Читать книгу Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung - Группа авторов - Страница 15
3.1 Der erlebte Unterricht
ОглавлениеAngehende Lehrkräfte beginnen nicht als unbeschriebene Blätter ihre Ausbildung, sondern bringen Vorstellungen von Unterricht und besonders Einstellungen zum Lehren mit, die durch viele Stunden schulischer Lernerfahrung geprägt sind – Lortie (1975) spricht hier von dem Prozess der Lehrzeit durch Beobachtung (apprenticeship of observation). Verschiedene Studien zeigen (Wideen et al. 1998; Schocker-v. Ditfurth 2001), dass sich solche mitgebrachten Vorstellungen über die Vermittlung von Theorie- und Methodenwissen alleine kaum beeinflussen lassen. Somit stellt sich die Frage, wie diese in den verschiedenen Phasen des Studiums systematisch bearbeitet werden können. Das betrifft in besonderer Weise die Eingangsphase, in der Studierende vor der Aufgabe stehen, einen Perspektivenwechsel von der Lerner- zur Lehrersicht vorzunehmen. Da diese Anbahnung des Perspektivenwechsels in vielen Fällen in der Fachdidaktik im Modus einer Einführungsvorlesung geschieht, in der ausgewählte, fachdidaktische Kernkonzepte vorgestellt werden, müsste die Vorlesung, wenn man die o.g. Prinzipien ernst nimmt, so gestaltet werden, dass die Aneignung der Konzepte parallel zu einer systematischen Bearbeitung der mitgebrachten Erfragungen und Konzepte erfolgen kann. Fehlt eine solche Bearbeitung, dann ist mit gutem Grund zu vermuten, dass die vermittelten Konzepte und die mit ihnen anvisierten Lehrhandlungen zwar theoretisch einleuchtend sind, letzten Endes aber „träges Wissen“ (Gräsel/Mandl 1999) bleiben und nicht als Erklärungsoptionen und Handlungsmöglicheiten in das berufliche Selbstverständnis integriert werden (Knorr in diesem Band, Schocker-v. Ditfurth 2001). Die Vorlesung müsste deshalb so konzipiert werden, dass sie sowohl auf der Microebene, d.h. in der Vorlesung selbst, als auch in ihrer Peripherie durch Arbeitsgruppen und Tutorien dialogische Arrangements bereithält, in denen die zukünftigen Lehrkräfte, etwa durch entsprechende Aufgaben, angeleitet werden, sich des mitgebrachten Erfahrungswissens bewusst zu werden und dessen Facetten zusammen mit anderen im Lichte (neuer) fachdidaktischer Konzepte zu erkunden. Den Erkenntnisgewinn aus einem solchen Austausch könnten die Studierenden in doppelter Weise nachweisen: durch einen Wissenstest, der den Erwerb der Konzepte dokumentiert und durch ein Portfolio, in dem sie ihren Lernprozess in Hinblick auf ausgewählte Konzepte und Ereignisse erörtern.
Über eine solche Einführungsvorlesung hinaus steht die Lehrerbildung generell vor der Aufgabe, Vorstellungen, Erwartungen und Visionen, die eigene Tätigkeit betreffend, zum Gegenstand gemeinsamer und individueller Arbeit zu machen. Einen Ansatzpunkt dazu bieten videographierte Ausschnitte aus dem Unterricht, denen wir uns nun zuwenden.