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2.2.1 Fachsprache und konzeptionelle Schriftlichkeit
ОглавлениеFachsprache existiert sowohl in geschriebener als auch in gesprochener Form. Wie bereits in Lerneinheit 2.1 beschrieben, lassen sich Fachsprachen nach Abstraktionsgrad beziehungsweise Kommunikationsraum klassifizieren, dabei geht man häufig von den folgenden drei Ebenen aus (vergleiche Ischreyt 1965: 38ff):
(1) der Theorie- beziehungsweise Wissenschaftssprache, die der Kommunikation unter Experten und Expertinnen dient, und die meist in schriftlicher Form vorliegt;
(2) der fachlichen Umgangssprache, die typischerweise in der mündlichen Kommunikation unter Experten und Expertinnen gebraucht wird, und
(3) der Verteilersprache, die in der mündlichen oder schriftlichen Kommunikation zwischen Experten und Laien verwendet wird.
Grammatikalische Charakteristika der Fachsprachen treten überwiegend in geschriebenen Texten auf. Es gibt in der Fachkommunikation allerdings auch mündliche Kommunikationsformen, deren Stil dem von Fachtexten stark ähnelt, dazu gehören beispielsweise Vorlesungen, Predigten, Reden oder Vorträge. Diese medial mündlichen Formen sind als konzeptionell schriftlich einzustufen und sollen daher auch Gegenstand dieser Lerneinheit sein.
Die Unterscheidung zwischen medialer Schriftlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit geht auf Koch und Oesterreicher (1985, 1994) zurück. In ihrem Modell (siehe Abbildung 2.1 in einer von Dürscheid 2006 modifizierten Version) sind Äußerungen beziehungsweise Texte medial mündlich, wenn sie durch Schallwellen übertragen werden, zum Beispiel Gespräche, Telefonate oder Referate, und medial schriftlich, wenn sie durch Schriftzeichen übertragen werden, zum Beispiel Leserbriefe, Emails oder Urkunden (siehe hierzu auch die Lerneinheit 8.2 im Band »Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb«).
Neben der Dimension „Medium“ existiert in Koch und Oesterreichers Modell auch die Dimension „Konzeption“, die sich auf den Stil beziehungsweise die Ausdrucksweise bezieht: Äußerungen und Texte gelten als konzeptionell mündlich, wenn der Stil informell und so an die gesprochene Sprache angelehnt ist. Sie gelten hingegen als konzeptionell schriftlich, wenn der Stil formal und an die geschriebene Sprache angelehnt ist. Eine Äußerung beziehungsweise ein Text lässt sich hinsichtlich der beiden Dimensionen „Medium“ und „Konzeption“ klassifizieren: Beispielsweise ist die WhatsApp-Nachricht Viertel vor neun zu euch??? medial schriftlich, vom Stil her aber eher konzeptionell mündlich. Andererseits kann eine Vorlesung medial mündlich, jedoch konzeptionell eher schriftlich sein:
Abbildung 2.1:
Mediale und konzeptionelle Schriftlichkeit (Dürscheid 2006: 45, modifiziert nach Koch & Oesterreicher 1994: 588)
Konzeptionell schriftliche Sprache, die sogenannte „Sprache der Distanz", ist kompakt, komplex, elaboriert und weist eine hohe Informationsdichte auf (siehe Koch & Oesterreicher 1985: 23). Diese Eigenschaften hängen wiederum stark mit den funktionalen Charakteristika von Fachtexten zusammen, zu denen beispielsweise nach Roelcke (2010: 24ff) Deutlichkeit, Verständlichkeit, Ökonomie und Anonymität zählen (vergleiche auch Lerneinheit 1.3). Diese funktionalen Eigenschaften prägen sowohl die Entwicklung des Fachwortschatzes und wirken sich auch auf die grammatikalischen Charakteristika von Fachtexten aus. Welche grammatikalischen Eigenschaften für Fachsprache typisch sind und in welchem Zusammenhang sie zu den fachsprachlichen Funktionen stehen, werden Sie in den nächsten Abschnitten erfahren.