zu beherrschen, einen großen Fortschritt dar, denn dieses wird ersetzt durch das Ziel, verschiedene sprachliche Mittel situations- und kontextangemessen zu verwenden.
In konkreten Unterrichts- und Prüfungssituation kann die Orientierung an Zielkompetenzen allerdings auch schwierig werden. Bei der Unterrichtsgestaltung stehen Lehrerinnen und Lehrer vor allem vor der Frage, welche Teilkompetenzen vermittelt werden müssen, um die Lerner an eine Zielkompetenz heranzuführen, wie eine Kompetenz also zu operationalisieren ist. Das Beispiel aus dem Kerncurriculum verdeutlicht die Vielzahl der Teilkompetenzen. Auch bei der Leistungsbeurteilung kommen diese Probleme der Operationalisierbarkeit zum Tragen. Hierzu werden derzeit verschiedene Aufgabentypen, Beschreibungen und Diagnoseaufgaben entwickelt, aber es besteht noch weiterer Handlungsbedarf (vergleiche DGFF 2008: 12), um Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten und diese Ansätze besser umsetzbar zu machen.
Trotz der genannten Schwierigkeiten ist die Arbeit mit Zielkompetenzen sinnvoll, um das Ziel der sprachlichen Handlungsfähigkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer ist es, sie auf lernbare Teilkompetenzen herunterzubrechen und damit im Unterricht zu arbeiten.