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Atmosphärische Verdichtungen im öffentlichen Raum
ОглавлениеDiskursanalytische Untersuchungen, wie sie z. B. vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung durchgeführt wurden, zeigen, wie stark Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteil und Ressentiment gegenüber unerwünschten Fremden im Alltag und in der Alltagssprache verankert sind (vgl. Jäger 1992). Diese Vorurteile bilden im öffentlichen Raum unter bestimmten Bedingungen eine Grundstimmung, welche sich je nach Gegebenheit zu einer problematischen Qualität steigern kann, die ich atmosphärische Verdichtung nenne. Wenn z. B. aktuelle Ereignisse wie Terroranschläge vor dem Hintergrund konservativer Orientierungen und entlang rechter ideologischer Deutungsmuster interpretiert werden, entstehen immer wieder bei der Mehrheitsbevölkerung Stimmungen, die den Bereich der latenten feindlichen Haltung gegenüber unerwünschten Fremden verlassen, und sich dezidiert zu offen rassistischen und aggressiven Positionen entwickeln. Diese atmosphärischen Verdichtungen können sich bei einem gegenseitigen Aufschaukeln der Akteure insbesondere unter Alkoholeinfluss zu einer emotionalen Qualität steigern, aus der oft strafrechtlich relevante Handlungen entstehen. In besonderer Weise problematisch ist, dass derlei atmosphärische Verdichtungen den Kontext für Enttabuisierungsprozesse liefern, die sich wiederum als Grundlage für neue Konstruktionen der Normalität eignen, neue Mythen über die unerwünschten Fremden entwickeln und Grenzüberschreitungen – gleich ob auf der Diskurs- oder Handlungsebene – quasi legitimieren, sicher aber erleichtern (vgl. Jäger 1992: 220 ff.; 295 ff.). „So sind die in rassistische Diskurse Verstrickten zwar Opfer eines ‚Geistes geistloser Zeit‘. Indem sie in den rassistischen Diskurs verstrickt sind, sind sie aber zugleich potentielle Täter, die eines Tages auch zu wirklichen Tätern werden können, oder zumindest aktive Mitläufer. So gesehen, sind sie ‚unschuldige Täter‘, ihre ‚Unterwerfung unter das Gegebene‘, das angeblich ‚Normale‘, korrespondiert mit ihrer Rebellion gegen den mythisch beschworenen, als unnormal gezeichneten Ersatzfeind.“ (ebd.: 297)