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2.2.3 Morphologie und Syntax

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Morphologie teilt sich traditionell in die Bereiche Wortbildung und Flexion auf. Die Wortbildung in Fachsprachen wurde schon in der Lerneinheit 2.1 Lexikalische Eigenschaften von Fachsprachen behandelt. In diesem Abschnitt möchten wir uns auf den Bereich Flexionsmorphologie konzentrieren und zunächst untersuchen, welche Flexionsformen sehr häufig beziehungsweise weniger häufig in Fachtexten auftreten, und danach überlegen, welche Funktionen durch die charakteristische Fachsprachengrammatik ausgedrückt werden können.

Bei Substantiven und Adjektiven, Wortarten, die sehr häufig in Fachtexten vorkommen – Hoffmann (1998: 424) schätzt ihren Anteil auf 50 % – und einen Großteil des Fachwortschatzes stellen, gibt es bezüglich ihrer Flexionsmorphologie relativ wenige Unterschiede zur Gemeinsprache. Auffallend ist beispielsweise bezüglich der Kategorie Numerus, dass manche Substantive, die in der Gemeinsprache nur im Singular existieren, im fachsprachlichen Gebrauch auch im Plural vorkommen, beispielsweise Stahl – Stähle oder Sand – Sände (in der Gemeinsprache Stahlsorten beziehungsweise Sandsorten). Solche Pluralformen treten fachsprachlich vor allem bei Stoffbezeichnungen auf und tragen zur Ökonomie und Präzision der Aussage bei.

In Bezug auf den Kasus lässt sich feststellen, dass Substantive relativ häufig im Genitiv auftreten (…. zum Messen der Deformation einer Oberfläche eines Rohrs …). Durch die Verwendung dieser Genitivattribute entstehen komplexe Nominalphrasen, die einen bestimmten Sachverhalt sowohl ökonomisch als auch sehr differenziert und präzise ausdrücken können.

Verben kommen in Fachtexten nicht sehr häufig vor, nach Hoffmann (1998: 424) beträgt ihr Anteil circa 10–14 %. Hinsichtlich ihrer Flexionscharakteristika sind sie für die Fachsprachenlinguistik eine interessante Wortart, denn in Fachtexten treten meist nur wenige Formen des Konjugationsparadigmas auf, es liegt also eine Reduktion des Verbinventars vor: Zunächst fällt auf, dass sehr häufig die 3. Person vorkommt (Das Ventil besteht aus dem freien Ventilkörper und dem zylinderförmigen Ventilsitz oder Häufiger kommen Kunststoffe zum Einsatz); wesentlich seltener wird, bedingt durch die Textgattungen, die 1. oder 2. Person verwendet.

Die Vermeidung der 1. Person Singular hängt mit der Vermeidung des Personalpronomens ich zusammen und wird als sogenanntes Ich-VerbotIch-Verbot (Weinrich 1989: 132f) beziehungsweise Ich-TabuIch-Tabu bezeichnet. Die Ich-Vermeidung ist durchaus fächerspezifisch; nach Graefen (1997: 204) wird ich in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern etwas häufiger verwendet als in den Naturwissenschaften oder der Mathematik. Steinhoffs Korpusstudie [z]um ich-Gebrauch in Wissenschaftstexten (2007a) zeigt in einer Analyse wissenschaftlicher Aufsätze aus der Linguistik, Literaturwissenschaft und Geschichte, dass (nur) 40 % der Autoren ich überhaupt nicht verwendeten, von den drei untersuchten Disziplinen trat ich am häufigsten in der Linguistik auf und am seltensten in der Geschichtswissenschaft.

Zum Ausdruck der Objektivität, Anonymität und Allgemeingültigkeit fachlicher Aussagen werden statt ich unterschiedliche Ersatzkonstruktionen verwendet. Dazu zählen vor allem unbestimmte Pronomina (man, es), aber auch lexikalische Stellvertreter (die Autoren, der Verfasser, die Forscher). Manchmal wird auch die 1. Person Plural (wir), der sogenannte Pluralis AuctorisPluralis Auctoris (oder AutorenpluralAutorenplural) verwendet (Im Folgenden gehen wir davon aus, dass … oder Weiterhin können wir annehmen, dass …). Der Pluralis Auctoris bezieht die Angesprochenen in die Argumentation mit ein (zum Beispiel Fiedler 1995), knüpft gewissermaßen Kontakt mit der Leser- oder Zuhörerschaft und betont gleichzeitig die Objektivität und Allgemeingültigkeit der Aussage, da wir nicht nur die Meinung des einzelnen Autors beziehungsweise der einzelnen Autorin ausdrückt, sondern oft für „die Wissenschaft“ beziehungsweise „die Forschergruppe“ steht (vergleiche hier auch Graefen 1997).

