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2.1.5 Wie werden Lehrziele ausgewählt?

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Die Unterrichtsvorbereitung wird häufig als zweiteilig verstanden: Sie besteht erstens aus Vorerwägungen und zweitens aus der Entwicklung des Unterrichtsablaufs (vergleiche Gehring 2009: 192–193). Zu den Vorerwägungen zählt die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Besonderheiten der Lerner sowie mit dem Unterrichtsgegenstand und seiner Verortung in Lehrplänen und Curricula (vergleiche Ur 2002: 197). Daraus können zunächst Groblehrziele abgeleitet werden, die sich auf einen längeren Zeitraum, beispielsweise ein Schuljahr, beziehen und aus denen detailliertere Feinlehrziele enstehen, die in einzelnen Unterrichtseinheiten oder -stunden verfolgt werden. Damit verbunden ist die Entscheidung über die relative Bedeutung der Lehrziele für die Lerner einerseits und das Erfüllen von vorgegebenen Zielen andererseits. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Auswahl von Lehrzielen.

In den letzten Jahren zeichnet sich in einem konstruktivistisch ausgerichteten, lernerzentrierten Fremdsprachenunterricht die Tendenz ab, Lernziele gegenüber den Lehrzielen aufzuwerten, nicht zuletzt um die individuelle Bedeutsamkeit des Sprachenlernens für die Lerner zu erhöhen. Sie müssen aber immer mit den durch Lehr- und Bildungspläne vorgegebenen und von den subjektiven Vorstellungen der Lehrerinnen und Lehrer beeinflussten Lehrzielen in Verbindung gebracht werden. Um den unterschiedlichen Zielen, die innerhalb einer Lerngruppe bestehen (vergleiche Beckmann 2016: 59), gerecht zu werden und auch unterschiedliche Voraussetzungen der Lerner zu berücksichtigen, ist es sinnvoll, auch die ausgehandelten Ziele differenziert zu gestalten. Das Minimalziel, auch FundamentumMinimalziel (Fundamentum) genannt (vergleiche Schröder 2002), beschreibt das, was alle Lerner in einer Gruppe am Ende einer Unterrichtseinheit beherrschen sollten. Darüber hinaus können weitere Ziele definiert werden, die in einer Unterrichteinheit oder -stunde gelernt werden können, die nicht von allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen beherrscht werden müssen. Hier ist die Rede vom Maximalziel oder AdditumMaximalziel (Additum). So könnte das Minimalziel beispielsweise lauten, dass alle Lerner in der Lage sind, mit einer deutschsprachigen Freundin über Kurznachrichten einen Kinobesuch zu vereinbaren. Dieses Ziel beinhaltet Teilziele in den Bereichen Wortschatz, Grammatik, Textsortenkenntnisse, kulturelle Kenntnisse etc. Maximalziele könnten dann beispielsweise in den Bereichen Grammatik (Verwendung des Konjunktivs II zusätzlich zu Modalverben) oder Adressatenorientierung und Stil (Nachrichten an eine entfernte Bekannte versus Nachrichten an eine enge Freundin) formuliert werden.

In einem handlungs- und kompetenzorientierten Unterricht stehen in der Regel sprachliche Fertigkeiten im Vordergrund. Weitere Lernziele werden darauf ausgerichtet. Wenn Lerner zum Beispiel lernen sollen, sich über Hobbys und Interessen auszutauschen, benötigen sie rezeptive und produktive mündliche Fertigkeiten, die geübt und ausgebaut werden sollen. Außerdem muss der themenspezifische Wortschatz erworben werden, um Hobbys und Aktivitäten sowie Vorlieben und Abneigungen zu beschreiben. Das sind in diesem Fall vor allem Verben, die natürlich ohne Kenntnisse über die entsprechenden morphosyntaktischen Strukturen nicht verwendet werden können. Daher müssen neben den kommunikationsorientierten Lehrzielen auch wortschatz- und grammatikbezogene Ziele formuliert werden. Wenn sich Jugendliche tatsächlich mit Sprecherinnen und Sprechern des Zielsprachenlandes über Hobbys und Interessen austauschen wollen, bedarf es außerdem weiterer Fähigkeiten wie Empathie, Reflexionsfähigkeit, landeskundlicher Kenntnisse, um eventuell zusätzliche Erklärungen geben zu können, und gegebenenfalls auch Frustrationstoleranz, falls die Kommunikation nicht auf Anhieb wie geplant gelingt.

An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, wie komplex die Auswahl von Lehrzielen ist und dass Lehrziele selten für sich, sondern vielmehr in gegenseitiger Abhängigkeit zu anderen formulierten Zielen stehen.