Als Modus wird meistens der Indikativ gebraucht (Die Abbildung stellt dar, auf welchen Komponenten die Software aufbaut), der eher selten verwendete Konjunktiv (Die Behauptung, das Risiko sei nicht akzeptabel, ist nicht ganz von der Hand zu weisen oder An dieser Stelle sei erwähnt) erfüllt in wissenschaftlichen Texten oft eine relativierende Funktion. Imperativformen findet man vor allem in Aufforderungen in Gebrauchsanleitungen und ähnlichen Textsorten (Schalten Sie das Gerät ein und folgen Sie den menügeführten Anweisungen zur Konfiguration oder Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker). Dies hängt damit zusammen, dass der Indikativ als unmarkierter Modus verwendet wird, um Tatsachen beziehungsweise allgemeingültige Aussagen wiederzugeben, und damit die Informationsfunktion der Fachkommunikation unterstützt.

Verglichen mit anderen nichtfachlichen Textsorten taucht das Passiv in Fachtexten relativ häufig auf (Dieses Dialogfeld wird geöffnet, wenn im Kontextmenü der Befehl „Neu installieren“ gewählt wird). Auch reflexive Konstruktionen sind relativ häufig (Danach öffnet sich ein Fenster für den Dateinamen). Unterstützt wird damit die Unpersönlichkeit und neutrale Beschreibung eines Sachverhalts (vergleiche Roelcke 2010: 82ff), wobei der Sachverhalt (das Öffnen des Dialogfelds beziehungsweise das geöffnete Dialogfeld) im Vordergrund steht und der Verursacher beziehungsweise die Verursacherin der Handlung (derjenige beziehungsweise diejenige, der oder die das Dialogfeld öffnet) als redundant beziehungsweise unwichtig angesehen wird.

Auch Infinitive werden oft verwendet, entweder mit „um zu“ (Um zu gewährleisten, dass das Produkt mit anderen Versionen kompatibel ist …), als Substantivierung (Dabei kann in der Regel das Polieren eingespart werden) oder als Aufforderung, Anweisung beziehungsweise Verbot (PIN sofort ändern), um den Finalsatz zugunsten der sprachlichen Ökonomie einzusparen.

Die Partizipien I und II kommen ebenfalls relativ oft vor, vor allem in attributiver Verwendung (glänzende Oberflächen, die zurückgeleitete erhitzte Flüssigkeit). Auch dieses dient der sprachlichen Präzision der Aussage und gleichzeitig der Ausdrucksökonomie, da durch Wahl attributiver Partizipien (Die zurückgeleitete erhitzte Flüssigkeit statt Die Flüssigkeit, die zurückgeleitet und erhitzt wurde; Aufgrund steigender Kosten statt Weil die Kosten gestiegen sind) der gleiche Sachverhalt kürzer ausgedrückt werden kann, als durch die entsprechenden Nebensätze.

Als Tempus wird in Fachtexten vor allem das Präsens gebraucht, da die Aussagen meist allgemein gültig und zeitunabhängig sind, andere Tempora kommen seltener vor (zum Beispiel Roelcke 2010: 83). Buhlmann und Fearns (2000: 18f) weisen jedoch darauf hin, dass in bestimmten Textteilen fachlicher Texte auch andere Zeitformen wie Präteritum und Perfekt auftreten können. Im Präteritum werden dann meist nicht allgemeingültige Ergebnisse ausgedrückt, es wird beispielsweise bei der Beschreibung eines Versuchaufbaus verwendet (Zusätzlich wurde an dieser Stelle noch der Anodenstrom abgelesen), während das Perfekt zur Bezeichnung von wissenschaftlich abgesicherten Ergebnissen verwendet wird (Zusammenfassend hat sich ergeben, dass …).