Für die Auswahl von Lehrzielen sollten Lehrerinnen und Lehrer folgendes beachten:

 Die Aufgabe der Lehrperson ist es, Lehrziele so auszuwählen, dass Vorgaben und Rahmenbedingungen sowie Bedürfnisse und Wünsche der Lerner berücksichtigt werden. Dabei sollte die Individualität der Lerner miteinbezogen werden.

 Zunächst werden Fernziele für eine Lerneinheit, beispielsweise für ein Schuljahr, festgelegt. Aus diesen werden dann Nahziele abgeleitet. Eine Herausforderung ist es, die Fernziele nicht aus den Augen zu verlieren.

 Die formulierten Lehrziele werden in Teilziele zerlegt, bei denen die vier zuvor dargestellten Bereiche berücksichtigt werden sollten.

 Nicht in jeder Unterrichtsstunde können alle Bereiche bedient werden, aber über einen längeren Zeitraum sollte keiner der Bereiche vernachlässigt werden.

 Oft ist es hilfreich, zunächst von sprachlichen Fertigkeiten und Kompetenzen auszugehen und anschließend Ziele zu ergänzen, die sich auf Wissenserwerb, Schlüsselkompetenzen und persönliche Eigenschaften beziehen.

 Lehrziele müssen erreichbar sein, und ihr Erreichen sollte in regelmäßigen Abständen evaluiert werden.

 Eine wesentliche Aufgabe der Lehrperson ist es, Prioritäten zu setzen.

Wie Lehr- und Lernziele dann formuliert sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab, nicht zuletzt von institutionellen Gepflogenheiten. Doch warum ist es überhaupt so wichtig, wie Lehrziele formuliert sind? Das liegt nicht nur daran, dass nur eine präzise Formulierung erlaubt, anschließend zu evaluieren, ob dieses Ziel wirklich erreicht wurde, sondern auch daran, dass mit der Zielformulierung ein Verständnis von Lernen und ein bestimmtes Bild von Lernern verbunden ist. Funk (2016: 151) erläutert, dass ausgelöst durch die Bildungsreformdebatten der 1970er Jahre „[p]räskriptive Planungsformulierungen im Kollektiv-Subjekt (‚Der Schüler soll …‘) […] abgelöst [wurden] durch subjekt-differenzierende, deskriptive Formulierungen: ‚Schülerinnen und Schüler lernen, machen, usw.‘“ Allerdings werden auch diese Formulierungen kritisch gesehen, weil sie Behauptungen darstellen, die so nicht unbedingt zutreffen. Die wichtigste Frage bei der Formulierung der Ziele ist allerdings die der Erreichbarkeit.

Experiment

Welche dieser Lehrziele halten Sie für eine Unterrichtsstunde für geeignet und erreichbar?

O Die Lernenden können komplexe Texte verstehen.
O Die Lernenden kennen neue Lesetechniken und können sie evaluieren und anwenden.
O Die Lernenden haben einen Überblick über die deutsche Gegenwartsliteratur.
O Die Lernenden erweitern ihren Wortschatz zum Thema Schule.
O Die Lernenden können konzessive Nebensätze bilden.
O Die Lernenden sind flexibel.
O Die Lernenden verbessern ihre Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit.
O Die Lernenden kennen die Textsortenmerkmale einer geschäftlichen E-Mail.

Wenn Sie beispielsweise das Ziel „Lerner können komplexe Texte verstehen“ formulieren, dann ist es zu allgemein, zu ungenau und daher schwer messbar. Komplexe Texte zu lesen, verlangt nämlich viele Teilfertigkeiten, die kaum in einer Unterrichtsstunde erworben werden. Ebenso wenig wird es nur in einem größeren Zeitraum möglich sein, einen Überblick über die gesamte deutsche Gegenwartsliteratur zu erlangen. Hier bieten sich kleinere Ziele an. Bei Zielen wie der Verbesserung von Flexibilität, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit wäre es sinnvoll, die Formulierung zu präzisieren und einen Teilbereich herauszugreifen. Selbst dann sind sie schwer evaluierbar, aber nicht weniger wichtig.

Ob die Ziele erreichbar sind, ist nicht pauschal zu beantworten, da das von der Zielgruppe und vom Unterrichtskontext abhängt. Insgesamt ist es empfehlenswert, kleinere Ziele zu formulieren, und diese dann auch konsequent zu verfolgen. Es geht allerdings nicht darum, ein Ziel als erreicht oder nicht erreicht abzuhaken. Vielmehr sollten Lehrerinnen und Lehrer und Lerner gemeinsam evaluieren und beschreiben, inwiefern ein Ziel erreicht wurde (vergleiche Lerneinheit 5.1). So entsteht gleich schon ein Fahrplan für die nächsten Lernschritte.

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