Es gibt auch Textsorten, die sehr wenig Verben enthalten (siehe auch Buhlmann & Fearns 2000: 19f), beispielsweise Textsegmente in Enzyklopädien, wie diese Beschreibung einer Hunderasse zeigt:

Foxhound [-haund; aus gleichbed. engl. Fuchshund] der, -s/-s, von frz. Jagdhunden abstammende engl. Hunderasse, Verwendung zunächst zur Parforcejagd auf den Hirsch; energisch, freundlich, verträglich und anhänglich; etwa 58 cm hoch; drei- oder zweifarbig: weiß-schwarz-lohfarben, weiß-orange." (Brockhaus 2006: 541)

Zusammengefasst sieht man auf der Ebene der Morphologie ein reduziertes Formeninventar in fachsprachlichen Texten verglichen mit anderen Text- und Kommunikationsformen; vor allem das Verbparadigma wird wesentlich weniger ausgeschöpft als in der Gemeinsprache.

Bestimmte Strukturen, die in Fachtexten wesentlich häufiger als in anderen Texten vorkommen und zum typisch fachsprachlichen Stil beitragen, gibt es nicht nur im Bereich der Flexionsmorphologie, sondern auch im Bereich der Syntax, mit der wir uns als Nächstes beschäftigen:

Die Satzlänge in Fachtexten ist im Allgemeinen deutlich länger als in anderen Textsorten (vergleiche Hoffmann 1998: 417). Am häufigsten findet man Aussagesätze, Fragesätze treten vor allem als rhetorische Fragen auf, zum Beispiel Wann ist Integration erfolgreich?, und Aufforderungssätze in Gebrauchsanleitungen, beispielsweise Öffnen Sie zunächst die Konfigurationsoberfläche (Hoffmann 1998: 418).

Das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensätzen hängt stark von Textsorte und Disziplin ab. In den naturwissenschaftlich-technischen Fachsprachen gibt es oft relativ wenig Nebensätze: Nach Buhlmann und Fearns (2000: 49) enthalten in Lehrbüchern für den Maschinenbau nur ca. 20–25 % der Sätze einen Nebensatz. In den Geisteswissenschaften scheint der Prozentsatz jedoch höher zu liegen; in einer Analyse linguistischer wissenschaftlicher Aufsätze ermittelte Plag (2011), dass 46 %, also knapp die Hälfte der Sätze, in seinem Korpus Nebensätze enthielten.

Die für Fachtexte typischen Nebensatzsorten sind neben Relativsätzen unter anderem Konditionalsätze, Kausalsätze und Finalsätze. Konditionalsätze kommen relativ häufig in verkürzter Form vor, also ohne Konjunktion: Ist die Lösung gesättigt, setzt sich der Zucker auf dem Boden ab statt Wenn die Lösung gesättigt ist. Wie bereits oben erwähnt, werden statt Relativsätzen auch oft Attribute verwendet, da durch eine Partizipialkonstruktion der gleiche Sachverhalt noch kürzer und damit ökonomischer ausgedrückt werden kann als mit einem Nebensatz. Das bewusste Ausschöpfen der Kürzungsmöglichkeiten eines Satzes wird als syntaktische Kondensationsyntaktische Kondensation oder syntaktische Kompressionsyntaktische Kompression bezeichnet (unter anderem von Hahn 1983; Möhn & Pelka 1984: 20) und trägt damit zur Ausdrucksökonomie bei.

Wie schon in Lerneinheit 2.1 angesprochen, werden Verben in Fachtexten oft substantiviert beziehungsweise durch Funktionsverbgefüge ersetzt (aufführenzur Aufführung bringen, abgelehnt werdenauf Ablehnung stoßen). Diese Tendenz führt zum typischen Nominalstil deutscher Fachtexte: Verben kommen relativ selten vor und enthalten auch insgesamt wenig semantische Information, da die Bedeutung eines Satzes hauptsächlich durch Substantive beziehungsweise komplexe Nominalgruppen ausgedrückt wird, zum Beispiel: Die für nicht-muttersprachliche Schüler schwer nachvollziehbare Aufgabenstellung stieß bei der Überprüfung der Aufgaben durch die zuständige Kommission auf Ablehnung).

Auch diese syntaktischen Charakteristika fachsprachlicher Texte gehen mit Präzision, Explizitheit und anderen Funktionen der Fachkommunikation einher: So fasst Fluck zusammen:

Die Verwendung und der Ausbau dieser syntaktischen Mittel in fachsprachlichen Texten sind funktional bedingt: Sie entsprechen der geforderten Ausdrucksökonomie und dem Bestreben nach klarer und eindeutiger Fixierung von Sachverhalten und Denkbeziehungen. (1996: 56)

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